Spruch:
Die außerordentliche Revision der Erstbeklagten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht stellte die Nichtigkeit der zwischen den Beklagten am 20.7.1990 geschlossenen Ehe auf Grund folgender Feststellungen fest:
Die Beklagten schlossen die Ehe, obwohl sie nicht beabsichtigten, eine eheliche Gemeinschaft aufzunehmen. Die Ehe sollte nur dazu dienen, der Erstbeklagten die österreichische Staatsbürgerschaft, die der Zweitbeklagte besaß, zu verschaffen und ihr die Möglichkeit zu geben, in Österreich zu arbeiten. Der Zweitbeklagte willigte ein, weil er der Erstbeklagten helfen wollte. Außerdem bekam er für die Eheschließung einen Geldbetrag. Einen gemeinsamen Haushalt der Beklagten hat es nie gegeben. Die eheliche Gemeinschaft wurde nie aufgenommen und die Ehe nicht vollzogen.
Auf Grund dieser Feststellungen sei die Ehe der Beklagten gemäß § 23 EheG nichtig.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, insbesondere auch die Feststellung, daß Motiv der Erstbeklagten für die Eheschließung die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Möglichkeit, in Österreich zu arbeiten gewesen sei, wobei keine unterschiedliche Gewichtung dieser beiden Motive vorgenommen worden sei.
Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, zur Verwirklichung der ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers müsse § 23 EheG extensiv dahin verstanden werden, daß eine Ehe, auch wenn sie nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem ausländischen Teil eine legale Arbeit im Inland zu ermöglichen ("Befreiungsscheinehe") nichtig sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes, wonach eine bloß zur Erlangung eines sogenannten Befreiungsscheines geschlossene Ehe nicht von der Nichtigkeitssanktion des § 23 EheG bedroht sei, abgewichen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Zweitbeklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klageabweisendem Sinn abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision sind in der hier zu beurteilenden Rechtssache trotz der vom Berufungsgericht geäußerten, mit einem Teil der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht übereinstimmenden Rechtsmeinung aus folgenden Gründen nicht gegeben:
Der Oberste Gerichtshof hat zu der hier entscheidungswesentlichen
Rechtsfrage bereits ausgesprochen (JBl 1993, 245 = ZfRV 1993, 82/24 =
ÖStA 1993, 41 = EFSlg 69.179), daß § 23 Abs 1 EheG die Absicht
voraussetzt, eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht zu begründen. Die Absicht der Eheschließenden muß vielmehr ausschließlich oder vorwiegend auf den Erwerb des Familiennamens oder Staatsbürgerschaft gerichtet sein. Da das Gesetz nur diese beiden ehefeindlichen Absichten unter Nichtigkeitssanktion stellt, können andere ehefeindliche Absichten nicht zu einer Aufhebung der Ehe wegen Ehenichtigkeit führen, wenn nicht der im § 23 EheG verpönte Zweck überwiegt. Die Absicht, durch die Eheschließung nur einen Befreiungsschein gemäß § 15 Ausländerbeschäftigungsgesetz zu erlangen, ohne auch nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, ist für eine Nichtigerklärung der Ehe nicht ausreichend. Die Erlangung eines solchen Befreiungsscheines kann aber ein Indiz dafür sein, daß damit nur der erste Schritt zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 11 a StbG getan werden soll, um in Zukunft die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen.
Beurteilt man die Feststellungen des Erstgerichtes auf Grund dieser, vom Obersten Gerichtshof bereits vorgenommenen Auslegung des § 23 EheG, so wurde die Nichtigkeit der Ehe der Beklagten zutreffend festgestellt. Nach den maßgebenden Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes diente nämlich die Eheschließung nur dazu, der Erstbeklagten die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen und ihr die Möglichkeit zu geben, in Österreich zu arbeiten. Diese Arbeitsmöglichkeit ist aber nichts anderes als der vom Obersten Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung genannte erste Schritt zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft, worauf die Absicht der Erstbeklagten gerichtet war.
Es bedarf daher nicht mehr der Erörterung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30.3.1994, 8 Ob 577/93, wonach - wie auch das Berufungsgericht meint - die ausschließliche oder überwiegende Absicht durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den unbehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreicht.
Soweit in der Revision die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht wird, handelt es sich dabei um den - unzulässigen - Versuch, die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen. Das Berufungsgericht hat - entgegen dem Anklingen in den Revisionsausführungen - sämtliche Feststellungen des Erstgerichtes nach Behandlung der erhobenen Mängel- und Beweisrüge übernommen und sich eben gerade nicht darauf beschränkt, die nach seiner Rechtsmeinung gar nicht erforderlichen Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu prüfen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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