Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs ON 57 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Die mj. Evelyne M***** stammt aus der mit Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 18. Mai 1990 (7 C 5/90) aus gleichteiligem Verschulden geschiedenen Ehe des Alfred und der Susanna M*****. Das Kind wohnt seit Juni 1990 im Haushalt ihrer Mutter in Steyr; der Streit der Eltern über die Obsorge, die nach dem Beschluß des Bezirksgerichtes Steyr vom 25. Februar 1992 (ON 58) allein der Mutter zukommen soll, ist jedoch noch nicht rechtskräftig entschieden.
Am 13. Juli 1990 beantragte der Vater, der nach wie vor in Brunn am Gebirge wohnt, die Regelung des Besuchsrechtes, das mit Besuchen des Kindes in Steyr an einem Samstag oder Sonntag (offensichtlich im Zwei-Wochen-Rhythmus) beginnen und dann dazu ausgebaut werden sollte, daß er das Kind jedes zweite Wochenende von Samstag bis Sonntag zu sich nach Brunn am Gebirge nehmen darf (ON 14). In der Folge entwickelte sich zwischen den Eltern der Minderjährigen ein zähes Ringen um Art und Dauer der Besuchsrechtsausübung. Während die Mutter dem Vater die Ausübung des Besuchsrechtes nur zwei bis viermal jährlich (und zwar in Steyr) gestatten wollte (ON 19 und 22), präzisierte der Vater sein Begehren dahin, daß er die Minderjährige jedes zweite Wochenende von Samstag (nach dem Ende des Schulunterrichtes) bis Sonntag 18 Uhr zu sich nehmen wolle. Darüber hinaus verlangte er eine Sonderregelung für die Sommer-, Semester- und Weihnachtsferien und stellte schließlich sogar den Antrag, ihm die alleinige Obsorge für die Minderjährige zuzuerkennen (ON 24). Die Mutter, die es strikt ablehnt, das Kind beim Vater übernachten zu lassen (und die väterliche Obsorge für gänzlich ausgeschlossen hält), hat daraufhin angeboten, der Vater könne das Kind einmal monatlich an einem Sonntag von 9 Uhr bis 18 Uhr in Steyr sehen (ON 29). Der Vater akzeptierte dieses Angebot, um den Kontakt mit dem Kind nicht völlig abreißen zu lassen, erklärte jedoch, als längerfristiges Ziel weiterhin ein Wochenendbesuchsrecht anzustreben (ON 31), und machte von sich aus den Vorschlag, sein Besuchsrecht zunächst einmal (d.h. für die Dauer des Verfahrens betreffend die Obsorge- und Besuchsrechtsregelung) jeden zweiten Sonntag im Monat von 10 Uhr bis 18 Uhr in Steyr auszuüben. Gleichzeitig beantragte er die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um nachzuweisen, daß das Wohl der Minderjährigen durch den Kontakt zum Vater keineswegs gefährdet sei (ON 32).
Mit Beschluß vom 19.März 1991 (ON 33) traf das Erstgericht - dem Vorschlag der Mutter folgend - zunächst einmal eine vorläufige Besuchsrechtsregelung. Es bestimmte, daß der Vater berechtigt sei, das Kind an jedem vierten Sonntag im Monat um 9 Uhr aus der Wohnung der Mutter in Steyr abzuholen, und verpflichtet, das Kind um 18 Uhr dorthin zurückzubringen. Die Durchsetzung dieses Besuchsrechtes stieß jedoch auf Schwierigkeiten. Als der Vater Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter beantragte (ON 34), erklärte diese, bei den Kontakten zwischen Vater und Kind dabei sein zu wollen, weil sich das Kind ängstige (ON 35). Um dies zu widerlegen, wiederholte der Vater seinen Antrag auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens. Das Jugendamt Steyr sprach sich gegen jeglichen Zwang aus und schlug vor, das monatliche Besuchsrecht des Vaters im Beisein der Mutter oder Verwandter regelmäßig auszuüben, um wieder eine stärkere Beziehung zwischen Vater und Kind entstehen zu lassen (ON 36).
Die Schwierigkeiten bei der Ausübung des vorläufigen Besuchsrechtes hörten nicht auf, was den Vater veranlaßte, immer wieder um den Beistand des Pflegschaftsgerichtes zu ersuchen (ON 39, ON 45, ON 48, ON 49 und ON 56). Mittlerweile hatte der vom Pflegschaftsgericht beigezogene psychologische Sachverständige angeregt, daß das Besuchsrecht einen Tag im Monat umfassen und in Steyr ausgeübt werden sollte. Außerdem schlug er vor, die erste Kontaktaufnahme auf die Dauer eines halben Tages zu beschränken und so lange eine dritte Person zuzuziehen, als dies das Kind wünsche. Die Anwesenheit der Mutter sei problematisch, da dabei der Scheidungskonflikt wieder aufbrechen würde (ON 41). In der Vernehmungstagsatzung am 7. Jänner 1992 versuchte daraufhin der Pflegschaftsrichter, eine Einigung der Eltern herbeizuführen, konnte aber zunächst nur erreichen, daß der Vater erklärte, der Anregung des Sachverständigen folgen zu wollen, keinesfalls jedoch mit einer Aussetzung des Besuchsrechtes einverstanden zu sein. Die Mutter wiederum erklärte, mit einer Cousine des Vaters als Mittelsperson einverstanden zu sein, wies jedoch darauf hin, daß die Minderjährige jeden Kontakt mit dem Vater entschieden ablehne. Die ebenfalls anwesende Minderjährige bestätigte dies. Bei diesen Divergenzen schien es vorerst zu bleiben, doch findet sich am Ende des Vernehmungsprotokolls folgende (von den Eltern unterschriebene) Eintragung:
"Es wird nun neuerlich eine Einigung zwischen den Eltern zu erzielen versucht, wobei schließlich die Kindesmutter erklärt, sie wäre mit einem etwa einstündigen Besuchsrecht in der Weise einverstanden, daß sowohl Frau M***** (d.i. die Cousine des Vaters) als auch sie selbst am Kontakt zwischen Kindesvater und Minderjähriger teilnimmt, einmal monatlich, und zwar jeweils sonntags, nämlich jeden zweiten Sonntag im Monat von 14 bis 15 Uhr.
Auch der Kindesvater akzeptiert eine solche Regelung, behält sich aber nach Anregung des Richters, dies als einen Neubeginn, der von der Vergangenheit nicht weiter überschattet sein soll, aufzufassen, die Geltendmachung der Obsorgeübertragung bzw. exekutiver Schritte wie beantragt dennoch vorläufig noch vor. Er wird bis längstens 17.Jänner 1992 schriftlich Bescheid geben, wenn diese Anträge aufrecht bleiben."
Als nächster aktenkundiger Vorgang scheint der bereits erwähnte Antrag des Vaters auf, Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der vorläufigen Besuchsrechtsregelung vom 19. März 1991 zu ergreifen (ON 48). Dieser Schriftsatz wurde am 20.Jänner 1992 vom Rechtsanwalt des Vaters verfaßt und enthält unter anderem folgendes:
"Der Vorschlag der Kindesmutter in der Tagsatzung vom 7. Jänner 1992, der Kindesvater könne sein Besuchsrecht an jedem zweiten Sonntag im Ausmaß von einer Stunde und in ihrem Beisein ausüben, soferne er seinen Antrag auf Übertragung der Obsorge und seinen Exekutionsantrag vom 17. Juli 1991 zurückzieht, ist inakzeptabel. Alle bisherigen Anträge werden aufrechterhalten."
Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 1992 (ON 49) wiederholte der Vater seinen Antrag, über die Mutter angemessene Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des vorläufigen Besuchsrechtes zu verhängen, nachdem es ihm auch beim Besuchstermin am 26. Jänner 1992 nicht gelungen war, sein Kind zu sehen.
Mit Beschluß vom 31. Jänner 1992 (ON 52) traf schließlich das Pflegschaftsgericht die nunmehr umstrittene Besuchsrechtsregelung. Es sprach aus, daß der Vater berechtigt sei, die Minderjährige an jedem zweiten Sonntag im Monat um 14 Uhr gemeinsam mit Frau Renate M***** aus der Wohnung der Mutter abzuholen, und verpflichtet, das Kind um 15 Uhr dorthin zurückzubringen. Die Mutter sei berechtigt, an der Kontaktnahme des Vaters mit seiner Tochter teilzunehmen. Begründet wurde dies mit dem letztlich erfolgten Einvernehmen der Eltern, das dem voraussichtlichen Wohl des Kindes entspreche, weil es das Gutachten des Sachverständigen und die Aussage der Minderjährigen berücksichtige.
Den dagegen erhobenen Rekurs des Vaters, der seine Tochter in den ersten zwei Monaten jeden zweiten Sonntag von 10 Uhr bis 18 Uhr im Beisein der Renate M***** in Steyr sehen will und danach jedes zweite Wochenende von Samstag 9 Uhr (bzw. nach der Schule) bis Sonntag 18 Uhr (dazu käme noch eine hier nicht weiter zu erörternde Sonderregelung für die Ferien im Sommer, zu Weihnachten, im Februar und zu Ostern), wies das Rekursgericht mangels Beschwer des Rechtsmittelwerbers zurück. Die Vereinbarung der Eltern vom 7. Jänner 1992 könne nämlich nur dahin verstanden werden, daß die Vereinbarung über die Regelung des Besuchsrechtes ohne jede Bedingung und ohne jeden Vorbehalt getroffen wurde. Der Vorbehalt des Vaters habe sich lediglich auf die Geltendmachung der Übertragung der Obsorge bzw. exekutiver Schritte, nicht jedoch auf die Regelung des Besuchsrechtes bezogen. Demgemäß entspreche die erstgerichtliche Entscheidung dem Begehren des Vaters. Es sei aktenwidrig, wenn der Vater nunmehr geltend mache, daß die Mutter ihren Vorschlag der Besuchsrechtsregelung von der Zurückziehung seiner Anträge, insbesondere des Antrages auf Übertragung der Obsorge, abhängig gemacht habe.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen nach § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Gegen diesen Beschluß hat der Vater fristgerecht außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, sowohl die Entscheidung des Rekursgerichtes als auch jene des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Dieses Rechtsmittel ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung des zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschlusses auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend weist der Rechtsmittelwerber darauf hin, daß selbst im Zivilprozeß der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des Verhandlungsprotokolls als zulässig erachtet wird (E 1 zu § 215 ZPO, MGA14; zuletzt 7 Ob 24/91). Umsoweniger darf im außerstreitigen Verfahren, in dem das Gericht alle für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände und Verhältnisse von Amts wegen zu untersuchen hat (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG), die Behauptung einer Partei übergangen werden, ein Protokoll gebe ihre Erklärungen nicht richtig wieder. Von besonderer Bedeutung ist dieser Untersuchungsgrundsatz in einem Verfahren, in dem es um die Wahrung der Interessen Pflegebefohlener geht. Da sich jede Besuchsrechtsregelung am Wohl des davon betroffenen Kindes zu orientieren hat (E 4 zu § 148 ABGB, MGA33; zuletzt 4 Ob 510/91), sind auch hier besondere Anforderungen an eine sorgfältige Sammlung der Entscheidungsgrundlagen zu stellen. Es wäre mit der gebotenen Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, eine Besuchsrechtsregelung, die in ihren Auswirkungen schon dem gänzlichen Entzug des Besuchsrechtes nahekommt und auch in ihrer sonstigen Ausgestaltung von bewährten Richtlinien abweicht (so zB durch die sogar vom Sachverständigen mißbilligte Teilnahme der Mutter; siehe dazu E 30 zu § 148 ABGB, MGA33 u.a.), im wesentlichen auf ein zweifelhaftes Einverständnis der Eltern zu gründen.
Im konkreten Fall sind diese Zweifel nicht allein dadurch entstanden, daß der Rechtsmittelwerber in seinem Rekurs gegen die erstgerichtliche Besuchsrechtsregelung vorbrachte, die Mutter habe ihr Angebot von der (nicht erfüllten) Bedingung einer Zurückziehung der Anträge des Vaters auf Übertragung der Obsorge und auf Durchsetzung der vorläufigen Besuchsrechtsregelung abhängig gemacht (AS 163). An anderer Stelle des Rekurses ON 57 heißt es nämlich, daß der Rechtsmittelwebrer den Vorschlag der Mutter nie akzeptiert und sich vorbehalten habe, mit seinem (zur Vernehmungstagsatzung nicht geladenen) Rechtsanwalt Rücksprache halten zu wollen. Wenn dann noch ein Mißverständnis bei der Protokollierung behauptet wird, ist das Rekursvorbringen nicht einfach mit dem Argument abzutun, es sei aktenwidrig. Schon der auffällige Widerspruch zwischen dem Inhalt des Vernehmungsprotokolls vom 7. Jänner 1992 (ON 46) und dem Antrag des Rechtsmittelwerbers vom 20. Jänner 1992 (ON 48; siehe oben) hätte das Rekursgericht veranlassen müssen, der Sache auf den Grund zu gehen und sich nicht einfach auf den Standpunkt zurückzuziehen, das Vernehmungsprotokoll mache vollen Beweis.
Diese Überlegungen hätten zur Aufhebung des zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschlusses zu führen, um den behaupteten Protokollierungsfehler zu überprüfen. Tatsächlich zeigt jedoch schon eine nicht allein auf den Wortlaut fixierte Auslegung des angeblichen Einverständnisses der Eltern, daß darauf eine endgültige Besuchsrechtsregelung, wie sie im erstinstanzlichen Beschluß vom 31. Jänner 1992 (ON 52) getroffen wird, nicht gestützt werden konnte. Die Äußerungen des Rechtsmittelwerbers waren nämlich immer so zu verstehen, daß er ein weitreichendes Besuchsrecht (das sich jeweils über ein Wochenende erstreckt und auch die Schulferien einbezieht) anstrebt und daß er zeitliche Einschränkungen nur als vorläufige Zugeständnisse für die Dauer des gegenständlichen Verfahrens bzw. für die unbedingt notwendige Gewöhnungsphase gelten lassen will. Damit stimmt überein, daß im Zeitpunkt der nunmehr strittigen Besuchsrechtsregelung noch nicht einmal über die Obsorhe für das Kind entschieden war und bis zu einem solchen Zeitpunkt nur vorläufige Maßnahmen zur Gestaltung des Besuchsrechtes gesetzt werden können (vgl. 5 Ob 592/78; 5 Ob 752/81; 8 Ob 543/82; EFSlg. 53.948). Ebenfalls in dieses Bild eines (möglichen) Einverständnisses zu vorläufigen Maßnahmen fügt sich, daß es im Vernehmungsprotokoll vom 7. Jänner 1992 heißt, die beabsichtigte Regelung sei als Neubeginn aufzufassen, der von der Vergangenheit (einer praktisch gänzlichen Unterbindung des Kontaktes zwischen Vater und Kind) nicht weiter überschattet sein soll. Gleichzeitig hat der Rechtsmittelwerber Vorbehalte hinsichtlich der Weiterverfolgung seines Anspruchs auf Übertragung der Obsorge gemacht. Selbst bei richtiger Protokollierung des Vorbringens der Eltern in der Vernehmungstagsatzung am 7. Jänner 1992 hätte daher nur auf ein Einverständnis der Eltern über eine vorläufige Besuchsrechtsregelung bis zur Vervollständigung der Entscheidungsgrundlagen bzw. bis zur Lösung des Obsorgeproblems geschlossen werden dürfen. Das Erstgericht hat jedoch eine endgültige Besuchsrechtsregelung getroffen und ist damit über das protokollierte Einverständnis der Eltern hinausgegangen.
Folgerichtig hätte das Gericht zweiter Instanz den Rekurs des Vaters nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, ihm fehle die Beschwer. Selbst wenn man eine richtige Protokollierung seines Vorbringens unterstellt, entspricht nämlich die Besuchsrechtsregelung nicht seinem Begehren. Das Rekursgericht wird sich mit seinem Rechtsmittel sachlich befassen müssen.
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