OGH 5Ob525/77

OGH5Ob525/7715.2.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Hermann S*****, vertreten durch Dr. Franz Mathes, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Vinzenz S*****, vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ungültigkeit eines Testaments (Streitwert 77.519,70 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 1976, GZ 3 R 164/76‑36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Mai 1976, GZ 26 Cg 107/76‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00525.770.0215.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.824,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 194,40 S Umsatzsteuer und 1.200 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe:

Friedrich S*****, der Bruder des Klägers, starb am ***** unter Hinterlassung eines am 18. 6. 1973 errichteten Testaments, mit dem er den Beklagten zum Erben eingesetzt hatte. Im Verlassenschaftsverfahren ***** des Bezirksgerichts Eibiswald gaben der Beklagte aufgrund des Testaments und der Kläger aufgrund des Gesetzes unbedingte Erbserklärungen ab. Nach Verweisung auf den Rechtsweg begehrt der Kläger die Feststellung, das Testament des Friedrich S***** vom 18. 6. 1973 sei ungültig, dem Kläger stehe aufgrund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlass des Friedrich S***** zu. Friedrich S***** sei starker Gewohnheitstrinker gewesen und sei wegen Geistesstörung bzw Geistesschwäche bei der Errichtung des Testaments nicht mehr in der Lage gewesen, die Bedeutung dieser Willenserklärung einzusehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im Wesentlichen fest: Friedrich S***** habe zwar gern dem Wein zugesprochen und sei auch etwa zwei‑ bis dreimal wöchentlich alkoholisiert gewesen, doch habe sich dies nicht auf seine geistigen Fähigkeiten ausgewirkt; wenn er nicht betrunken gewesen sei, sei er geistig rege gewesen, man habe mit ihm ganz normal und vernünftig reden können. Er sei, von fallweisen Erkältungserscheinungen und Halsschmerzen abgesehen, nur wegen hohen Blutdrucks, Cerebralsklerose und einer chronischen Gelenksentzündung in ärztlicher Behandlung gestanden; der Arzt Dr. Anton O***** habe aber niemals das Krankheitsbild eines chronischen Alkoholismus festgestellt. Bei Verfassung des Testaments am Morgen des 18. 6. 1973 sei Friedrich S***** vollkommen nüchtern gewesen und habe dann seiner Tante Anna B***** nicht nur mitgeteilt, gerade vorhin sein Testament geschrieben zu haben, sondern habe es ihr auch vorgelesen. Er habe nur irrig seinen Neffen Friedrich S***** als Enkel bezeichnet. Friedrich S*****, der Junggeselle gewesen sei, habe den Beklagten, seinen Nachbarn, zum Erben eingesetzt, weil er von ihm Betreuung im Krankheitsfalle erreichen habe wollen; die Absicht, den Beklagten zum Erben einzusetzen, habe Friedrich S***** schon längst vorher mehrfach kundgetan gehabt; er habe den Standpunkt vertreten, seinem Bruder schon lange genug geholfen zu haben; dieser könne, weil er in Wien wohne, auch weder ihn noch später sein Grab betreuen. In der Nacht vom 23. auf den 24. 6. 1974 habe sich Friedrich S***** nach dem Genuss von drei Litern Wein am Kopf verletzt. Er sei dann am 28. 6. 1974 wegen deliranten und aggressiven Verhaltens vom Landeskrankenhaus Wagna mit der Diagnose „Delirium tremens“ in die Nervenklinik des Landeskrankenhauses Graz transportiert worden; dieser Zustand sei aber wahrscheinlich die Folge der Hirnschädigung beim Unfall gewesen. Am ***** sei Friedrich S***** an einer Blutvergiftung aufgrund von Druckgeschwüren verstorben. Die Eintragung im Sterbebuch (Todesursache Delirium tremens) sei nicht richtig. Im Zeitpunkt der Testamentseröffnung habe jedenfalls keine tiefgreifende Wesensveränderung Friedrich S*****s vom Krankheitswert einer Geisteskrankheit bestanden. Auch Inhalt und Ductus des Testaments sprächen für die geistige Klarheit des Testators; insbesondere könne keine schwere Cerebralsklerose bestanden haben. Dass er von seinem Arzt und dem Landeskrankenhaus Wagna im Juni 1974 als „potator magnus“ bezeichnet worden sei, sei nur im Hinweis auf den häufigen Alkoholgenuss und die Ursache der Verletzung gewesen.

Das Berufungsgericht erblickte darin, dass das Erstgericht weder die Ärzte Dr. Z*****, Dr. Z***** und Dr. *****, die Friedrich S***** anlässlich des Anhaltungsverfahrens ***** des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz untersucht bzw in den Jahren 1969/70 behandelt haben, sowie die Zeugen Dr. Margarethe M***** vernommen noch ein graphologisches Sachverständigengutachten eingeholt hatte, keinen Mangel des Verfahrens vor dem Prozessgericht, übernahm dessen Feststellungen, bestätigte seine Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschied, 50.000 S übersteige. Zu ***** des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz sei zwar die Anhaltung des Friedrich S***** für die Dauer von sechs Monaten für zulässig erklärt worden, da nach Auffassung der Ärzte eine fortgeschrittene Altersdemenz bestanden habe, doch könne daraus nicht mit Sicherheit geschlossen werden, dass Friedrich S***** bereits ein Jahr vorher nicht mehr testierfähig gewesen wäre, zumal das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte für eine erhebliche geistige Beeinträchtigung zum damaligen Zeitpunkt ergeben habe und aufgrund des Unfalls im Jahre 1974 nach dem Gutachten des vom Erstgericht gehörten Sachverständigen Dr. Otto E***** eine erhebliche Verschlechterung seines Geisteszustands eingetreten sein könne.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, die die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage geltend macht, sowohl das Urteil des Berufungsgerichts als auch das des Erstgerichts aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragte, der Revision keine Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wiederholt der Kläger lediglich die Mängelrüge, die das Berufungsgericht schon verworfen hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, in denen das Prinzip amtswegiger Untersuchung gilt, abgesehen, ein in erster Instanz angeblich unterlaufener Verfahrensmangel, der vom Berufungsgericht nicht als gegeben angesehen wurde, nicht den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO bilden (ZVR 1975/149; SZ 41/8 uva). Im Übrigen gehört sowohl die Frage, ob das eingeholte Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, als auch die Beurteilung, dass weitere Beweise an den getroffenen Feststellungen nichts ändern könnten, in das Gebiet der vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbaren Beweiswürdigung. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt demnach nicht vor. Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist darauf zu verweisen, dass der Kläger es unterlassen hatte, sich in rechtlicher Hinsicht beim Berufungsgericht zu beschweren. Es war ihm dann aber verwehrt, erstmalig im Revisionsverfahren die Rechtsrüge zu erheben (EvBl 1967/64; EvBl 1954/345 ua).

Der unberechtigten Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte