OGH 5Ob40/65

OGH5Ob40/6529.4.1965

SZ 38/76

Normen

Denkmalschutzgesetz §5 (1)
Mietengesetz §7 (1)
Denkmalschutzgesetz §5 (1)
Mietengesetz §7 (1)

 

Spruch:

Arbeiten, hinsichtlich derer das Bundesdenkmalamt erklärt, daß durch deren Nichtvornahme eine Veränderung oder Zerstörung des denkmalgeschützten Hauses eintreten würde, sind als "unbedingt notwendige Erhaltungsauslagen" im Sinne des § 7 (1) MG. anzusehen

Entscheidung vom 29. April 1965, 5 Ob 40/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Im vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein unter Denkmalschutz stehendes Palais in Wien. Über Antrag des Hauseigentümers erging am 12. September 1963 die Entscheidung des zuständigen Magistratischen Bezirksamtes, womit im Sinne der §§ 7, 28 (2) MG. dem Gründe nach festgestellt wurde, wegen unbedingt notwendiger Erhaltungsarbeiten in diesem Hause mit einem veranschlagten Gesamtkostenaufwand von 582.674.41 S samt einer angemessenen Verzinsung sei innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren eine Erhöhung der Hauptmietzinse zulässig. Diese Entscheidung erwuchs, nachdem der von einem Teil der Mieter dagegen erhobene Antrag auf Entscheidung des Gerichtes zurückgezogen worden war, in Rechtskraft. In ihrer Begründung wurde ausdrücklich festgehalten, daß jene Kostenvoranschläge, die Arbeiten betreffen, welche auf Verlangen des Bundesdenkmalamtes durchgeführt werden sollen, nicht berücksichtigt worden seien. Der Hauseigentümer werde sich wegen Gewährung eines Kostenzuschusses mit dem Bundesdenkmalamt in Verbindung setzen und es werde dann auf Grund eines Nachtragsantrages über die vom Bundesdenkmalamt gewünschte Ausführung der Arbeiten entschieden werden.

Die antragstellende Partei (Hauseigentümer) stellte hierauf bei der Gemeinde den Antrag, das seinerzeit bereits eingeleitete Schlichtungsverfahren fortzusetzen und wies auf eine Mitteilung des Bundesdenkmalamtes vom 11. Februar 1964 hin, worin angeführt wurde, gerade die seinerzeit aus dem Renovierungsprogramm gestrichenen Arbeiten, wie die Restaurierung der Stukkos, der Errichtung eines neuen, dem Charakter des Barockpalais angepaßten Tores sowie diverse Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten, stellten einen integrierenden Bestandteil einer vom Standpunkt der Denkmalpflege aus einwandfreien Gesamtrestaurierung des bedeutenden Palais dar. Das Bundesdenkmalamt erklärte sich außerdem bereit, für die Kosten der Stuck- und Bildhauerarbeiten eine Subvention von 60.000 S zu gewähren.

Mit Entscheidung des Magistratischen Bezirksamtes vom 29. April 1964 wurde der Antrag des antragstellenden Hauseigentümers, "daß Instandhaltungsarbeiten für das Haustor (ein zweiflügeliges Eisentor), für zwei seitliche Eingangstore, für Steinmetzarbeiten, soweit sie über den Betrag von 5735 S hinausgehen, und für Stuck- und Bildhauerarbeiten als unbedingt notwendig zu werten seien, daher für diese Erhaltungsarbeiten eine Erhöhung des Hauptmietzinses auf die Dauer von zehn Jahren gerechtfertigt sei," abgewiesen. Mit dieser Entscheidung gab sich die antragstellende Partei nicht zufrieden und beantragte fristgerecht die Entscheidung des Gerichtes.

Das Erstgericht wies hierauf den Antrag des antragstellenden Hauseigentümers, "nach § 7 (1) MG. grundsätzlich festzustellen, daß am gegenständlichen Hause Tischlerarbeiten über den Betrag von 81.629 S hinaus, Schlosserarbeiten über den Betrag von 36.390 S hinaus, Steinmetzarbeiten über den Betrag von 5735 S hinaus und Stuckarbeiten zuzüglich der notwendigen Geldbeschaffungskosten unter Bedachtnahme auf die Hauptmietzinsabrechnung der letzten fünf Jahre dem Gründe nach eine Erhöhung der Hauptmietzinse für einen Verteilungszeitraum von zehn Jahren rechtfertigen," ab.

Tischlerarbeiten im Betrage von 81.269 S, Schlosserarbeiten im Betrage von 36.390 S und Steinmetzarbeiten im Betrage von 5735 S waren bereits mit dem in Rechtskraft erwachsenen, eingangs angeführten Beschluß der Gemeinde vom 12. September 1963 dem Gründe nach für zulässig erklärt worden.

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu treffenden Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärte, da es gemäß § 32 (2) MG. aussprach, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei.

Nach der Ansicht der zweiten Instanz kann der Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Bestimmung des § 7 (1) MG. nicht gestatte Kosten, die zur Erhaltung des Hauses als Baudenkmal notwendig seien, von den Mietern in Form erhöhter Hauptmietzinse einzuheben, nicht gefolgt werden. Gemäß § 5 (1) des DenkmalschutzG. vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/1923, bedürfe die Zerstörung von Denkmälern sowie jede Veränderung derselben, die den Bestand, die überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung des Denkmals beeinflussen könnte, der Zustimmung des Bundesdenkmalamtes. Nach diesem Gesetz bestehe zwar keine Erhaltungspflicht des Eigentümers eines Denkmales; die Instandsetzung eines unter Denkmalschutz stehenden städtischen Mietwohnhauses, sofern sie auf die bisherige architektonische Gestaltung des Hauses nicht Rücksicht nehme, laufe jedoch der vorangeführten Bestimmung des § 5 (1) DenkmalschutzG. zuwider, da sie zwangsläufig zu einer einschneidenden Veränderung führen müsse, die in der Regel sogar einer Zerstörung des schutzwürdigen Baudenkmals gleichzuhalten sein werde. Es können nur jene Arbeiten der Bewilligung eines Antrages nach dem § 7 MG. zugrunde gelegt werden, deren Durchführung nicht durch gesetzliche Vorschriften - wie hier nach dem DenkmalschutzG. - verboten sei, bzw. nur solche Arbeiten, die die Billigung des Bundesdenkmalamtes finden, dem die Überwachung der Einhaltung der für den Denkmalschutz bestehenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen obliege (vgl. MietSlg. 3021, 8287).

Aus den angeführten Gründen sei das erstinstanzliche Verfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet, was zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung habe führen müssen. Im fortgesetzten Verfahren werde eine Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes darüber einzuholen sein, inwieweit die in der Entscheidung der Gemeinde vom 12. September 1963 angeführten Arbeiten mit den gesetzlichen Vorschriften über den Denkmalschutz im Einklang stehen, bzw. welche der nunmehr im gegenständlichen Verfahren begehrten zusätzlichen Arbeiten erforderlich seien, damit die Durchführung der am Haus unbedingt notwendigen Instandsetzungsarbeiten nicht gegen die gesetzlichen Vorschriften über den Denkmalschutz verstoße.

Der Oberste Gerichtshof gab dem von zwei Mietern als Antragsgegnern gegen den Beschluß der zweiten Instanz erhobenen Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Als "unbedingt notwendige Erhaltungsauslagen" im Sinne des § 7 (1) MG. müssen solche Arbeiten verstanden werden, die erforderlich sind, um den Untergang oder eine wesentliche Verschlechterung des Hauses hintanzuhalten. Eine Verschlechterung des Hauses würde es aber bedeuten, wenn Arbeiten nicht durchgeführt würden, hinsichtlich derer im Sinne des § 5 (1) des Denkmalschutzgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/1923, in der Fassung des BGBl. Nr. 92/1959, das Bundesdenkmalamt erklärt, daß durch deren Nichtvornahme eine Veränderung oder Zerstörung des denkmalgeschützten Hauses eintreten würde. Denn die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes dienen der Erhaltung von Baudenkmälern im öffentlichen Interesse, wobei darüber, ob ein solches öffentliches Interesse besteht, gemäß § 1 (2) bzw. § 3 das Bundesdenkmalamt zu entscheiden hat. Ob im vorliegenden Fall eine solche Entscheidung des Bundesdenkmalamtes bereits ergangen ist, wird im fortgesetzten Verfahren allerdings noch eindeutig klarzustellen sein.

Insofern im Rekurs vorgebracht wird, daß unter einer Zerstörung eines denkmalgeschützten Hauses nur eine mutwillig erfolgte zu verstehen sei, ist dem zu entgegnen, daß dies nach dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes nicht angenommen werden kann.

Den Ausführungen des Rekurses, daß es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde, den Mietern in einem denkmalgeschützten Haus höhere Erhaltungsauslagen aufzuerlegen als den Mietern anderer - nicht denkmalgeschützter - Häuser, ist entgegenzuhalten, daß immer die besonderen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könnte nur dann gesprochen werden, wenn unter den gleichen Voraussetzungen eine ungleiche Behandlung der Mieter erfolgen würde, was aber hier nicht der Fall ist.

Da das Verfahren somit aus den von der II. Instanz angeführten Erwägungen noch ergänzungsbedürftig ist, war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

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