Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und ihres Nebenintervenienten werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Streitteile sind zu jeweils 58/1286 Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft mit darauf errichtetem Zinshaus in 1030 Wien.
Zu Gunsten des Klägers (B-LNR 27) ist ob dieser Liegenschaft bei den Miteigentumsanteilen B-LNR 11, 25 und 27 im Rang TZ 12570/98 die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 24a WEG 1975 an W 15 angemerkt. Die Wohnung Top 15 wurde dem Kläger zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt nach Abschluss des Kaufvertrags vom 23. Juni 1998 übergeben, er benützte sie in der Folge vorwiegend als Lager.
Der Beklagte hat seine Liegenschaftsanteile (B-LNR 25) durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Zu Gunsten der verpflichteten Partei war im Grundbuch im Rang TZ 11244/98 bei den Miteigentumsanteilen B-LNR 11, 24, 25, 26 und 27 die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts an W 11/12 und - ebenfalls - W 15 angemerkt.
Der Beklagte hat die Wohnung Top 15 vor dem Versteigerungstermin am 15. März 2005 nicht besichtigt und seine Informationen darüber nur aus der Ediktsdatei und dem Gerichtsakt bezogen. Nach Erteilung des Zuschlags verschaffte er sich durch Austauschen des Schlosses Zutritt zu der Wohnung und entfernte die vom Kläger gelagerten Fahrnisse, die er für derelinquiertes Gerümpel hielt.
Der Kläger begehrt unter Berufung auf seinen jahrelangen redlichen Besitzstand sowie auf eine zu seinen Gunsten getroffene Benützungsregelung der Miteigentümer, den Beklagten zur Räumung und Übergabe der Wohnung Top 15 zu verpflichten. Der Beklagte berief sich auf den bücherlichen Vorrang der inzwischen zu seinen Gunsten übertragenen Anmerkung der Zusage nach § 24a WEG 1975.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Der frühere bücherliche Rang der Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums für die verpflichtete Partei, in deren Rechtsstellung der Beklagte als Ersteher eingetreten sei, sichere diesem auch das Recht zu, bei Begründung und Einverleibung des Wohnungseigentums die im späteren Rang für den Kläger angemerkte Zusage löschen zu lassen. Auf den letzten ruhigen Besitzstand komme es nicht an, zumal der Kläger seinen Besitz lange vor Klagseinbringung verloren habe.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung aufgrund der Berufungen des Klägers und seines Nebenintervenienten im klagsstattgebenden Sinn ab. Es verwarf die vom Kläger erhobene Mängelrüge, übernahm - mit einer hier nicht wesentlichen Ausnahme - die Feststellungen des Erstgerichts und billigte grundsätzlich auch dessen Rechtsausführungen zu den Wirkungen einer Anmerkung nach § 24a WEG 1975 und § 40 Abs 2 WEG 2002. Allein das damit erworbene Anwartschaftsrecht bedinge aber vor Übergabe des Objekts noch kein Benützungsrecht. Der Beklagte habe lediglich Miteigentumsanteile ersteigert. Der Schutz nach § 372 ABGB knüpfe nur an den - wenn auch verlorenen - Besitz an. Da die streitgegenständliche Wohnung dem Kläger nach Kaufvertragsabschluss im Jahre 1998 übergeben worden sei und er sie danach durchgehend bis zum Eingriff des Beklagten benützt habe, sei ihm dieser zur geräumten Übergabe der Wohnung verpflichtet. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.
Der Beklagte begründet die Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision damit, dass zu der Frage der Übergabe eines Liegenschaftsanteils, zu dem eine Anmerkung nach § 24a WEG 1975 bzw § 40 WEG 2002 eingetragen ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe. Darüber hinaus sei die wesentliche Feststellung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei die Wohnung nach Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 1998 übergeben worden, aktenwidrig. Die Ansicht, eine Anmerkung der Einräumung des Wohnungseigentums verschaffe nur das Anwartschaftsrecht auf künftige Einverleibung, stehe im Widerspruch zu § 37 Abs 5 iVm § 16 Abs 1 WEG, wonach auch dem angemerkten Wohnungseigentümer bereits die Nutzung der künftigen Wohnung zukommt, wenn zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat.
Der Nebenintervenient auf Seiten des Beklagten macht in seiner Zulassungsbeschwerde geltend, das Berufungsgericht habe das Intabulationsprinzip und das Rangprinzip missachtet. Auf den ungestörten Besitzstand komme es im vorliegenden Verfahren nicht an.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen zeigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Die nur allgemein gehaltenen Ausführungen des Klägers über fehlende Rechtsprechung zur Übergabe eines Liegenschaftsanteils mit einer Anmerkung nach § 24a WEG 1975 bzw § 40 WEG 2002 können nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade dem vorliegenden Verfahren ein außergewöhnlicher Einzelfall zu Grunde liegt, dessen Beurteilung vom Revisionsgericht nur dann aufzugreifen wäre, wenn die Berufungsentscheidung auf einer geradezu unvertretbaren Rechtsanwendung beruhen würde.
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils liegt nicht vor. Unter Berücksichtigung des Kontexts der Begründung der Berufungsentscheidung ist offenkundig, dass mit der Formulierung, die Wohnung Top 15 sei dem Kläger „nach Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 1998" übergeben worden, auf das Datum des Kaufvertrags Bezug genommen und nicht festgestellt wird, dass auch die Übergabe jedenfalls noch im Jahr 1998 stattgefunden hat.
Fest steht jedoch, dass die Wohnung Top 15 dem Kläger tatsächlich übergeben wurde und er sie bis zum Schlossaustausch durch den Beklagten durchgehend benützt hat. Die Revisionsausführungen des Beklagten, die eine frühere Übergabe der Wohnung an die vormalige verpflichtete Partei unterstellen, verstoßen gegen das Neuerungsverbot, weil in erster Instanz gar nicht behauptet wurde, dass die Wohnung irgendwann auch der Vorgängerin des Beklagten übergeben worden wäre. Selbst allfällige Beweisergebnisse könnten ein entsprechendes Parteienvorbringen nicht ersetzen. Ein derartiges Vorbringen wäre angesichts des letzten Besitzstands auch logisch schwer nachvollziehbar, weil dem Kläger dann die Wohnung von der Rechtsvorgängerin des Beklagten selbst (weiter) übergeben worden sein müsste.
Auch mit seinen Ausführungen zu § 37 Abs 5 iVm § 16 Abs 1 WEG kann der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Adressat der Ansprüche nach den §§ 37 ff WEG 2002 ist grundsätzlich der Wohnungseigentumsorganisator. Im Verhältnis zu Dritten ist die Rechtsstellung des Wohnungseigentumsbewerbers nach den allgemeinen Rechtsvorschriften zu beurteilen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 37 WEG Rz 4 mwN). Dem Kläger stand aber im Jahre 1998 gemäß § 23 Abs 2 WEG 1975 bereits mit Bezahlung des Kaufpreises ein unabdingbarer Anspruch gegen den Wohnungseigentumsorganisator auf Übergabe der zugesagten, in der Natur bereits bestehenden Wohnung Top 15 zu. Den gleichen Anspruch erwarb zwar einige Monate später die Rechtsvorgängerin des Beklagten, nur dem Kläger wurde aber die Wohnung auch tatsächlich übergeben.
Der Schutz der §§ 372 ff ABGB gegen Dritte, auch andere Wohnungseigentumsbewerber, kommt einem Wohnungseigentumsbewerber nach der Rechtsprechung dann zu, wenn ihm das zugesagte Objekt auch tatsächlich übergeben wurde (RIS-Justiz RS0010989; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 37 WEG Rz 4; 5 Ob 44/99b = wobl 2000/107 [Call] = MietSlg 51.027; MietSlg 38.663). Die Anspruchsvoraussetzung für die publizianische Klage ist rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz einer Sache oder eines dinglichen Rechts (Spielbüchler in Rummel³, § 372 ABGB Rz 2). Der Kläger konnte seinen - wenn auch durch Eigenmacht des Beklagten verlorenen - Besitz an der gegenständlichen Wohnung auf einen gültigen Rechtsgrund stützen, dem der Beklagte letztlich nur eine obligatorische, gegenüber Dritten nicht durchsetzbare Verpflichtung auf Verschaffung der selben Wohnung entgegenzuhalten vermochte.
Auch die Revision des Nebenintervenienten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Wirkungen der Anmerkung gemäß § 24a Abs 2 WEG bzw § 40 WEG 2002 entsprechen der eindeutigen Rechtslage. Demnach dient die Anmerkung vor allem zur Sicherung des Wohnungseigentumswerbers durch Wahrung des Ranges für seinen späteren Eigentumserwerb und durch Begründung von Aussonderungs- bzw Exszindierungsansprüchen im Insolvenz- und Zwangsversteigerungsverfahren (vgl 5 Ob 18/85 = SZ 58/49 = NZ 1985, 155/48; Hoyer zu 5 Ob 51/94 = NZ 1995, 139/327; Würth in Rummel ABGB³ § 40 WEG Rz 7; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht § 40 WEG Rz 1, 5). Wohl knüpfen auch einige der in § 37 WEG 2002 genannten Rechtspositionen der Wohnungseigentumsbewerber gegenüber dem Wohnungseigentumsorganisator an die bücherliche Anmerkung der Zusage des Wohnungseigentumsrechts an, § 37 Abs 5 WEG 2002 verschafft dem Wohnungseigentumsbewerber jedoch keine neuen Rechte, sondern normierte gegenüber der früheren Rechtslage (§ 23 Abs 4 WEG 1975) erstmals explizit, welche Bestimmungen des WEG ab welchen Zeitpunkten und unter welchen Voraussetzungen auf welche Wohnungseigentumsbewerber anzuwenden sind (Pittl, Der Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers, Änderungen durch das WEG 2002, wobl 2002, 149).
Die grundbücherliche Rangordnung einander ausschließender Anmerkungen nach § 24a WEG 1975 (§ 40 WEG 2002) ist hingegen, wie schon das Berufungsgericht erkannt hat, für die Lösung des vorliegenden Falls ohne Relevanz.
Eine vom Eigentum am ideellen (Mindest-)Anteil an der Liegenschaft getrennte selbstständige Verfügung über die Anmerkung ist nicht möglich. Die künftige Begründung von Wohnungseigentum setzt aber den Abschluss eines Wohnungseigentumsvertrags mit Zustimmung aller Miteigentümer, also auch des Klägers, oder einen der in § 3 WEG genannten gerichtlichen Titel voraus, in denen eine eindeutige Zuordnung der vorhandenen Objekte zu den jeweiligen Mindestanteilen vorgenommen werden muss, widrigenfalls Wohnungseigentum überhaupt nicht begründet werden kann und es beim schlichten Miteigentum zu bleiben hat. Erst unter der Voraussetzung, dass die Wohnung Top 15 in einem Wohnungseigentumsvertrag oder einer ihn ersetzenden Gerichtsentscheidung endgültig den Anteilen des Beklagten zugeteilt würde, wäre der bücherliche Rang der Anmerkung zu seinen Gunsten - aber nur mehr für die Löschung anderer nachrangiger Eintragungen - von Bedeutung.
Die Revisionswerber zeigen daher insgesamt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende entscheidungswesentliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
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