Spruch:
Bei der Überweisung vom ordentlichen Gericht an das Arbeitsgericht nach § 261 Abs. 6 ZPO. hat die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens zu unterbleiben.
Entscheidung vom 15. Februar 1961, 5 Ob 39/61.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hob das bisherige Verfahren als nichtig auf, erklärte zur Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreites das Arbeitsgericht Spittal an der Drau für sachlich zuständig, überwies auf Antrag der klagenden Partei die Rechtssache diesem nicht offenbar unzuständigen Arbeitsgericht gemäß § 261 Abs. 6 ZPO. und legte dem Kläger die Zahlung der Kosten des Unzuständigkeitsstreites auf.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der beklagten Partei, soweit er sich gegen den Ausspruch der Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Spittal an der Drau und die Überweisung der Rechtssache an dieses Gericht richtete, als unzulässig zurück, behob jedoch den Ausspruch des Erstgerichtes, daß das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben werde, und änderte die erstgerichtliche Entscheidung über den Kostenpunkt ab.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird vom Kläger nur insoweit angefochten, als darin der Ausspruch, daß das bisherige Verfahren aufgehoben werde, behoben und dem Kläger die Zahlung von Rekurskosten an die beklagte Partei auferlegt wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Behebung der Nichtigerklärung des Verfahrens durch das Rekursgericht wird vom Kläger aus zwei Gründen angefochten, erstens, weil seiner Meinung nach der Rekurs der beklagten Partei gegen die Nichtigerklärung unzulässig gewesen sei, und zweitens, weil die Nichtigerklärung dem Gesetz entsprochen habe. In beiden Richtungen ist der Rekurs nicht begrundet.
Die Rechtsmittelbeschränkung des § 261 Abs. 6 ZPO. findet allerdings auch dann Anwendung, wenn ein Überweisungsbeschluß - wie diesmal - ohne Einwendung der Unzuständigkeit durch die beklagte Partei in amtswegiger Wahrnehmung der Unzuständigkeit auf Grund des vom Kläger für den Fall des Ausspruches der Unzuständigkeit gestellten Überweisungsantrages erfolgte (ArbSlg. 7009 u. a.). Beim Ausspruch der Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens handelt es sich aber um keinen Ausspruch im Sinne des § 261 Abs. 6 ZPO., welcher der Rechtsmittelbeschränkung dieser Gesetzesstelle unterläge. Das folgt daraus, daß diese Gesetzesstelle vom Überweisungsbeschluß und dem damit zu verbindenden Beschluß über die Unzuständigkeit, nicht aber von anderen damit verbundenen Entscheidungen, also auch nicht von der Entscheidung über die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens spricht. Die letztgenannte Entscheidung unterliegt daher keiner Rechtsmittelbeschränkung.
Sachlich war die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens durch das Erstgericht nicht begrundet; sie ist im § 261 Abs. 6 ZPO. nicht vorgeschrieben (2 Ob 442/58) und kann dann nicht in Frage kommen, wenn man in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (ZBl. 1932 Nr. 354, JBl. 1959 S. 108) die Frage, ob eine Überweisung nach § 261 Abs. 6 ZPO, auch von dem ordentlichen Gericht an das Arbeitsgericht zulässig ist, bejaht. Obwohl die Frage, ob eine Streitsache vor die ordentlichen Gerichte oder die Arbeitsgerichte gehört, eine Frage der sachlichen Zuständigkeit und nicht der Zulässigkeit des Rechtsweges ist (SpR. 47 neu), gilt allerdings, wenn die Zuständigkeit eines Arbeitsgerichtes gegeben ist, die Bestimmung des § 42 Abs. 1 JN., wonach das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluß auszusprechen hat. Wenn aber der Kläger rechtzeitig den Antrag auf Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Gericht gestellt hat, kommt diese Regel genau so wenig zur Anwendung wie der in anderen Unzuständigkeitsfällen sonst geltende Grundsatz, daß die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes zurückzuweisen ist. Durch die Bestimmung des § 261 Abs. 6 ZPO. soll eben aus Gründen der Prozeßökonomie dann, wenn der Kläger auf der Durchführung des Prozesses vor dem durch ihn angerufenen Gericht nicht besteht, vermieden werden, daß der beim unzuständigen Gericht gesammelte Prozeßstoff verlorengeht. Das muß auch dann gelten, wenn zu Unrecht das ordentliche Gericht angerufen wurde und der Prozeß vor dem außerordentlichen Gericht weitergeführt werden soll. Das bisher durchgeführte Verfahren wird beim zuständigen Gericht ohnehin nur so weit verwertet werden können, als dies die Natur der Sache zuläßt (2 Ob 442/58). Verfehlt ist die im Revisionsrekurs vertretene Meinung, die Bezugnahme des § 261 Abs. 6 ZPO. auf die weitere Verwertung des bisherigen Prozeßstoffes sei erfolgt, weil diese Gesetzesstelle zum Ausdruck bringen wollte, daß der bereits gewonnene Prozeßstoff trotz der Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens zu benützen sei. Dem ist zu entgegnen, daß der Normalfall des § 261 Abs. 6 ZPO. ja die verzichtbare Unzuständigkeit darstellt, wo von der Nichtigkeit des bisherigen Prozeßstoffes gar keine Rede sein kann. Eine solche Anordnung des Gesetzes würde auch dem Grundsatz widersprechen, daß die von der Nichtigkeit betroffenen Prozeßakten später nicht mehr verwertet werden können. Wird die Möglichkeit, eine Rechtssache von einem ordentlichen Gericht an ein außerordentliches Gericht nach § 261 Abs. 6 ZPO. zu überweisen, bejaht, so läßt sich dies mit der Bestimmung des § 42 Abs. 1 JN. nur durch die Annahme in Einklang bringen, daß eben im Falle der Überweisung die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens ebenso zu unterbleiben hat wie die Zurückweisung der Klage, und daß ebenso wie diese auch die weiteren Verfahrensakte, soweit dies die Natur der Sache zuläßt, im weiteren Verfahren verwertet werden können.
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