Spruch:
Traditio brevi manu ist auch bei gemeinsamer Gewahrsame des Übergebers und des Übernehmers möglich.
Entscheidung vom 23. Dezember 1958, 5 Ob 465/58.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Parteien haben von September 1951 bis Ende 1954 eine Lebensgemeinschaft unterhalten. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe von Möbeln und anderen Fahrnissen, die er ihr während der Lebensgemeinschaft zur Verfügung gestellt habe. Sie seien in der Folge bei Josef E. in A. eingelagert gewesen; von dort habe sie die Beklagte weggebracht und an sich genommen.
Die Beklagte hat eingewendet, daß ihr der Kläger die begehrten Fahrnisse noch vor der Einlagerung in A. an Zahlungs Statt überlassen habe, da sie während der Dauer der Lebensgemeinschaft rund 21.500 S für ihn aufgewendet habe.
Das Klagebegehren wurde in erster und in zweiter Instanz abgewiesen. Beide Untergerichte gingen von der Feststellung aus, daß der Kläger die strittigen Gegenstände im September 1952 der Beklagten als Gegenleistung für das von dieser ihm zur Verfügung gestellte Bargeld, für die von ihr zum gemeinsamen Haushalt beigesteuerte monatliche Rente und für die Führung des Haushaltes in das Eigentum übergeben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Revision wird ausgeführt, daß es an der zur Bewirkung des Eigentumsüberganges erforderlichen Besitzübertragung gefehlt habe, weil die Beklagte die strittigen Gegenstände gemeinsam mit dem Kläger in dessen Wohnung benützt und gebraucht und daher keinen Besitz hieran erworben habe.
Diese Ansicht ist irrig.
Die Eigentumsübertragung durch Übergabe geschieht durch die mit einer Einigung über den Eigentumsübergang verbundene Übertragung des Besitzes. Die Übergabe ist dann bewirkt, wenn der Besitz übertragen worden ist. Ist der Erwerber schon Inhaber der zu übergebenden Sachen, so ist zum Besitzerwerb nur mehr die Zustimmung des bisherigen Besitzers erforderlich. § 428 ABGB. verlangt in diesem Fall nur, daß der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß der Übernehmer die Sachen, welche er bisher ohne dingliches Recht innehatte, künftig aus einem dinglichen Recht besitzen solle (traditio brevi manu). "Erweislich" im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle heißt, daß der Übertragungswille außer Zweifel stehen, nicht, daß der Eigentumsübergang für Dritte erkennbar sein muß (SZ. XXII 175). Die Übergabe kurzer Hand ist somit auch dann möglich, wenn sich die zu übergebende Sache in gemeinsamer Gewahrsame des Übergebers und des Übernehmers befindet (JBl. 1927 S. 379; Klang 2. Aufl. II 322).
Die Gegenstände, deren Herausgabe der Kläger verlangt, befanden sich in der von ihm und der Beklagten, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebte, gemeinsam benützten Wohnung, also in der Innehabung des Klägers und der Beklagten. Zur Übereignung dieser Sachen genügte daher die Erklärung des Klägers, daß sie in Hinkunft Eigentum der Beklagten sein sollten. Dadurch hat der Kläger den Besitz an den Sachen aufgelassen und die Beklagte hat ihn erlangt. Daß eine solche Erklärung vom Kläger tatsächlich abgegeben und von der Beklagten angenommen wurde, ist von den Untergerichten ausdrücklich festgestellt worden. Es ist daher die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Untergerichte irrtumsfrei.
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