Normen
Entmündigungsordnung §29
Entmündigungsordnung §49
Entmündigungsordnung §56
Entmündigungsordnung §29
Entmündigungsordnung §49
Entmündigungsordnung §56
Spruch:
§ 5 AußStrG ist auch im Entmündigungsverfahren und in dem darauffolgenden Pflegschaftsverfahren anwendbar
OGH 28. 4. 1971, 5 Ob 52/71 (LGZ Wien 44 R 26/71; BG Innere Stadt Wien 9 P 162/59)
Text
Das Erstgericht faßte folgenden Beschluß:
"1. Rosa S wird angehalten, ab Zustellung dieses Beschlusses ihre Eingaben von ihrem Beistand Dr Johannes R, RA in Wien, verfassen und unterschreiben zu lassen. Soweit sich Anträge gegen den Beistand richten, sind diese von einem anderen Rechtsanwalt ihrer Wahl zu verfassen und zu unterschreiben oder beim gefertigten Gericht an einem Amtstag (Dienstag oder Freitag vormittag) zu Protokoll zu geben.
2. Sämtliche Eingaben der Rosa S, die nicht von einem Rechtsanwalt verfaßt und unterschrieben sind, werden unter Hinweis auf Z 1 an die Genannte zurückgestellt werden.
3. Dieser Beschluß wird gemäß § 12 Abs 1 AußStrG sofort in Vollzug gesetzt."
Dieser Beschluß wurde folgendermaßen begrundet:
Die am 20. 5. 1916 geborene Rosa S sei wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigt; ihr Beistand sei derzeit RA Dr Johannes R. Sie bringe ständig bei Gericht fehlerhafte oder unzulässige Eingaben ein. Dem Rekursgericht und dem OGH seien bisher schon gegen 40 Rechtsmittel vorgelegt worden, die vom OGH in seiner Entscheidung vom 12. 11. 1969, 5 Ob 287, 288/69 als vollkommen unverständlich sowie als zusammenhanglose Aneinanderreihung allgemeiner Polemiken und Mitteilungen über sonstige Eingaben an die verschiedensten Behörden udgl bezeichnet worden seien. Den Rechtsmittelsenaten könne nicht zugemutet werden, ähnliche als Rechtsmittel bezeichnete Eingaben neuerlich vorgelegt zu erhalten. Durch diesen Wust von unqualifizierten und zu einer geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeigneten Eingaben werde die Führung der bereits 6 Bände umfassenden Pflegschaftsakten wesentlich erschwert und zugleich die Gefahr heraufbeschworen, daß wegen der Unübersichtlichkeit der Akten allenfalls eine im Interesse der Kurandin notwendige Verfügung übersehen werde.
Die Voraussetzungen des § 5 AußStrG, wonach Parteien, von welchen zu wiederholten Malen fehlerhafte oder unzulässige Eingaben bei Gericht eingebracht werden, verhalten werden können, ihre Eingaben von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen, seien daher erfüllt. Der Beistand habe zwar seine Aufgaben bisher vorzüglich erfüllt, er sei jedoch nicht verpflichtet, gegen sein bestes Wissen und Gewissen für die Kurandin Eingaben zu verfassen, die keinem berechtigten Interesse der Pflegebefohlenen dienten, sondern auf deren paranoidem-querulatorischem Symptomkomplex beruhten und deshalb von ihr gewünscht würden.
Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf. Es führte hiezu folgendes aus:
Die Bestimmung des § 5 AußStrG sei auf das Entmündigungsverfahren und auf damit im Zusammenhang stehende Pflegschaftssachen nicht anzuwenden, einerseits weil die EntmO Bestimmungen über die Rechtsmittelbefugnis der entmundigten bzw zu entmundigenden Personen enthalte, andererseits weil sich aus den Rechtswirkungen der Entmündigung ergebe, in welchem Umfang der Entmundigte selbst Rechtsmittel ergreifen könne. Eine Beschränkung dieser Rechte durch § 5 AußStrG sei weder im Gesetz vorgesehen noch aus dem Gründe der lex specialis vertretbar.
Dazu komme, daß es ja gerade in der Krankheit der wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmundigten Personen liege, daß ihre Schriftsätze häufig fehlerhaft oder sogar unverständlich seien. Aus § 4 EntmO ergebe sich, daß der beschränkt Entmundigte ohne seinen Beistand Rechtsmittel gegen ihn betreffende Beschlüsse nicht erheben dürfe. Er könne aber Anträge hinsichtlich der Person des Beistandes und der Aufhebung seiner Entmündigung stellen und insoweit Rechtsmittel ohne Fertigung des Beistandes oder eines Rechtsanwaltes einbringen. Diese Rechte dürften und könnten nicht beschnitten werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Erstrichters (§ 15 AußStrG) Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 15 Abs 1 AußStrG kann der Richter erster Instanz gegen eine Verfügung des Obergerichtes Rekurs ergreifen, wenn er von ihr für Personen, die sich selbst zu vertreten unfähig sind, einen unwiederbringlichen Nachteil besorgt. Nach ständiger Rechtsprechung ist er aber nur dann zur Erhebung des Rekurses legitimiert, wenn er konkrete Umstände anführt, auf die er seine Besorgnis grundet und die auch objektiv einen unwiederbringlichen Nachteil für den Pflegebefohlenen bewirken könnten (SZ 40/99; RZ 1970, 204; 1 Ob 146/70 uva).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Rekurswerber mit Recht darauf verweist, daß die Pflegebefohlene - wie sich aus den Akten ergibt - in ärmlichen Verhältnissen lebt, so daß schon allein die Bestreitung der Postgebühren ihrer unzähligen und zwecklosen Eingaben eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Lebensstandards bedeutet. Darüber hinaus besteht infolge der vom OGH schon in seiner Entscheidung vom 12. 11. 1969, 5 Ob 287, 288/69 hervorgehobenen völligen Unverständlichkeit ihrer Eingaben die Gefahr, daß einmal ein wirkliches Rechtsschutzbedürfnis der Pflegebefohlenen nicht erkannt und deshalb auch nicht wahrgenommen werden könnte. Die Legitimation des Erstrichters zur Erhebung des Amtsrekurses ist daher zu bejahen.
Dem Rechtsmittel kommt aber auch inhaltlich Berechtigung zu.
Daß die Voraussetzungen für die erstrichterliche Anordnung nach § 5 AußStrG vorliegen, kann im Hinblick darauf, daß die Pflegschaftsakten durch die sinn- und zwecklosen Eingaben der Pflegebefohlenen schon auf 6 dicke Bände angewachsen sind, nicht bezweifelt werden. Es kann aber auch der Meinung des Rekursgerichtes nicht gefolgt werden, daß § 5 AußStrG auf das Entmündigungsverfahren keine Anwendung finde. Gewiß enthält die EntmO eine vom sonstigen Außerstreitverfahren teilweise abweichende Regelung des Rechtsmittelverfahrens; insofern ist - hierin ist dem Rekursgericht zuzustimmen - die EntmO lex specialis. § 5 AußStrG schafft jedoch die Möglichkeit, trotz grundsätzlichen Fehlens des Anwaltszwangs im Außerstreitverfahren, Parteien, die wiederholt die Gerichte mit fehlerhaften oder unzulässigen Eingaben behelligen, zu verhalten, ihre Eingaben von Rechtsanwälten verfassen und unterschreiben zu lassen. Hiedurch werden dem von der Verfügung Betroffenen nur hinsichtlich der Form seiner Eingaben Vorschriften erteilt und Einschränkungen auferlegt, nicht aber hinsichtlich der Rechtsmittelberechtigung, ganz abgesehen davon, daß sich ja die Anordnung nach § 5 AußStrG nicht bloß auf Rechtsmittel, sondern auch auf Eingaben an das Erstgericht erstreckt. Hiezu kommt, daß im vorliegenden Fall die Pflegebefohlene ohnedies einen Rechtsanwalt als Beistand hat, der - wie das Erstgericht hervorhebt - seine Aufgaben bisher vorzüglich erfüllt hat, und daß ihr für Eingaben, die sich gegen den Beistand selbst richten, neben dem Auftrag sie durch einen anderen Anwalt unterschreiben zu lassen, die Möglichkeit eingeräumt wurde, sie an Amtstagen bei Gericht zu Protokoll zu geben. Die Pflegebefohlene ist somit durch die erstrichterliche Anordnung inhaltlich in ihrem Recht, Eingaben an das Gericht zu richten oder Rechtsmittel zu ergreifen, nicht beschränkt.
Die Ausführungen des Rekursgerichtes, es liege ja gerade in der Krankheit der wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmundigten Personen, daß ihre Schriftsätze häufig fehlerhaft oder unvollständig sind, stellen kein Argument gegen die Verfügung des Erstrichters dar. Sie weisen vielmehr gerade auf die Anwendung des § 5 AußStrG hin.
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