Normen
KO §46 Abs1
KO §51
KO §53
KO §46 Abs1
KO §51
KO §53
Spruch:
Beiträge zur Sozialversicherung sind Massekosten (§ 46 Abs. 1 KO), wenn sie aus der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer durch den Masseverwalter auflaufen. Die sich aus der Satzung eines Sozialversicherungsinstitutes ergebenden Forderungen gegen einen in Konkurs verfallenen Mitgliedsunternehmer, Ergänzungsbeiträge für das Deckungskapital zur Befriedigung der Ansprüche der Versicherten zu leisten, sind weder Masseforderungen noch privilegierte Forderungen. Sie gehören in die dritte Klasse der Konkursforderungen
OGH 15. November 1977, 5 Ob 313/77 (OLG Wien, 7 R 80/77; KG St, Pölten, 6 Cg 330/76)
Text
Das klagende Pensionsinstitut ist als eine der Aufsicht des Bundesministeriums für soziale Verwaltung unterstehende Zuschußkasse des öffentlichen Rechtes Träger der zusätzlichen Pensionsversicherung von in der Pensionsversicherung pflichtversicherten Bediensteten der ihm angeschlossenen Betriebe (Unternehmungen): § 479 Abs. 1 ASVG. Zu ihren Mitgliedsunternehmungen (§ 1 Abs. 2 der Satzung des Institutes) zählt die seit 30. Jänner 1976 in Konkurs befindliche Gesellschaft m, b. H. in Liquidation, gegen deren Masseverwalter die das Konkursmassevermögen betreffende Klage gerichtet ist.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 1 483 782.63 S samt Anhang und hilfsweise die Feststellung, daß die von ihr im Konkurs der Gemeinschuldnerin angemeldete Forderung von 1 322 274 S in der ersten Klasse der Konkursforderungen zu Recht bestehe.
Sie brachte dazu im wesentlichen vor:
Durch die Konkurseröffnung über ihr Vermögen sei die Gemeinschuldnerin gemäß § 84 Abs. 1 Z. 4 GesmbHG aufgelöst und damit sei auch ihre Mitgliedschaft zum klagenden Institut beendet. Sie sei deshalb gemäß § 5 Abs. 4 der Satzungen des klagenden Institutes verpflichtet, die allgemeine Rücklage des Institutes anteilsmäßig auf jenen Betrag zu ergänzen, der den Anwartschaften bzw. bereits fälligen Ansprüchen ihrer Dienstnehmer bzw. Bezieher von Pensionsleistungen entspreche. Dieser Anspruch sei erst mit der Konkurseröffnung entstanden und stelle eine Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 1 KO dar. Sämtliche aktiven Bediensteten der Gemeinschuldnerin seien mit 30. Juni 1976 bzw. 31, Juli 1976 gekundigt worden und es habe keiner von ihnen eine Beitragsrückerstattung gefordert. Die Höhe der für die fünf ehemaligen Bediensteten und für die sieben Ruhegenuß- und fünf Versorgungsempfänger der Gemeinschuldnerin zu bildene Rücklage betrage unter Berücksichtigung der bereits gebildeten allgemeinen Rücklage bei anteiliger Berechnung 1 456 962 S. Hiezu komme der nach der Konkurseröffnung für die Monate Jänner bis Juli 1976 aufgelaufene Rückstand von 26 820.63 S an laufenden Pensionsbeiträgen. Sollte diesen Forderungen der Charakter von Masseforderungen nicht zuerkannt werden, habe das klagende Institut ein rechtliches Interesse an der hilfsweisen Feststellung, daß die Forderungen zu den in der 1. Klasse aufgezählten Konkursforderungen gehörten.
Der beklagte Masseverwalter hat die Abweisung des Klagehaupt- und Klagehilfsbegehrens beantragt und eingewendet, daß die geltend gemachten Forderungen, deren Höhe bestritten werde, weder Massenoch Konkursforderungen der ersten Klasse seien.
Das Erstgericht hat den beklagten Masseverwalter zur Zahlung der rückständigen Pensionsbeiträge aus der Zeit nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschulderin im Betrage von 26 820.63 S samt 4% Zinsen seit 9. November 1976 verurteilt und im übrigen das Klagehaupt- und Klagehilfsbegehren abgewiesen. Den abweisenden Ausspruch abgerundete das Erstgericht damit, daß es sich bei dem begehrten Anspruch auf Abgeltung der sonst noch in Zukunft von der Gemeinschuldnerin für ihre ehemaligen Bediensteten zu leistenden Pensionsbeiträge handle, die nicht Masseforderungen seien und die mangels Fälligkeit im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschulderin auch nicht in die erste Klasse der Konkursforderungen gehörten.
Der dem Klagebegehren teilweise stattgebende Ausspruch des Urteiles des Erstgerichtes erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft. In seinem das Klagebegehren abweisenden Ausspruch wurde das Urteil des Erstgerichtes vom Gericht zweiter Instanz bestätigt. Das Berufungsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen an:
Das klagende Institut sei Sozialversicherungsträger; mangels einen bisher erlassenen besonderen bundesgesetzlichen Regelung sei gemäß § 479 Abs. 2 ASVG die zusätzliche Pensionsversicherung durch seine Satzung geregelt. Für die Behandlung der Beiträge zu dieser Versicherung seien gemäß den §§ 479 Abs. 2 Z. 1 und 65 Abs. 1 ASVG die jeweils geltenden Vorschriften der Konkursordnung anzuwenden. Im Sinne des § 46 Abs. 1 z. 1 KO seine die Beiträge zur Sozialversicherung, die während des Konkurses fällig werden, Masseforderungen, soweit solche Beiträge im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung fällig geworden sind, gehörten sie gemäß § 51 Abs. 1 Z. 5 KO in die erste Klasse der Konkursforderungen. Die entscheidende Frage sei hier, ob der vom klagenden Institut geltend gemachte Abdeckungs- bzw. Aufstockungsbetrag als "Beitrag zur Sozialversicherung" zu qualifizieren sei. Diese Frage müsse aus folgenden Erwägungen verneint werden: Die Satzung enthalte einerseits Bestimmungen über die Beiträge, ihre Grundlage, ihre Entrichtung, Fälligkeit und Einzahlung (§§ 14 ff.) und andererseits im Zusammenhang mit der Dauer der Mitgliedschaft der Mitgliedsunternehmungen (§ 5) die Verpflichtung der Mitgliedsunternehmung, in jedem anderen Fall der Beendigung ihrer Mitgliedschaft (als der Kündigung: § 5 Abs. 2 und 3) den Teil der allgemeinen Rücklage des klagenden Institutes, der auf die Versicherten und Leistungsempfänger aus dem Stand dieser Mitgliedsunternehmung verhältnismäßig entfalle, auf den Betrag zu ergänzen, der die Anwartschaften bzw. Ansprüche dieser Versicherten und Leistungsempfänger nach versicherungstechnischen Grundsätzen voll decke (§ 5 Abs. 4). Habe dieser Ergänzungsbetrag auch den Zweck, den Ausfall an Beiträgen auszugleichen, so ergebe sich dennoch klar, daß die Begriffe "Beiträge" und "Abgeltungs-, Deckungs-, Aufstockungs- oder Ergänzungsbetrag" nicht identisch seien. Da die Masseforderungen in § 46 KO erschöpfend aufgezählt seien, sei ihre Erweiterung im Wege der Analogie nicht möglich. Es sei jedoch dem klagenden Institut in der Ansicht beizustimmen, daß nach Lehre und Rechtsprechung Abgabenforderungen als Masseforderungen zu behandeln seien, wenn sie nach der Konkurseröffnung fällig geworden sind und auf den Zeitraum nachher entfallen, und daß während des Konkursverfahrens fällig werdende, jedoch nicht die Masse betreffende Sozialversicherungsbeiträge keine Masseforderungen, sondern Konkursforderungen der ersten Klasse seien.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der klagenden Partei nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beantwortung der Frage, ob die gemäß § 5 der Satzung des klagenden Institutes im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft eines Mitgliedunternehmers (Inhabers einer "Mitgliedsunternehmung") zu diesem Institut entstehende Forderung gegen das ausscheidende Mitglied auf Ergänzung der allgemeinen Rücklage des Institutes derart, daß der auf die Versicherten und Leistungsempfänger aus dem Stand dieser Mitgliedsunternehmung entfallende Teil der Rücklage die Anwartschaften beziehungsweise Ansprüche der Versicherten und Leistungsempfänger nach versicherungstechnischen Grundsätzen voll deckt, Masseforderung im Sinne des § 46 KO ist, kann nicht, wie das Berufungsgericht unternommen hat, den von der autonomen Satzung des klagenden Institutes verwendeten rechtstechnischen Begriffen entnommen werden. Es muß vielmehr von dem Zweck des im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft zu leistenden einmaligen Ergänzungsbetrages zur allgemeinen Rücklage des klagenden Institutes einerseits und von der Rechtsnatur der als Massekosten und damit als Masseforderungen einzuordnenden Soziallasten andererseits ausgegangen werden.
Der Zweck des einmaligen Ergänzungsbetrages ist in der erwähnten Satzungsbestimmung klar offengelegt: es soll der aus der Beendigung der Mitgliedschaft entstehende Ausfall an künftigen Beiträgen durch eine nach versicherungstechnischen Grundsätzen berechnete Ergänzung der anteiligen Rücklage des klagenden Institutes auf das zur allfälligen Befriedigung der Anwartschaften und Ansprüche der Versicherten und Leistungsempfänger erforderliche Deckungskapital ersetzt werden.
Die Konkursordnung hat in ihrem § 46 Abs. 1 Z. 1 die Beiträge zur Sozialversicherung zu den als Massekosten anzusehenden Auslagen gezählt, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind. Demnach kann es sich bei vernünftiger Betrachtungsweise der Rechtsnatur dieser Massekosten, die ihre Rechtfertigung nur in der Notwendigkeit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse finden können, nur um solche Soziallasten handeln, die aus der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer durch den Masseverwalter für Rechnung der Masse auflaufen. Die Forderung des klagenden Institutes auf diese laufenden Beiträge für die Monate Jänner bis Juli 1976, also für die Zeit bis zur Beendigung der Weiterbeschäftigung von Dienstnehmern nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin durch den nun beklagten Masseverwalter, sind deshalb zweifellos Masseforderungen im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 1 KO gewesen und wurden aus diesem Gründe auch vom Erstgericht dem klagenden Institut zutreffend zuerkannt. Es ist indessen die Forderung auf Leistung des aus der Beendigung der Mitgliedschaft der Gemeinschuldnerin zu dem klagenden Institut nach § 5 der Satzung erwachsenen Ergänzungsbetrages zur Bildung des notwendigen Deckungskapitals nicht eine solche, die zu den Kosten der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse gezählt werden kann, weil sie damit in gar keinem Zusammenhange steht. Die Forderung ist aber auch keine, die zu den gemäß § 51 KO gegenüber den übrigen Konkursgläubigern privilegierten Forderungen zählt.
In den Gründen der Entscheidung vom 29. November 1961, 5 Ob 335/61 (EvBl. 1962/99 S. 105), hat der OGH zwar, obwohl diese Frage zur Entscheidung der Sache nicht zu beantworten war, die Ansicht geäußert, daß im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sei, in welche Klasse der Konkursforderungen Sozialversicherungsbeiträge gehören, die erst nach der Konkurseröffnung fällig werden und keine Masseforderungen sind; diese seien unter Zuhilfenahme der Auslegungsregeln der §§ 6 und 7 ABGB nach der Absicht des Gesetzgebers in die erste Klasse der Konkursforderungen einzureihen, denn wenn der Gesetzgeber sogar die im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge in die erste Klasse einreihe, dann müsse umso eher angenommen werden, daß er auch die während des Konkurses fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge, die keine Masseforderungen sind, in der gleichen Weise behandelt wissen wollte. Mit dieser Ansicht ist jedoch, auch wenn man sie billigte, nichts für den Standpunkt der Klägerin gewonnen, weil die von ihr im Konkurs angemeldete Forderung keine auf Leistung von Beiträgen im Sinne des § 51 Abs. 1 Z. 5 KO, sondern auf Ergänzung der allgemeinen Rücklage auf das zur allfälligen Befriedigung der Anwartschaften und Ansprüche der Versicherten und Leistungsempfänger erforderliche Deckungskapital darstellt, also auf ein Surrogat für den Ausfall künftiger Sozialversicherungsbeiträge, den das klagende Institut infolge des Ausscheidens der Gemeinschuldnerin aus der Mitgliedschaft zu ihr erleidet.
Das klagende Pensionsinstitut steht mit dieser Forderung in Konkurrenz mit allen übrigen Konkursgläubigern und da ihre Forderung in keine der privilegierten Klassen (§§ 51 und 52 KO) fällt, gehört sie gemäß § 53 KO in die dritte Klasse der Konkursforderungen.
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