Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Kläger begehrten zuletzt die Zahlung von S 280.000,-- sA und brachten vor, dass sie mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom November 1994 dem Beklagten eine Eigentumswohnung zu einem Gesamtkaufpreis von S 1,696.955,-- verkauft hätten. Daraus hafte noch der Klagsbetrag unberichtigt aus.
Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass er anlässlich der Übernahme der Wohnung umfangreiche Mängel festgestellt habe, die zum Teil innerhalb der gekauften Eigentumswohnung, zum Teil an den allgemeinen Teilen des Hauses bestünden. Er habe die Kläger zur Behebung aufgefordert und eine Nachfrist gesetzt. Gleichzeitig habe er das ihm zustehende Rückbehaltungsrecht am Kaufpreisrest bis zur Behebung der Mängel erklärt und ausgeübt. Diese Mängel bestünden unter anderem darin, dass der im Kaufvertrag vorgesehene Kinderspielplatz vollständig fehle. Die Hauseingangstüren im Erdgeschoss sowie die Kellertür seien nicht entsprechend der vereinbarten Ausstattungsbeschreibung mit einem Rundbolzen-Sicherheitsgetriebe ausgestattet. Weiters sei die vertragsgemäße Begrünung der allgemeinen Fläche nicht durchgeführt worden. Schließlich machte der Beklagte Gegenforderungen geltend. Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als mit S 280.000,-- sowie die Gegenforderung mit S 7.166,83 (richtig: S 11.172,39) zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 272.833,17 sA. Es ging unter anderem von folgenden Feststellungen aus:
Der im Kaufvertrag vorgesehene Kinderspielplatz wurde derart hergestellt, dass eine ebene Fläche, welche mit Rindenmulch bedeckt ist, gegeben war. Es wurden keine Sandkiste und keine Kinderspielgeräte auf dieser Fläche zur Verfügung gestellt. Auf dem an die PKW-Abstellplätze angrenzenden Liegenschaftsteil wurde von Wohnungseigentümern selbst zwischen den dort befindlichen Bäumen eine Fläche als Kinderspielplatz durch Errichtung von entsprechenden Kinderspielgeräten hergestellt. Das Erstgericht traf auch Feststellungen über den Umfang der Begrünung von Freiflächen und über die Ausführung von Hauseingangs- und Kellertüren.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht erhebliche Mängel im Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten. Für die Geltendmachung von Mängeln allgemeiner Teile der Anlage müsse ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegen, der jedoch nicht gegeben sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfragen - nicht zulässig sei, und führte unter anderem folgendes aus:
Das Erstgericht habe übersehen, dass der Beklagte im Verfahren den Behauptungen der Kläger keinen Preisminderungsanspruch aus dem Titel der Gewährleistung entgegengesetzt habe, sondern mangelnde Fälligkeit des Kaufpreises, weil feststehende Mängel trotz Aufforderung nicht behoben worden seien. Hiefür sei kein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft erforderlich (5 Ob 126/00s). Die Kläger hätten weder behauptet noch ergebe sich dies aus dem Beweisverfahren, dass sich die Wohnungseigentümer bereits mehrheitlich auf Preisminderung festgelegt hätten. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte jedenfalls berechtigt, mangelnde Fälligkeit des Entgeltes einzuwenden.
Wie sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe, bestehe der von den Klägern zur Verfügung gestellte “Kinderspielplatz" lediglich aus einer ebenen, mit Rindenmulch bedeckten Fläche ohne Sandkiste und ohne Kinderspielgeräte. Dies entspreche nicht der Ö-Norm B2607, die auf Grund der tatsächlichen Übung durch die beteiligten Verkehrskreise als Maßstab heranzuziehen sei. Insbesondere im Rahmen von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen könnten Ö-Normen zur Interpretation der “gewöhnlich" vorausgesetzten Eigenschaften herangezogen werden.
Diese Ö-Norm sehe unter anderem vor, dass ein Kinderspielplatz, wie er in der Wohnhausanlage zu errichten gewesen wäre, zumindest 240 m2 groß sei, über ein Flugdach und eine Pergola verfüge, ebenso über einen Unterflurhydranten, einen Trinkbrunnen, eine freie Wasserstelle, einen Kanal und eine Abwasseranlage sowie Papierkörbe für den Müll. Die Bruttoflächen der Spielfelder müssten 98 m2 betragen. Eine Grünfläche mit 50 m2 müsse ebenso vorhanden sein wie ein Sandspielbereich von zumindest 10 m2, Wege (Hartflächen) für Radfahren und Hüpfspiele im Ausmaß von zumindest 35 m2, Ruheplätze im Ausmaß von zumindest 30 m2 sowie auch ein Bereich für den Umgang mit Tieren und Pflanzen von zumindest 10 m2. All dies sei nicht vorhanden, obwohl im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag ausdrücklich ein Kinderspielplatz enthalten sei.
Dem Beklagten stehe daher die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gemäß § 1052 ABGB zu. Dies sei Ausdruck der Bedingtheit des Anspruchs der Kläger, die auf dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beruhe. Intention des § 1052 ABGB sei, dass auf säumige Verpflichtete Druck zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung ausgeübt werde (MietSlg 30.154, 40.196). Daraus folge, dass der Beklagte bis zur ordnungsgemäßen Herstellung eines Kinderspielplatzes, die nach der Lebenserfahrung des Berufungsgerichtes zumindest den Betrag von S 280.000,-- benötigen würde, die Zahlung des restlichen Kaufpreises verweigern könne. Rechtsmissbräuchlich wäre die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes durch den Beklagten nur dann, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Vertragspartner bestünde, dh der gesamte Kaufpreis zurückbehalten werde, obwohl der Verbesserungsaufwand geringfügig sei. Davon könne jedoch hier nicht gesprochen werden. Konsequenz sei, dass das Klagebegehren schon aus diesem Grund nicht zu Recht bestehe.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt. Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, der Kinderspielplatz sei von den Wohnungseigentümern einvernehmlich verlegt und mit Spielgeräten ausgestattet worden; die Ö-Norm B2607 wende sich nur an öffentliche Stellen und gelte mangels Vereinbarung nicht für einen privaten Kinderspielplatz; maßgeblich sei das NÖ-Kinderspielplatzgesetz.
Hiezu wurde erwogen:
Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, verfolgt die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages auch den Zweck, auf den Veräußerer (etwa einen Wohnungseigentumsorganisator) Druck zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung auszuüben (vgl RIS-Justiz RS0018507; Binder in Schwimann2 § 1052 ABGB Rz 25, 26 mwN). Der erkennende Senat hat auch schon ausgesprochen, dass einem Wohnungseigentumsbewerber jedenfalls solange das Recht zusteht, mangelnde Fälligkeit des Kaufpreises einzuwenden, als nicht feststeht, dass sich die Wohnungseigentümer mehrheitlich auf Preisminderung festgelegt haben (5 Ob 126/00s = immolex 2001/32; 5 Ob 28/02g).
Im drittinstanzlichen Verfahren ist vor allem strittig, ob der Beklagte wegen Fehlens der zugesagten Kinderspielplatzes den eingeklagten Kaufpreisrest zurückbehalten darf (ein Preisminderungsanspruch wurde hieraus nicht abgeleitet). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen haben die Wohnungseigentümer selbst einen mit Spielgeräten ausgestatteten Kinderspielplatz hergestellt. Zufolge des Protokolls über die Eigentümerversammlung vom 26. 2. 1998 (Beilage 35) haben sich die Wohnungseigentümer auf eine Verlegung des Spielplatzes unter die Bäume und über die Art und den maximalen Preis anzuschaffender Geräte geeinigt.
Da die Wohnungseigentümer den Kinderspielplatz somit selbst errichtet haben, kommt eine Spielplatzerrichtung durch die Kläger nicht mehr in Frage, womit in diesem Zusammenhang kein Bedürfnis nach Gewährung eines Leistungsverweigerungsrechtes mehr besteht (vgl RIS-Justiz RS0019929). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann eine Klagsabweisung damit also nicht begründet werden. Auf einschlägige Ö-Normen und Landesgesetze muss nicht mehr eingegangen werden. Die Rechtssache ist aber auch noch nicht im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles spruchreif: Der Beklagte weist in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass er sich im erstinstanzlichen Verfahren auch auf Mängel der Eingangstür sowie der Grünfläche berufen hat. Für eine verlässliche abschließende Beurteilung eines hierauf gestützten Leistungsverweigerungsrechts - insbesondere unter den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs und des Verbesserungsinteresses im obigen Sinne - fehlen ausreichende Feststellungen, weshalb die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zurückzuverweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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