European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00515.77.0621.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.814,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 116,64 S Umsatzsteuer und 240,‑‑ S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des V*. Der Konkurs ist am 17. 9. 1974 eröffnet worden.
Durch ein Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25. 6. 1974 waren dem nunmehrigen Gemeinschuldner als Kläger auf Grund einer Klage auf Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall gegen den Lenker und Halter eines am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges und gegen die E*-Aktiengesellschaft als Haftpflichtversicherer ein Betrag von S 186.595,60 samt Anhang, eine ab 1. 4. 1974 bis zu seinem 65. Lebensjahr zu zahlende Monatsrente von S 3.434,20 sowie ein Prozeßkosten-betrag von S 21.307,84 zuerkannt worden. In dem vorangegangenen Verfahren hatten den nunmehrigen Gemeinschuldner nacheinander die Rechtsanwälte Dr. Hermann Gaigg, Dr. Hans Schallaböck, der Beklagte und schließlich wieder Dr. Hans Schallaböck vertreten; der Beklagte hatte im Zuge der mündlichen Streitverhandlung vor dem Prozeßgericht erster Instanz die Bezahlung des dem Kläger zuzusprechenden Betrages gemäß § 19 a RAO zu seinen Handen begehrt. Gegen das erwähnte Urteil des Prozeßgerichtes erster Instanz haben beide Seiten der Streitteile Berufung erhoben. Zur Beilegung des Streites kam es am 11. 9. 1974 im Zuge einer Verhandlung in der Kanzlei des damaligen Vertreters des nunmehrigen Gemeinschuldners Dr. Hans Schallaböck zu einem Vergleich der Streitteile, demzufolge alle Ansprüche des Geschädigten gegen Unterfertigung einer Abfindungserklärung mit einem Pauschalbetrag von S 400.000,‑‑ abgegolten wurden; dieser Betrag wurde, dem Wunsch des Geschädigten gemäß, in einen Entschädigungsbetrag von S 300.000,‑‑ für die Hauptansprüche und von S 100.000,‑‑ zum Ersatz der Prozeßkosten aufgegliedert. Die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes Dr. Hermann Gaigg waren damals bereits befriedigt, nicht aber jene des Beklagten und des Rechtsanwalt es Dr. Hans Schallaböck. Auf Grund des Vergleiches wurden die Berufungen gegen das bereits erwähnte Urteil des Prozeßgerichtes erster Instanz zurückgezogen, sodaß dieses formell rechtskräftig wurde; vereinbarungsgemäß sollte jedoch von diesem Urteil kein Gebrauch gemacht werden.
Am 1. 10. 1974, also nach Konkurseröffnung über das Vermögen des Gemeinschuldners V*, hat der genannte Haftpflichtversicherer beim Bezirksgericht Innere Stadt-Wien in Ansehung des gesamten Vergleichsbetrages von S 400.000,‑‑ gemäß § 1425 ABGB einen Erlagsantrag gestellt und als Erlagsgegner ua den Beklagten, Rechtsanwalt Dr. Hans Schallaböck, den Gemeinschuldner und den klagenden Masseverwalter genannt. Der Beklagte gab Rechtsanwalt Dr. Hans Schallaböck seine Honorarforderung gegen den Geschädigten bekannt: es waren ihm mit Versäumungsurteil des Erstgerichtes vom 27. 8. 1974 eine Honorarforderung von S 71.647,48 und S 2.342,40 an Verfahrenskosten zugesprochen worden. Dr. Hans Schallaböck war durch eine Forderungsabtretung des nunmehrigen Gemeinschuldners mit seiner Honorarforderung gegen ihn faktisch gedeckt. Er war deshalb nicht an einer weiteren Verfolgung der Honorarforderung des Beklagten interessiert und erklärte ihm, die weitere Geltendmachung des Kostenpfandrechtes im begehrten Umfang zu übertragen. Aus „kollegialen Gründen“ überwies er jedoch dem Beklagten „auf Abschlag seiner Honorarforderung“ S 17.239,66. Der nun klagende Masseverwalter forderte den Beklagten am 24. 2. 1975 mit der Erklärung, das von ihm beanspruchte gesetzliche Pfandrecht für seine Honorarforderung nicht anzuerkennen, auf, zugunsten der Konkursmasse in Ansehung eines Betrages von S 196.491,90 aus dem Gerichtserlag eine Freilassungserklärung abzugeben. Der Beklagte verweigerte diese Erklärung hinsichtlich des Betrages von S 56.864,22 als restliche Honorarforderung.
Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, daß er erkläre, mit der Ausfolgung des Betrages von S 56.864,22 an die Konkursmasse zu seinen Handen aus dem zur AZ 2 Nc 83/74 beim Bezirksgericht Innere Stadt-Wien erliegenden Betrag von S 400.000,‑‑ einverstanden zu sein. Zur Begründung seines Begehrens führte der Kläger im wesentlichen an, daß das gesetzliche Pfandrecht nach § 19 a RAO nicht für Kostenersatzansprüche aus einem außergerichtlichen Vergleich bestehe, und im übrigen nur von dem Rechtsanwalt ausgeübt werden könne, der die Partei zuletzt vertreten habe; dies sei aber nicht der Beklagte, sondern Dr. Hans Schallaböck gewesen.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und eingewendet, daß das gesetzliche Pfandrecht nach § 19 a RAO sich auch auf vergleichsweise zugesagte Kostenersatzansprüche erstrecke; seine mit rechtskräftigem Urteil zuerkannte Honorarforderung von S 56.864,22 sei in dem verglichenen Kostenersatzanspruch von S 100.000,‑‑ gedeckt.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, seine Einwilligung zur Ausfolgung eines Betrages von S 35.556,38 zu erklären, und wies das Mehrbegehren auf Erklärung der Zustimmung zur Ausfolgung eines weiteren Betrages von S 21.307,84 ab. Es sprach die Rechtsansicht aus, daß § 19 a RAO kein Pfandrecht für einen durch außergerichtlichen Vergleich begründeten Kostenersatzanspruch abgebe, daß dem Beklagten jedoch das gesetzliche Pfandrecht nach dieser Gesetzesstelle in Ansehung des dem nunmehrigen Gemeinschuldner zuerkannten Kostenersatzanspruches von S 21.307,84 aus dem formell rechtskräftig gewordenen Urteil im Schadenersatzprozeß zustehe; dieses Kostenpfandrecht sei durch den außergerichtlichen Vergleich vom 11. 9. 1974 nicht berührt worden. Der Beklagte habe daher diesbezüglich ein Absonderungsrecht, weshalb er nicht verpflichtet sei, seine Zustimmung zur Ausfolgung eines Betrages in dieser Höhe aus dem Gerichtserlag zu geben.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, änderte jedoch in Stattgebung der Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil in seinem Ausspruch über die Abweisung des Klagemehrbegehrens und im Kostenpunkte dahin ab, daß es auch diesem Teil des Begehrens Folge gab und den Beklagten zum Ersatz der gesamten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verurteilte. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 1.000,‑‑ übersteigt.
Zur Begründung des der Berufung des Klägers stattgebenden Ausspruches führte das Gericht zweiter Instanz im wesentlichen an, daß die vergleichsweise Regelung der streitverfangenen Ansprüche auch den verfahrensrechtlichen Nebenanspruch auf Verfahrenskostenersatz erfaßt habe und zufolge des über den Streitgegenstand geschlossenen außergerichtlichen Vergleiches der durch den Eintritt der Rechtskraft des Urteiles bedingte Anspruch des Geschädigten (nunmehrigen Gemeinschuldner) auf teilweisen Ersatz der Verfahrenskosten erloschen sei; damit sei die Forderung als Pfandgegenstand untergegangen und könne nicht mehr als Grundlage für ein Pfandrecht dienen.
Gegen den Ausspruch des Berufungsgerichtes im Umfange der Abänderung des Urteiles des Erstgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Der Kläger begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Untergerichte haben richtig erkannt, daß das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwaltes im Sinne des § 19 a RAO zugunsten seines Entlohnungs- und Barauslagenersatzanspruches aus der Prozeßvertretung nur an der im Verfahren vor Gericht, einer anderen öffentlichen Behörde oder einem Schiedsgericht seinem Mandanten durch Entscheidung zugesprochenen oder vergleichsweise zugesagten Kostenersatzforderung bestehen kann, nicht aber an Kostenersatzforderungen, die durch einen Vertrag (Vergleich, Anerkenntnis etwa) begründet wurden, der in seinen Wirkungen ausschließlich nach materiell-privatrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist, insbesondere also nicht durch einen außergerichtlichen Vergleich der Parteien. Das gesetzliche Pfandrecht entsteht erst mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die Prozeßkosten zugesprochen wurden (EvBl 1972/302; EvBl 1964/14; Fasching II 309). Da Gläubigerin des Kostenersatzanspruches die Partei ist, kann diese aber immer noch wirksam auf die Kosten verzichten, womit auch das Pfandrecht des Anwaltes an der zugrundeliegenden Forderung erlischt; eine Berufung auf das Pfandrecht ist dann nicht mehr möglich (EvBl 1972/302; SZ 23/114; Fasching II 309). Im vorliegenden Fall war das Pfandrecht des Beklagten noch gar nicht entstanden, weil der von ihm vertretenen Partei zwar Kosten zugesprochen worden waren, die Entscheidung darüber aber noch nicht rechtskräftig war. Wenn die Partei selbst das schon entstandene Pfandrecht auf die Kostenforderung durch Verzicht zum Erlöschen bringen kann, ist sie um so eher in der Lage, das Pfandrecht durch eine anderweitige Vereinbarung gar nicht erst zum Entstehen kommen zu lassen. Mit Recht erblickt das Berufungsgericht in der außergerichtlichen Bereinigung der noch nicht rechtskräftig erledigten Rechtssache durch einen auch die Kostenersatzfrage regelnden Vergleich eine Vereinbarung, die alle Ansprüche einschließlich der Prozeßkosten erfaßte und daher eine anderweitige Kostenforderung gar nicht entstehen lassen konnte. Es ist zwar richtig, daß das seinerzeitige erstgerichtliche Urteil auf Grund der vereinbarten Zurückziehung der beiderseitigen Berufungen formell rechtskräftig wurde; durch die ausdrückliche vorherige Vereinbarung, daß vom Urteil kein Gebrauch gemacht werde, wurde aber zwischen den Parteien unmißverständlich klargestellt, daß das Urteil zwischen den Parteien tatsächlich keine Rechtswirkungen entfalten und daher so angesehen werden sollte, als bestünde es gar nicht. Daß hiedurch schon wegen der Neuregelung der Kostenersatzfrage auch die Kostenentscheidung im Urteil des seinerzeitigen Erstgerichtes betroffen sein sollte, kann keinem Zweifel unterliegen. Die getroffene außergerichtliche Vereinbarung war nämlich erkennbar eine Gesamtbereinigung der Angelegenheit, so daß kein Grund zur Annahme bestehen kann, daß allein der formell erst mit der Rechtskraft existent werdende Kostenersatzanspruch aus dem erstgerichtlichen Urteil auch tatsächlich entstehen sollte. Es war offenbar seinerzeit auch von einer Konkurseröffnungsgefahr keine Rede, so daß kein Grund bestand, angesichts der nicht ungünstigen Prozeßkostenvereinbarung daran zu denken, gerade die Entscheidung über den Kostenzuspruch aus dem sonst bedeutungslosen erstgerichtlichen Urteil aufrechterhalten zu lassen. Kam aber ein gesetzliches Pfandrecht nach § 19 a RAO wegen anderweitiger außergerichtlicher Vereinbarung durch die Prozeßparteien gar nicht zum Entstehen, kann der Beklagte daraus auch keine Rechte ableiten.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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