OGH 5Ob298/65

OGH5Ob298/6513.1.1966

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmeisser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hammer, Dr. Sobalik, Dr. Winkelmann und Dr. Hager als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Rainer S*****, infolge Revisionsrekurses des mj. Rainer S*****, vertreten durch die Mutter und besondere Sachwalterin Gisela R*****, diese vertreten durch DDr. Walter Nowak, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3. September 1965, GZ 4 R 229/65-114, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16. Juli 1965, GZ 3 P 221/57-111, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Kindeseltern Dr. Ekkehard S***** und Dipl. Volkswirtin Gisela S***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. 5. 1960, 9 Cg 528/59-42, aus beiderseitigem, jedoch überwiegenden Verschulden des Ehemannes geschieden. Der der Ehe entstammenden mj. Rainer S*****, befindet sich in Erziehung und Pflege der Mutter.

Mit einem beim Erstgericht am 21. 6. 1965 eingelangten Antrag begehrt der Kindesvaters seine Unterhaltspflicht gegenüber dem mj. Rainer S***** aufzuheben (ON 101).

Das Erstgericht wies den Antrag des Kindesvaters, ihn von der Unterhaltspflicht gegenüber seinem ehelichen Sohn zu entheben, ab (ON 111). Es nahm als erwiesen an, dass der mj. noch die Maturaschule T***** in Innsbruck besucht. Er hätte aber weder den Februartermin 1965 noch den Junitermin 1965 zum Antreten zur Zulassungsprüfung genützt, obwohl er wissensmäßig hätte antreten können. Bis Ende April 1965 habe er den Unterricht einigermassenregelmäßig besucht, in den Monaten Mai und Juni 1965 sei er mehrmals vom Unterricht ferngeblieben. Sollte der Mj. den Septembertermin 1965 ebenfalls nicht zum Antreten zur Zulassungsprüfung nützen, werde er aus der Maturaschule T***** ausgeschlossen. Richtig sei zwar, dass ihm der Inhaber der Maturaschule den Rat erteilt hätte, zur Prüfung nicht anzutreten, dieser Rat habe sich aber nur auf den Februartermin 1965 und nicht mehr auf den Junitermin 1965 bezogen.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass es noch gerechtfertigt sei, den Septembertermin 1965 abzuwarten. Trete der Mj. zur Prüfung an und bestehe er sie, sei sein Streben nach Erlangung der Matura gerechtfertigt.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses des Kindesvaters den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Kindesvater mit Wirkung vom 15. 10. 1965 der Unterhaltspflicht gegenüber seinem mj. Sohn enthoben wurde (ON 114). Es vertrat die Auffassung, dass man es noch hinnehmen könne, dass der Mj. den Jänner- oder Februartermin verstreichen ließ, obwohl es schon damals nicht verständlich gewesen sei, dass Prof. T***** ihm von diesem Termin abgeraten habe, zumal Rainer S***** in Mathematik, Latein und Deutsch gut gewesen sei. Wohl habe der Mj. in der Folge bis Ende April 1965 einigermaßen regelmäßig die Maturaschule besucht. Aber schon während der Monate Mai und Juni 1965 sei der Schulbesuch nicht mehr regelmäßig gewesen. Der Charakter der Schule als einer privaten Anstalt erlaube es nicht, den Schüler zu einem regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten. Es musste dabei sein Bewenden haben, wenn der Schüler aus irgend welchen Gründen dem Unterricht ferngeblieben sei. Im Juli 1965 habe Rainer S***** nur drei Tage dem Unterricht beigewohnt. Er hätte es vorgezogen, als Leiter eines Ferienlagers nach auswärts zu verziehen. Jedenfalls hätte der Minderjährige im Juni 1965 zur Zulassungsprüfung antreten können. Wenn er nicht angetreten sei, so fehle ihm jeglicher Wille zur Bewährung. Er habe das Lagerleben und dessen Annehmlichkeiten dem Ziel seiner Ausbildung vorgezogen. Bei dem mangelnden Fortgang im Studium des Minderjährigen sei der Antrag des Vaters auf Entbindung von der Unterhaltspflicht gerechtfertigt, da derzeit entsprechende offene Arbeitsplätze auch ohne Reifeprüfung in großer Zahl zur Verfügung stehen.

In dem gegen den Beschluss des Rekursgerichtes eingebrachten Revisionsrekurs beantragt der Minderjährige, den Beschluss des Gerichtes zweiter Instanz dahin abzuändern, dass der erstgerichtliche Beschluss wieder hergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3. 2. 1960, 3 P 221/57-9, wurde die Kindesmutter für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen gegen den ehelichen Vater zum besonderen Sachwalter bestellt. Am 29. 10. 1964 erteilte die Kindesmutter DDr. Walter Nowak Vollmacht, die bisher nicht widerrufen wurde (ON 107 S 27). Gemäß § 6 AußStrG sind Zustellungen im Verfahren außer Streitsachen in gleicher weise wie Zustellungen im Streitverfahren zu bewirken. Es dürfen daher auch Zustellungen im außerstreitigen Verfahren gemäß § 93 ZPO bei aufrechten Vollmachtsverhältnis nur an den ausgewiesenen Bevollmächtigten vorgenommen werden, widrigenfalls die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnt. Die Begrenzung des Bevollmächtigungsverhältnisses auf jenen Verfahrensabschnitt, in dem es dem Gericht angezeigt wurde, findet im Gesetz, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (SZ XXIII 337, 5 Ob 5/64 = EvBl 1964, Nr 329 und die dort zitierte Rechtsprechung, ferner 5 Ob 211/64 ua) keine Deckung. Diesfalls wurde der Beschluss des Rekursgerichtes der Kindesmutter durch postamtliche Hinterlegung am 14. 9. 1965 zugestellt. Eine Zustellung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz an den rechtsfreundlichen Vertreter der Kindesmutter unterblieb. Der von DDr. Walter Novak am 29. 9. 1965 überreichte Revisionsrekurs ist daher rechtzeitig, weil an ihn trotz aufrechter Vollmacht bisher noch nicht zugestellt wurde. Es schadet aber auch nicht, dass dem Rechtsfreund der Kindesmutter die Entscheidung des Rekursgerichtes noch nicht zukam. Wer zur Anbringung eines Rechtsmittels befugt ist, braucht, wie der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (SZ XXVIII 34, EvBl 1948, Nr. 175, 6 Ob 195/64), wenn ihm die anzufechtende Entscheidung nicht zugestellt worden ist, deren Zustellung nicht erst zu verlangen. Er ist befugt, das Rechtsmittel schon zu dem Zeitpunkt einzubringen, in dem die Bindung des Gerichtes an seine Entscheidung einritt. Nach § 14 Abs 2 AußStrG sind aber Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über die Bemessung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche unzulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung (Jud 60 neu = ÖJZ 1954, Nr. 332, 6 Ob 317/58, 2 Ob 254/59, 6 Ob 450/60, 3 Ob 56/61, 5 Ob 168/63, 5 Ob 352/63 ua), gehört zur Bemessung des Unterhaltes nicht nur die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, sondern auch die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit und der Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten. Stellt aber die Frage, ob ein unterhaltsberechtigtes Kind die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt hat, eine die Bedürfnisse des Kindes betreffende Bemessungsfrage dar, dann kann auf die weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses, die sich nur mit der Frage der Zweckmäßigkeit einer weiteren Berufsausbildung des mj. und seiner Erwerbsfähigkeit, somit nur mit Bemessungsproblemen befassen, nicht eingegangen werden und war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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