OGH 5Ob525/94

OGH5Ob525/9427.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, SLO*****, vertreten durch Dr.Matthäus Grilc und Dr.Roland Grilc, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei P***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Anton Gradischnig und andere Rechtsanwälte in Villach, wegen FF 202.873,78 sA (Streitwert S 421.977,46), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23.Dezember 1993, GZ 4 a R 33/93-13, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.Juli 1993, GZ 29 Cg 59/93g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von FF 202.873,78 im Schillinggegenwert zum Devisenkurs der Wiener Börse (Brief) Paris für 23.2.1992 samt 4 % Zinsen seit 24.2.1992 zu bezahlen und die mit S 44.394,60 (darin S 6.359,10 Umsatzsteuer und S 6.240 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen.

Das Zinsenmehrbegehren von weiteren 8,5 % wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 23.789,40 (darin S 2.364,90 Umsatzsteuer und S 9.600 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 29.022,60 (darin S 2.837,10 Umsatzsteuer und S 12.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die in Paris situierte G***** schuldete der Beklagten aufgrund von Warenlieferungen zufolge der Rechnungen vom 10.10., 26.11. und 16.12.1991 einen die Klagsforderung übersteigenden Betrag. Weiters schuldete sie der Klägerin aus der Lieferung von Fugenfolien laut Rechnungen vom Dezember 1991 einen Betrag von FF 202.873,78. Laut Vereinbarung zwischen der G***** und der Klägerin sollte die letztgenannte Schuld mittels Wechsels bezahlt werden. In der Folge übersandte die G***** ein Wechselformular irrtümlich nicht an die Klägerin, sondern an die Beklagte. Das Wechselformular war ausgefüllt und trug ein Akzept der G*****; als Remittent schien die Klägerin mit ihrer Kurzbezeichnung "D*****" auf. Lediglich Ausstellerstampiglie und -unterschrift wurden nachträglich (bei der Beklagten) eingesetzt. Die Beklagte löste den Wechsel ein. Der Betrag von FF 202.873,78 wurde ihr von ihrer (inländischen) Bank am 23.2.1992 gutgebucht. Über das Vermögen der G***** wurde im Frühjahr 1992 der Konkurs eröffnet.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten Bezahlung des Betrages von FF 202.873,78 bzw des umgerechneten Schillingbetrages samt Anhang mit dem Vorbringen, die Beklagte habe den Wechsel eingelöst und somit ungerechtfertigt den Rechnungsbetrag ihrem Konto zugeschrieben, obwohl aus dem Wechsel klar hervorgegangen sei, daß er sich auf eine Forderung der Klägerin bezogen habe.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, sie habe angenommen, daß dieser Betrag für die offene Schuld gegenüber der Beklagten bezahlt worden sei. Da über den Wechselbetrag hinaus noch Schulden der G***** offen seien, sei die Beklagte nicht verpflichtet, den Geldbetrag herauszugeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 1431 ABGB läge nicht vor, da der Beklagten tatsächlich Forderungen zumindestens in Höhe des Klagsbetrages gegenüber der G***** zustünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Der Klägerin sei allerdings zunächst beizupflichten, daß der geltend gemachte Anspruch nicht unter die Bestimmung des § 1431 ABGB subsumierbar sei. Entgegen § 1431 ABGB setze die Anwendbarkeit des § 1041 ABGB voraus, daß der Anspruchswerber (Verkürzte) nicht selbst geleistet habe (vgl JBl 1968, 520; MietSlg 25.089). Aber auch hieraus sei für die Klägerin nichts zu gewinnen. Gemäß § 1041 ABGB könne, wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines anderen verwendet worden sei, der Eigentümer sie in Natur oder, wenn dies nicht mehr geschehen könne, den Wert verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt habe, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden sei. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung seien die in § 1041 ABGB verwendeten Begriffe der "Sache", des "Eigentümers" und der "Verwendung" weit auszulegen, sodaß auch eine dem Zuweisungsgehalt eines obligatorischen Rechtes widersprechende Nutzung darunter falle (ÖBl 1981, 8; Reischauer, ÖJZ 1978, 257). Dem Verwendungsanspruch komme jedoch nur ergänzende Funktion zu. Er sei ausgeschlossen, wenn ein die Vermögensverschiebung rechtfertigendes Vertragsverhältnis bestehe, oder aufgrund eines vertragsähnlichen Verhältnisses ein Anspruch gegen den Bereicherten oder einen Dritten erhoben werden könne. Bei dreipersönlichen Verhältnissen könne daher der Rechtsgrund auch im Verhältnis zwischen Mittelsperson und Drittem liegen. Daher stehe einem Verwendungsanspruch auch ein dem Verkürzten vom Gesetz gegenüber einer Mittelsperson eingeräumter Ersatzanspruch entgegen (vgl SZ 52/110; JBl 1969, 476; JBl 1988, 784; Rummel in Rummel I2 Rz 9 und 10 zu § 1041; Stanzl in Klang2 IV/1, 912 ff). Die Klägerin sei daher auf ihre vertraglichen Ansprüche gegenüber der G***** zu verweisen. Auch wenn über das Vermögen dieser Firma der Konkurs eröffnet worden sei, vermöge daraus keine Anspruchsberechtigung im Sinne des § 1041 ABGB abgeleitet zu werden.

Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, da keine in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehende Rechtsfrage zu lösen sei und von der vorliegenden oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen werde.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil der Frage, ob dem als Remittent Eingesetzten gegen den wechselmäßig nicht Legitimierten, dem aber die Einlösung des Wechsels gelungen ist, ein Verwendungsanspruch zusteht, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Was die von der Klägerin aufgeworfene kollisionsrechtliche Frage anlangt, so ist nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen einen allfälligen Bereicherungsanspruch der Klägerin nach österreichischem Recht geprüft haben. Gemäß § 46 IPRG sind Bereicherungsansprüche nämlich nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die Bereicherung eingetreten ist. Im vorliegenden Fall wäre es zu einer Bereicherung der Beklagten mit der Gutschrift der Wechselsumme auf ihrem Konto bei ihrer - inländischen - Hausbank gekommen; der Ort des Bereicherungseintrittes wäre demnach im Inland gelegen (vgl Schwimann in Rummel2 § 46 IPRG Rz 4; Duchek-Schwind § 46 IPRG Anm 2; ÖBl 1991, 40).

Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß "Sache" im Sinne des § 1041 ABGB weit auszulegen ist, sodaß darunter auch Forderungsrechte fallen (vgl weiters Rummel in Rummel2 § 1041 Rz 6; Koziol-Welser I9 410; Apathy, Der Verwendungsanspruch 66; JBl 1986, 235; RdW 1988, 288 = ÖBA 1989, 85). Verwendung ist jede dem Zuweisungsgehalt eines Rechtes widersprechende Nutzung (Rummel aaO Rz 3; Koziol-Welser I9 411; Apathy aaO 46; WBl 1991, 137 = ÖBl 1991, 40), auch die Einziehung fremder Forderungen durch einen Scheingläubiger (Rummel aaO Rz 7; Reischauer, Doppelzession, Bereicherung und unechte [angewendete] Geschäftsführung ohne Auftrag, ÖJZ 1987, 257).

Im vorliegenden Fall war die Forderung aus dem von der G***** akzeptierten Wechsels - ungeachtet der versehentlichen Übersendung des Wechselformulars an die Beklagte und ungeachtet der Vervollständigung durch die Beklagte, indem sie sich als Ausstellerin einsetzte - nach Skripturakt und Begebungsvertrag (vgl Baumbach-Hefermehl18, EinlWG Rz 27, 30 a) der Klägerin zugewiesen. Die Begebung eines Wechsels hatte die G***** mit der Klägerin und nicht mit der Beklagten vereinbart; dementsprechend hatte sie auf dem Wechselformular die Klägerin als Remittent eingesetzt. Diesem Umstand haben weder die Vorinstanzen noch die Beklagte und die mit dem Inkasso befaßten Banken Beachtung geschenkt. Da eine Indossamentenkette vom Remittenten ihren Ausgang nehmen muß, war die Beklagte schon papiermäßig nicht berechtigt, den Wechsel zum Inkasso an ihre Hausbank zu indossieren. Trotz fehlender wechselmäßiger Legitimation ist allerdings die Einlösung des Wechsels gelungen, was dem Zuweisungsgehalt widersprach. Das zugunsten der Beklagten erfolgte Wechselinkasso war somit - überdies rechtswidrige (vgl Koziol-Welser I9 412; Apathy aaO 69 ff) - Verwendung im Sinne des § 1041 ABGB.

Nach Lehre und Rechtsprechung entfällt der Verwendungsanspruch zwar dann, wenn die Vermögensverschiebung durch ein Vertragsverhältnis, sei es zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten, sei es zwischen dem Verkürzten und einem Dritten, oder durch das Gesetz gedeckt ist (Rummel aaO Rz 4, 9, 10; Koziol-Welser I9 412; JBl 1992, 387 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Für die durch die Wechseleinlösung zugunsten der Beklagten bewirkte Vermögensverschiebung gab es aber weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Rechtfertigung - und zwar im Verhältnis zwischen keinem der drei Beteiligten. Daß sowohl der Klägerin als auch der Beklagten kaufvertragliche Ansprüche gegen die Wechselakzeptantin zustanden, ist wegen der Abstraktheit der von der Beklagten zu Unrecht eingezogenen Wechselforderung unerheblich. Auf die Geltendmachung wechselmäßiger Ansprüche kann die Klägerin schon deshalb nicht verwiesen werden, weil sie den Wechsel nie innehatte.

Schließlich ist die hier gegebene Konstellation auch nicht jenen dreipersönlichen Verhältnissen vergleichbar, nach denen der Verkürzte aufgrund eines Vertrages an eine Mittelsperson (zB einen indirekten Stellvertreter) leistet und diese Mittelsperson die Sache dem Bereicherten überläßt. Während dort zwischen dem Verkürzten und der Mittelsperson ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung besteht, ist hier die Verkürzung durch einen Eingriff eines wechselmäßig nicht Legitimierten in die Rechtszuständigkeit des als Remittent Eingesetzten erfolgt (vgl auch Reischauer aaO 258). Eine Versionsklage, bei der die bloß ergänzende Funktion des Verwendungsanspruches zum Tragen käme (Rummel aaO Rz 9, 10; Koziol-Welser I9 413 f; Apathy aaO 81 f), liegt nicht vor.

Die Klagsforderung ist somit aus dem Grunde des § 1041 ABGB berechtigt. Ob sie auch - wie dies in der Revision versucht wird - auf Schadenersatz gestützt werden könnte (vgl zur Konkurrenz Rummel aaO Rz 17; Koziol-Welser I9 413; RdW 1988, 288 = ÖBA 1989, 85) kann auf sich beruhen.

Der Revision war daher im Hauptpunkt Folge zu geben. Lediglich ein Teil des Zinsenbegehrens war abzuweisen, weil es für einen über die Höhe der gesetzlichen Zinsen hinausgehenden Zuspruch (mangels Beweisführung) keine Tatsachengrundlage gibt.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 43 Abs 2 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch auf § 50 ZPO.

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