Spruch:
Dem Außerstreitrichter sieht eine Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 1 WEG. zur Begründung des Wohnungseigentums gegeben sind, nicht zu; diese Prüfung obliegt gemäß § 5 WEG. dem Grundbuchsrichter.
Entscheidung vom 12. November 1958, 5 Ob 335/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht setzte die Jahresmietwerte 1914 des Hauses Wien 4., K.-Gasse 7, mit insgesamt 65.050 Kronen fest. Es ließ bei seiner Entscheidung den Jahresmietwert der Garageneinfahrt und den des Hausgartens unberücksichtigt.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es fügte bei, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem von einigen Beteiligten erhobenen Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Begründung des Wohnungseigentums setzt den Bestand eines dem § 1 Abs. 1 WEG. entsprechenden Gegenstandes des Wohnungseigentums voraus, mit dem allerdings auch andere Liegenschaftsteile verbunden sein können (§ 1 Abs. 2. WEG.). Nach § 5 Abs. 2 WEG. ist dem Gesuche um die Eintragung des Wohnungseigentums im Grundbuch a) die Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand einer selbständigen Wohnung (eines Geschäftsraumes) und b) die Bestätigung oder die Entscheidung des Außerstreitrichters (s. Art. II der Mietengesetznovelle 1955, BGBl. Nr. 241) über die Höhe des Jahresfriedenszinses 1914 beizulegen. Daraus sowie aus § 4 WEG., der bestimmt, daß das Wohnungseigentum nur durch schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer eingeräumt werden kann, folgt, daß dem Außerstreitrichter eine Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 1 WEG. zur Begründung des Wohnungseigentums gegeben sind, nicht zusteht. Diese Prüfung obliegt gemäß § 5 WEG. dem Grundbuchsrichter. Dem Außerstreitrichter kommt nur die Festsetzung der Höhe der Jahreszinse oder Jahresmietwerte 1914 für die den Gegenstand des Wohnungseigentums bildenden Wohnungen (Geschäftsräume) zu (§ 2 letzter Satz WEG.). Besteht darüber Streit, ob überhaupt Wohnungseigentum eingeräumt wurde, dann haben die beteiligten Miteigentümer den Rechtsweg zu beschreiten. Der Außerstreitrichter hat in einem solchen Falle den Antrag auf Festsetzung der Jahresfriedenszinse abzuweisen. Ist jedoch die Begründung des Wohnungseigentums hinsichtlich einzelner Objekte strittig, dann ist, sofern eine Vereinbarung nach § 4 WEG. auch bezüglich nur eines einzigen Objektes vorliegt, die Entscheidung über die Festsetzung des Jahresfriedenszinses auf alle Wohnungen (Geschäftsräume) auszudehnen. Das ergibt sich aus § 2 WEG., weil die Entscheidung des Außerstreitrichters die Grundlage für die Überprüfung zu bilden hat, ob der Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers nicht kleiner ist, als es dem Verhältnis des Jahresfriedenszinses seiner Wohnung zu der Gesamtsumme der Jahresfriedenszinse aller Wohnungen (Geschäftsräume) entspricht. Bei der Festsetzung der Jahresfriedenszinse oder Jahresmietwerte der einzelnen Objekte sind auch die im § 1 Abs. 2 WEG. genannten und im Vertrag angeführten Liegenschaftsteile zu berücksichtigen. Auf eine Prüfung, ob ein solcher Bestandteil, also etwa ein Hausgarten im Hinblick auf seine Größe und Bewirtschaftungsart oder eine Garageneinfahrt, Gegenstand des Wohnungseigentums sein kann, hat sich der Außerstreitrichter nicht einzulassen. Ihm obliegt einzig und allein die Festsetzung der Höhe der Zinse oder Mietwerte. Wird also eine Garageneinfahrt oder ein Hausgarten als Bestandteil des Wohnungseigentums in einem Vertrag angeführt, dann sind auch diese Liegenschaftsteile in die nach § 2 WEG. zu treffende Entscheidung des Außerstreitrichters einzubeziehen. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Begründung des Wohnungseigentums nach den §§ 1 und 2 WEG. gegeben sind, obliegt allein dem Grundbuchsrichter, dem ja auch die Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand einer selbständigen Wohnung (eines solchen Geschäftsraumes) vorzulegen ist (§ 5 Abs. 2 lit. a WEG.). Wie weit sich das Prüfungsrecht des Grundbuchsrichters erstreckt, insbesondere ob er sich mit einer Angabe im Vertrag, daß Garten und Garageneinfahrt unmittelbar zugänglich und deutlich abgegrenzt sind, zu begnügen oder hierüber einen urkundlichen Nachweis zu fordern hat, ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu erörtern.
Aus den obigen Erwägungen folgt, daß entgegen der Meinung des Rekursgerichtes weder eine Vernehmung der Beteiligten darüber, an welchem Liegenschaftsanteil Wohnungseigentum begrundet werden soll, noch die Vorlage der im § 5 Abs. 2 lit. a WEG. vorgesehenen baubehördlichen Bescheinigung erforderlich ist. Es bleibt nur noch seitens des Erstrichters festzustellen, ob eine schriftliche Vereinbarung nach § 4 WEG., wenn auch nur bezüglich einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes, vorliegt. Trifft dies zu, wird er seine Entscheidung nach § 2 WEG. zu treffen haben. Auf Behauptungen, daß an Liegenschaftsteilen, über die ein schriftlicher Vertrag nicht vorliegt, Wohnungseigentum begrundet wurde, hat er nicht Rücksicht zu nehmen.
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