Spruch:
Der Revision der zweitklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.629,18 (darin enthalten EUR 271,53 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war zu 14.315/18.036stel Anteilen Eigentümer der Liegenschaft EZ *****. Mit Kaufvertrag vom 15. 11. 1999 verkaufte der Beklagte Anteile an die Erstklägerin, die nunmehr Mehrheitseigentümerin ist. Da sie betreffende Verfahren ist für die Erledigung der Revision ohne Belang.
Die Zweitklägerin begehrte vom Beklagten als ehemaligen Miteigentümer die Bezahlung von EUR 32.127,39 gemäß § 16 WEG 1975 für den Zeitraum 1. 1. 1994 bis 30. 11. 1999 mit der Begründung, dass auch schlichte Miteigentümer, wie der Beklagte, verpflichtet gewesen wären, Beiträge zur Rücklage zur Vorsorge für Aufwendungen zu leisten. Die Bildung dieser Rücklagen sei damals zwingend im Gesetz vorgesehen und im Verhältnis der Anteile zu tragen gewesen. Der Beklagte habe es aber unterlassen, während dieses Zeitraums Beiträge zur Rücklage zu leisten. Der Klagsbetrag stelle die angemessenen Beiträge zur Rücklage dar. Der von der Erstklägerin im Kaufvertrag abgegebene Verzicht auf Ausfolgung der Hauptmietzinsreserve und der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge entbinde den Beklagten nicht von seiner Verpflichtung gegenüber der Zweitklägerin zur Leistung von Beiträgen zur Rücklage.
Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Forderung nicht zu Recht bestehe, zumal § 1 Abs 4 des Kaufvertrages vorsehe, dass die bestehende Hauptmietzinsreserve und die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge innerhalb angemessener Frist abzurechnen, aber nicht auszufolgen seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren der Zweitklägerin ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass die Zweitklägerin von der Erstklägerin als 80 %iger Eigentümerin der Liegenschaft dominiert werde und sich daher § 1 Abs 4 des Kaufvertrages, wonach die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zwar abzurechnen, aber nicht auszufolgen seien, auch auf die Zweitklägerin beziehe. Würde man der Zweitklägerin ihr Begehren zusprechen, so wäre die Erstklägerin verpflichtet, den Beklagten vereinbarungsgemäß schad- und klaglos zu halten. So könne die Vereinbarung nicht gemeint gewesen sein. Im Übrigen habe keine unbedingte Pflicht zur Bildung einer Rücklage bestanden. Der Beklagte habe als damaliger Mehrheitseigentümer entschieden, keine Rücklagen zu bilden. Die Erstklägerin müsse als neue Mehrheitseigentümerin im Sinne der Vertragstreue ihre Mehrheit einsetzen, um eine Nachforderung durch die Zweitklägerin, die von ihr beherrscht werde, zu verhindern. Jede andere Vorgangsweise wäre gegen Treu und Glauben.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil mit Teilurteil hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens der Zweitklägerin. Es seien die Regeln über die Bildung der Rücklage nach § 16 WEG 1975 idFd 3. WÄG auch auf den Beklagten als schlichten Miteigentümer anzuwenden. Die Bildung einer Rücklage sei verpflichtend gewesen. Aber auch nach dieser Gesetzesbestimmung habe die Beschlussfassung über die Bildung einer angemessenen Rücklage nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 1975 grundsätzlich weiterhin der Mehrheit oblägen. Sei ein Verwalter bestellt worden, so entscheide bis zu einer Mehrheitsentscheidung dieser über die Höhe der Rücklage. Gemäß § 13a Abs 1 Z 2 WEG 1975 könne jener Miteigentümer die Entscheidung des Gerichtes darüber verlangen, dass eine angemessene Rücklage gebildet oder die von der Mehrheit beschlossene Rücklage angemessen erhöht oder gemindert werde. Daraus gehe erkennbar hervor, dass die Entscheidung der Mehrheit bzw die Festsetzung durch den Verwalter konstitutiv wirke. Sie könne sich nur auf künftige, nicht aber auf die rückwirkende Schaffung eines Sondervermögens beziehen. Eine Verpflichtung zur nachträglichen Zahlung von Beiträgen, die weder vom Verwalter vorgeschrieben, noch von der Mehrheit beschlossen oder vom Gericht festgesetzt wurden, sei daraus nicht ableitbar.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision hinsichtlich des Teilurteils zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Bestimmung des § 16 Abs 1 WEG idF des 3. WÄG der (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft einen Anspruch auf rückwirkende Bildung einer Rücklage verschaffe.
Dagegen richtet sich die Revision der Zweitklägerin mit einem Abänderungsantrag; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragte in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Zutreffend wurde erkannt, dass gemäß § 16 Abs 1 WEG 1975 idF des 3. WÄG die Miteigentümer eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für die Aufwendungen (§ 19 WEG) zu bilden hatten. Bei der Festlegung der Beträge zur Bildung der Rücklage war auf die voraussichtliche Entwicklung der Aufwendungen (§ 17 Abs 1 Z 2 WEG) Bedacht zu nehmen. Die Bildung einer Rücklage war also schon nach dem 3. WÄG verpflichtend (E. M. Hausmann, in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 31 WEG, Rz 22; Spruzina in Schwimann, § 16 WEG, Rz 1; Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 145).
Seit der Neufassung des § 16 Abs 1 WEG durch das 3. WÄG gibt es auch keine ausdrückliche Zweckwidmung der Rücklage mehr. Die Rücklage soll primär der Ansparung von Mitteln für hohe, nicht jährlich wiederkehrende Auslagen, insbesondere für große Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten dienen, doch kann sie auch für alle anderen Arten von Liegenschaftsaufwendungen verwendet werden (vgl zur Rücklage nach dem WEG 1975 idF des 3. WÄG; 5 Ob 367/97z; 5 Ob 255/03s; RIS-Justiz RS0108664).
Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes „angemessene Rücklage zur Vorsorge für Aufwendungen" ergibt sich, dass die Angemessenheit auf künftige Entwicklungen abstellt, mögen sie unmittelbar bevorstehen oder in weiterer Zukunft liegen (vgl auch Spruzina aaO, § 16 WEG, Rz 4; E. M. Hausmann, aaO, § 31 WEG, Rz 7). Da die Bildung einer angemessenen Rücklage nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 1975 (jetzt nach § 28 Abs 1 Z 2 WEG 2002) als Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung gilt, entscheidet darüber die Mehrheit der Miteigentümer. Bis zur Fassung eines Mehrheitsbeschlusses ist vom Verwalter im Rahmen der ihm obliegenden ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft die Höhe der Rücklage festzusetzen; dies bindet die Minderheit so lange, als nicht durch rechtsgestaltenden Beschluss des Außerstreitrichters mit Wirkung ex nunc die Herabsetzung verfügt wird (5 Ob 132/95, 5 Ob 367/97z; RIS-Justiz RS0103218; Spruzina aaO, § 16 WEG, Rz 6; Löcker aaO, S 359). Der Verwalter hat dann die von ihm oder der Mehrheit festgesetzten Beiträge iSd § 19 Abs 1 WEG 1975 bzw § 32 Abs 1 WEG 2002 auf die einzelnen Wohnungseigentümer aufzuteilen und die Beiträge zur Rücklage vorzuschreiben bzw für deren Einhebung zu sorgen (Löcker aaO). Schuldner der Beträge zur Deckung der Liegenschaftsaufwendungen ist immer derjenige Mit- und Wohnungseigentümer der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsschuld im Grundbuch als Eigentümer des entsprechenden Anteils eingetragen ist bzw war (5 Ob 247/04s mwN = immolex 2005/22 [Prader]; 5 Ob 244/05a).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall folgendes:
Der Beklagte ist Schuldner jener Rücklagenschuld, die in dem Zeitraum fällig wurde, als er im Grundbuch als Eigentümer der entsprechenden Anteile eingetragen war. Im vorliegenden Fall gibt es aber keine fällige Beitragsschuld, für die der Beklagte haften könnte. Es wurden weder vom Verwalter oder durch einen Beschluss der Eigentümermehrheit noch durch einen rechtsgestaltenden Beschluss des Außerstreitrichters Beiträge zur Bildung einer Rücklage hinsichtlich der Liegenschaft festgesetzt. Damit entstand keine auf die einzelnen Miteigentümer aufzuteilende Beitragsschuld. Eine rückwirkende Festsetzung von Beiträgen für die Vergangenheit ist nicht zulässig, da ja die Rücklage zur Vorsorge für Aufwendungen zu bilden ist und sich daher die Höhe nur daraus ergeben kann, dass jetzt bzw in der Zukunft ein Bedarf erwartet wird. Der Vorsorgegedanke kann schon rein begrifflich nicht in die Vergangenheit projeziert werden, da die Eigentümergemeinschaft in der Vergangenheit ja schon gewirtschaftet hat. Besteht gegenwärtig oder in der Zukunft ein Bedarf, so ist ex nunc mit einer Festsetzung von Beitragsleistungen zur Rücklage in der notwendigen Höhe vorzugehen. Da in dem von der Zweitklägerin relevierten Zeitraum keine Rücklage gebildet bzw Beitragszahlungen festgesetzt wurden, besteht für diesen Zeitraum auch keine (rückwirkende) Beitragspflicht des Beklagten wegen seines damaligen Miteigentums an der Liegenschaft.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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