Normen
KO §30 Abs1 Z1
KO §31 Abs1 Z2
KO §30 Abs1 Z1
KO §31 Abs1 Z2
Spruch:
Die Anfechtungsgrunde des § 30 Abs. 1 Z. 1 und des § 31 Abs. 1 Z. 2 erster Fall KO setzen voraus, daß sich die bekämpften Rechtshandlungen auf die bereits bestehende Gläubigerstellung des Anfechtungsgegners auswirken sollen, sind aber nicht auf gleichzeitig oder später begrundete Gläubigerrechte anwendbar
OGH 26. April 1977, 5 Ob 310/76 (OLG Linz 2 R 201/76; LG Salzburg 12 a Cg 95/76)
Text
Über das Vermögen des Alfred B, Alleininhaber der Firma Ing. Hans B, wurde vom Erstgericht am 21. Feber 1975 der Konkurs eröffnet.
Der Gemeinschuldner stand mit der Beklagten seit Anfang November 1973 in ständiger Geschäftsverbindung. Für Lieferungen der Beklagten an den Gemeinschuldner war ein Kreditrahmen von 500 000 S vorgesehen. Als der Schuldsaldo des Gemeinschuldners im Juni 1974 rund 300 000 S erreicht hatte, stellte die Beklagte die Abtretung der Forderungen des Gemeinschuldners gegen die Firma A Wohnbau Gesellschaft m. b. H., in deren Auftrag der Gemeinschuldner mehrere Häuser baute, zur Bedingung für weitere Lieferungen an ihn. Auf Grund der Anbote des Gemeinschuldners vom 7. Juni 1974 und vom 25. September 1974 kam es zur Abtretung von Forderungen des Gemeinschuldners an die Beklagte in der Höhe von 600 000 S bzw. 500 000 S. Von den Abtretungen wurde die übernommene Schuldnerin verständigt.
Im Juli 1974 wurden die ersten Konkursanträge gegen den Gemeinschuldner gestellt. Größte Gläubigerin war die Salzburger Gebietskrankenkasse mit einer Forderung von 1 823 804.94 S. Bis zur Konkurseröffnung waren noch mehrere Konkursanträge eingebracht worden. Im Jahre 1974 wurden beim Bezirksgericht Zell am See 163 Exekutionsanträge gegen den Gemeinschuldner gestellt, die zum Großteil für die Gläubiger ohne Befriedigungserfolg blieben.
Die Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners an die Beklagte aus Warenlieferungen betrugen zum 8. Juni 1974 rund 600 000 S und zum 30. November 1974 rund 2 Millionen Schilling. Die zedierten Forderungen des Gemeinschuldners gegen die Firma A Wohnbau Gesellschaft m b H sind um rund 300 000 S geringer als die seit der Zessionsvereinbarungen aus Warenlieferungen an den Gemeinschuldner entstandenen Forderungen der Beklagten. Der Beklagte hat durch die Zession keine Sicherstellung erlangt, die über die Höhe seiner seit der Zessionsvereinbarungen erbrachten Leistungen hinausgeht. Der Beklagte hat die ihm vom Gemeinschuldner zedierten Forderungen auch nicht zur Abdeckung von im Zeitpunkt der Zessionsvereinbarungen bereits bestandenen Forderungen gegen den Gemeinschuldner verwendet.
Die klagende Masseverwalterin im Konkurs des Gemeinschuldners begehrte, die zwischen dem Gemeinschuldner und dem Beklagten durch Annahme der Anbote vom 7. Juni 1974 und 23. September 1974 geschlossenen Abtretungsverträge hinsichtlich der Forderungen von insgesamt 913 000 S gegen die Firma A Wohnbau Gesellschaft m. b. H. den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam zu erklären. Zur Begründung dieses Begehrens führte sie aus, daß die Beklagte durch die aus den Zessionsvereinbarungen erlangte Sicherstellung oder Befriedigung vor anderen Gläubigern begünstigt und deren Befriedigungsmöglichkeit dadurch beeinträchtigt worden sei; der Gemeinschuldner sei im Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarungen bereits zahlungsunfähig gewesen und dies habe dem Beklagten bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen folgendes eingewendet: Die Zessionen seien als Sicherstellung für künftige Warenlieferungen und nicht für die bereits zum damaligen Zeitpunkt bestandenen Forderungen begehrt worden. Zum Zeitpunkt der Vereinbarungen sei der Gemeinschuldner nicht zahlungsunfähig gewesen; er habe damals auch Teilzahlungen geleistet. Über die Bonität des Gemeinschuldners seien beste Auskünfte erteilt worden. Es sei damals die gute Auftragslage des Gemeinschuldners bekannt gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei nicht im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO begünstigt worden, weil er lediglich weitere Lieferungen von Sicherstellungszessionen abhängig gemacht habe. Für eine Anfechtung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 KO fehle es an der Voraussetzung, daß dem Beklagten als Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt war oder bekannt gewesen sein mußte. Erst im Oktober 1974 habe ihm klar sein müssen, daß er aus den empfangenen Zessionen keine Zahlungen mehr erwarten könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Eine kumulative Anfechtung nach den §§ 30 Abs. 1 Z. 1 und 31 Abs. 1 Z. 2
KO
sei grundsätzlich möglich, weil zwischen den einzelnen Anfechtungstatbeständen der Konkursordnung kein Ausschließungsverhältnis bestehe. Eine Sicherstellung oder Zahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 KO sei dann als gebührende Deckung anzusehen, wenn sie dem Gläubiger zugleich mit der Entstehung seiner Forderung, mag diese auch schon in die "kritische Zeit" fallen, zugesichert worden sei. § 30 Abs. 1 Z. 1 KO komme nicht für solche Sicherstellungsakte in Betracht, die sich als Teil des die Schuld begrundenden Rechtsverhältnisses darstellen; der Gläubiger erhalte in diesem Falle nur das, was ihm auf Grund der mit dem Schuldner getroffenen Vereinbarung gegeben werden mußte, um das Schuldverhältnis überhaupt zu begrunden. Es sei zwar richtig, daß die angefochtenen Sicherungszessionen mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Vereinbarung auch die vor den Abtretungsvereinbarungen vorhandenen Lieferverbindlichkeiten des Gemeinschuldners zu decken hätten, doch sei festgestellt, daß die Zessionen tatsächlich nicht zur Abdeckung bereits bestandener Forderungen verwendet worden seien. Von einer inkongruenten Deckung könne daher keine Rede sein. Es sei aber auch der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs. 1 Z. 2 KO nicht erfüllt. Die auf dem Anbot des Gemeinschuldners vom 7. Juni 1974 beruhende Sicherungszession sei schon deshalb unanfechtbar, weil sie früher als sechs Monate vor der Konkurseröffnung vorgenommen worden sei (§ 31 Abs. 4 KO). Der Anfechtungstatbestand habe im übrigen zwei Voraussetzungen: 1. Das objektive Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung, das ungeachtet seiner fehlenden ausdrücklichen Anführung im Gesetz Merkmal aller Anfechtungstatbestände sei. 2. Das subjektive Erfordernis, daß dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Konkurseröffnungsantrag bekannt war oder zumindest bekannt sein mußte. Es sei nicht festgestellt, welche Erkündigungen der Beklagte über den Genieinschuldner eingezogen hat, insbesondere ob diese nur die Sicherheit der abzutretenden Forderung oder die wirtschaftliche Lage des Gemeinschuldners überhaupt betrafen, so daß zur Frage, ob dem Beklagten die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt sein mußte, nicht Stellung genommen werden könne. Dasselbe treffe in Ansehung seiner Kenntnis vom Konkurseröffnungsantrag zu, weil nicht feststehe, wann der zur Konkurseröffnung führende Antrag gestellt worden ist. Das Erstgericht habe auch nicht festgestellt, wann die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners eintrat. Die Sache sei aber dennoch spruchreif, weil der angeführte Anfechtungstatbestand aus einem anderen Grund nicht erfüllt sei: § 31 Abs. 1 Z. 2 KO erfordere, daß die erfüllte oder gesicherte Forderung bereits vor dem Deckungsakt entstanden sei. Eine vor der gleichzeitig mit der Entstehung des Gläubigerrechtes gewährte Deckung sei keine "Rechtshandlung, durch die ein Konkursgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlangt". Eine solche Deckung sei nur unter den strengeren Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes, nämlich wegen Vorliegens eines für die Gläubiger nachteiligen Rechtsgeschäftes, anfechtbar. Diese Auffassung werde in der Lehre und Rechtsprechung zu dem ähnlich konzipierten Tatbestand des § 30 Nr. 1 der deutschen KO vertreten und damit begrundet, daß der Gesetzgeber den Rechtshandlungen, durch die ein Gläubiger Befriedigung oder Sicherstellung erlangt, die vom Gemeinschuldner eingegangenen, für die Gläubiger nachteiligen Rechtsgeschäfte gegenübergestellt habe. I. d. F. des § 31 Abs. 1 KO komme diese Gegenüberstellung allerdings nicht so klar zum Ausdruck, weil das Gesetz in wenig geglückter Systematik den Begriff Rechtshandlungen sowohl als Oberbegriff über die Tatbestände nach den Z. 1 und 2 des § 31 Abs. 1 KO gestellt habe, als auch in diesen neben dem Begriff der Rechtsgeschäfte als gleichwertigen Unterbegriff verwende. Es läge aber auch der im österreichischen Gesetz verwendete Begriff "Rechtshandlungen" (durch die ein Konkursgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlangt) nahe, daß das Rechtsgeschäft, dessen Befriedigung oder Sicherstellung erlangt werde, bereits vorher abgeschlossen worden sei, daß also der Konkursgläubiger, dessen Handlung angefochten werde, schon Gläubiger gewesen sein müsse. Für diese Auffassung sprächen auch vernünftige wirtschaftliche Gesichtspunkte: Bezöge man auch die erst mit der Sicherstellung oder Deckung begrundeten Rechtsgeschäfte in den Anfechtungsbereich des § 31 Abs. 1 Z. 2 1. Fall KO ein, so schlösse man praktisch den in der Krise der Zahlungsunfähigkeit befindlichen Schuldner vom vermögensrechtlichen Verkehr ab, weil seine Partner auch die für den notwendigen Lebensbedarf und die zur Fortführung des Betriebes notwendigen Mittel auch bei Anbot von Barzahlung oder Sicherstellung verweigern müßten. Dagegen, daß in dieser Phase für die Gläubiger nachteilige Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, biete der zweite Anwendungsfall des § 31 Abs. 1 Z. 2 KO ausreichenden Schutz. Eine Behauptung, daß die von dem Beklagten mit dem Gemeinschuldner nach den angefochtenen Sicherungszessionen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte an sich nachteilig gewesen seien, habe die Klägerin nicht aufgestellt. Ihre Anfechtung richte sich nicht gegen die Warenverkäufe des Beklagten, sondern gegen die vorgenommenen Abtretungen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache kann nur von dem Sachverhalt ausgegangen werden, der vom Prozeßgericht erster Instanz festgestellt und mangels Bekämpfung durch die Klägerin auch vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt wurde.
Demgemäß hat der Beklagte, der mit dem Gemeinschuldner in Geschäftsverbindung stand, weitere Warenlieferungen davon abhängig gemacht, daß ihm zur Sicherstellung seiner Forderungen Forderungen des Gemeinschuldners gegen Dritte abgetreten werden. Tatsächlich wurden ihm derartige Forderungen vom Gemeinschuldner abgetreten und er hat sie nicht zur Abdeckung von Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners aus der Zeit vor den Abtretungsvereinbarungen verwendet. Er hat durch die zedierten Forderungen auch keine Sicherstellung erlangt, die über die Höhe seiner seit den Zessionsvereinbarungen erbrachten Leistungen hinausgeht. Es ist deshalb gleichgültig, ob - wie das Berufungsgericht erwogen hat - der Beklagte die ihm vom Gemeinschuldner abgetretenen Forderungen auch zur Abdeckung alter Verbindlichkeiten aus der Zeit vor den Abtretungsvereinbarungen hätte verwenden dürfen, weil er dies nicht getan hat.
Dieser Sachverhalt ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nach keinem der von der klagenden Masseverwalterin herangezogenen Tatbeständen der Konkursordnung anfechtbar, weil sowohl § 30 Abs. 1 Z. 1 als auch § 31 Abs. 1 Z. 2 1. Fall KO voraussetzen, daß sich die bekämpften Rechtshandlungen auf die bereits bestehende Gläubigerstellung des Anfechtungsgegners auswirken sollen. Betreffen sie jedoch gleichzeitig oder später begrundete Gläubigerrechte, dann kommt eine Anfechtung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn nicht auf Grund weiterer Sachverhaltsmerkmale ein anderer Tatbestand der Konkursanfechtung erfüllt wird. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß andernfalls der infolge seiner Zahlungsunfähigkeit kreditunwürdige Schuldner vom Abschluß zweiseitig verbindlicher vermögensrechtlicher Geschäfte praktisch ausgeschlossen wäre. Da sich die klagende Masseverwalterin nur auf die zwei angeführten Anfechtungstatbestände berufen und keine zusätzlichen Sachverhaltsmerkmale behauptet hat, die einen anderen Anfechtungstatbestand zu erfüllen geeignet wären, haben die Unterinstanzen zutreffend ihrem Klagebegehren die Berechtigung versagt.
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