Spruch:
Zum mandatum tua gratia post mortem nach § 1022 ABGB.
Entscheidung vom 16. April 1969, 5 Ob 28/69.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Dr. Marcel R. starb am 1. Februar 1965 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Seine gesetzlichen Erben sind seine Gattin Annie R. und seine Tochter Kitty S. Der Aufenthalt der Kitty S. ist unbekannt. Sie wird durch den Erbenkurator Dr. D. vertreten, der für sie auf Grund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung abgab. Annie R. hat sich am Abhandlungsverfahren nicht beteiligt.
Dr. L. besaß bei der Bank für Arbeit und Wirtschaft-AG. das Konto Nr. 717, das an seinem Todestag einen Stand von 90.312 S aufwies. Hievon hob die Beklagte am 1. Februar 1965 70.312 S und am 2. Februar 1965 die restlichen 20.000 S ab.
Das Erstgericht wies das auf Zahlung der 90.312S samt Nebengebühren gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Mit dem vor der Rückstellungskommission geschlossenen Vergleich vom 20. Mai 1949 wurde die Heilanstalt H. der damals noch im Ausland lebenden Annie R. zu Handen ihres bevollmächtigten Gatten Dr. Marcel R. zurückgestellt. Da sie keine Ärztin war, verpachtete sie das Unternehmen ihrem Gatten, der es bis zu seinem Tode führte. Die Beklagte war seit dem Jahre 1947 als ärztliche Hilfskraft an der Anstalt beschäftigt und ging im Jahre 1961 mit Dr. R. eine Lebensgemeinschaft ein. Der gemeinsame Haushalt wurde von Dr. R. finanziert, der auch für die Lebensbedürfnisse der Beklagten aufkam, ihr Kleider und Wäsche kaufte und die Kosten der gemeinsamen Urlaube trug.
Dr. R. errichtete am 3. August 1960 das Konto Nr. 717 bei der Bank für Arbeit und Wirtschaft, hinsichtlich dessen er als Kontoinhaber und die Beklagte als Bevollmächtigte einzelzeichnungsberechtigt waren.
Die Beklagte übergab ihren ganzen Gehalt von anfangs monatlich 1400 S, zuletzt 1700 S, um ihn zu sparen, an Dr. R., der ihn für sie auf dieses Konto einlegte. Da sie monatlich etwa 400 S Trinkgelder erhielt, verfügte sie über ein Taschengeld, und mehr brauchte sie nicht. Auch Dr. R. legte einen Teil seines Bezuges auf dieses Konto ein und ebenso Mathilde M., die gleichfalls in der Heilanstalt angestellte Schwester der Beklagten. Abhebungen von dem Konto nahm in erster Linie Dr. R. vor, und zwar sowohl für Anstalts- als auch für Haushaltszwecke, ebenso die Beklagte, meist in seinem Auftrag, welche Beträge sie ihm ausfolgte, oder um ihm Geschenke zu machen; in zwei oder drei Fällen auch Mathilde M. mit besonderer Ermächtigung.
Am 12. November 1961 errichtete Dr. R. in Gegenwart der Beklagten folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene Urkunde:
"Schenkung.
Aus freiem Willen und mächtig meiner Sinne schenke ich folgende Gegenstände aus meinem Besitz an Frau Brunhilde D.:
1 Bild, darstellend Landschaft, ... 2 abstrakte Bilder von Engler, 1 französischer Wecker in Messinggehäuse, 2 chinesische Bronzen, 1 altsilberner Becher, sowie mein Bankkonto 717 in der Arbeiterbank, zu dem sie auch zeichnungsberechtigt ist. eigenhändige Unterschrift." Dr. Marcel R.
Dr. R. sagte zur Beklagten, er errichte diese Urkunde, weil ja ihr Geld auf sein Konto eingelegt werde. Sie möge die Urkunde gut aufheben, damit sie etwas in Händen habe, falls ihm etwas zustieße; in diesem Falle solle sie das Geld sofort vom Konto abheben. Die in der Urkunde genannten Gegenstände waren der Beklagten schon vor der Schenkung in Verwahrung übergeben worden. Die Beklagte bedankte sich bei Dr. R.; sie unterschrieb die Urkunde zwar nicht, war aber damit einverstanden. Auch eine Verständigung der Bank oder eine Umschreibung des Kontos fand nicht statt. Es wurde jedoch weiterhin Geld der Beklagten auf das Konto eingezahlt, aber auch abgehoben.
Als die Beklagte Dr. R. Samstag, den 30. Jänner 1965, in das Krankenhaus brachte, sagte er ihr, sie möge am darauffolgenden Montag das Geld von seinem Konto in zwei Beträgen abheben und auf neue, auf ihren Namen lautende Sparbücher einlegen. Die Beklagte hob Montag, den 1. Februar 1965, gegen 8.15 Uhr 70.312 S und Dienstag, den 2. Februar 1965, die restlichen 20.000 S ab. Da Dr. R. am 1. Februar 1965 zwischen 10.30 Uhr und 10.45 Uhr starb, war er wohl noch zur Zeit der ersten, nicht aber zur Zeit der zweiten Abhebung am Leben. Die Beklagte legte das Geld, wie Dr. R. ihr gesagt hatte, auf zwei verschiedene Sparbücher auf ihren Namen ein.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht wie folgt:
Die "Schenkung" vom 12. November 1961 habe für sich allein der Beklagten nicht Eigentum an dem Bankguthaben verschafft, da sie weder in Form eines Notariatsaktes geschehen sei noch eine wirkliche Übergabe in die ausschließliche Verfügungsbefugnis der Beklagten enthalten habe. Im Zusammenhalt aber mit der Aufforderung Dr. R.'s, die Beklagte möge, wenn ihm etwas passieren sollte, sofort das Geld vom Konto abheben, welche Aufforderung er auch anläßlich seiner Spitalseinlieferung mit dem Beisatz, sie möge das abgehobene Geld auf neue, auf ihren Namen lautende Sparbücher einlegen, wiederholte, habe er die Beklagte in die Lage versetzt, ausschließlich über das Konto zu verfügen. Im Verein damit, daß er der Beklagten schon vorher die Einzelzeichnungsberechtigung einräumte, habe er durch seine Erklärungen vom 30. Jänner 1965 in einer nach außen hin erkennbaren, sinnfälligen Weise seinen ernsten Willen zum Ausdruck gebracht, daß das Kontoguthaben aus seiner Gewahrsame in den Besitz der Beklagten übertragen werde. Damit habe er alles nach seinen damaligen Möglichkeiten in seiner Macht stehende getan, um seinen Übertragungswillen auszudrücken und in die Tat umzusetzen. Die Beklagte habe auch im Sinne dieses Auftrages gehandelt. Dem gesetzlichen Erfordernis des § 943 ABGB. sei damit Genüge getan.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat zwar auch der Ansicht des Erstgerichtes, daß sich aus dem Zusammenhalt aller festgestellten Einzelheiten des Verhaltens Dr. R.'s und der Beklagten eine Schenkung mit wirklicher Übergabe im Sinne des § 943 ABGB. ergebe, beigepflichtet, es hat aber seine Entscheidung zusätzlich mit Erwägungen aus dem Mandatsvertrag begrundet. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes bildet gerade diese letztere Argumentation eine überzeugende Grundlage der angefochtenen Entscheidung, sodaß auf die Frage, ob eine Schenkung mit wirklicher Übergabe vorliegt, nicht eingegangen zu werden braucht.
Der Oberste Gerichtshof hat in Übereinstimmung mit der Lehre (Stanzl in Klang[2] IV S. 774/775, Schey. Die Obligationsverhältnisse S. 471 ff.) die Zulässigkeit und Wirksamkeit eines mandatum tua gratia, also eines Auftrages, bei dem der Beauftragte und der Begünstigte ident sind, bejaht (SZ. XXXII 108 u. a.).
Ein solches mandatum tua gratia liegt auf jeden Fall hinsichtlich des Betrages von 70.312 S vor, den die Beklagte im Auftrag Dr. R.'s und noch zu dessen Lebzeiten von seinem Konto abhob und auftragsgemäß für sich auf ein Sparbuch einlegte. Damit ist dieser Teil des Auftrages erfüllt und abgeschlossen und das Geld - soweit es sich nicht überhaupt um solches der Beklagten gehandelt hat - aus dem Vermögen Dr. R.'s ausgeschieden. Die Klägerin als dessen Erbin hat hierauf keinen wie immer gearteten Anspruch, ihr Herausgabebegehren ist demnach unberechtigt.
Ähnliches gilt jedoch auch für den Restbetrag von 20.000 S, den die Beklagte erst am Tage nach dem Ableben Dr. R.'s abgehoben hat. Auch hier bedeutet der Auftrag Dr. R.'s an die Beklagte ein mandatum tua gratia, dem aber zusätzlich die Qualifikation eines mandatum post mortem zukommt. Ein Auftrag auf den Todesfall im Sinne des § 1022 ABGB. liegt nicht bloß dann vor, wenn sein Wortlaut dies ausdrücklich enthält, sondern auch dann, wenn sich dies aus der Natur des Geschäftes, der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs ergibt (Stanzl a. a. O. S. 872, Ehrenzweig, Festschrift zum ABGB. II S. 678, SZ. XVI 158, XX 109, XXIV 213, EvBl. 1965 Nr. 22, HSZ. XLI 75 u. a.). Letzteres trifft hier zweifellos zu. Nicht nur, daß - wie neuerlich hervorzuheben ist - ein erheblicher Teil des auf dem Bankkonto Dr. R.'s erliegenden Geldes ohnedies aus den Einkünften der Beklagten stammte und daher ihr gehörte, war gerade die Einlieferung Dr. R.'s in das Krankenhaus und die damit verbundene Möglichkeit seines Todes das Motiv für seinen Auftrag an die Beklagte, das Geld von seinem Konto abzuheben. Der Zweck dieses Auftrages war offenkundig der, daß das Guthaben im Falle des Ablebens Dr. R.'s der Beklagten zukommen und nicht in die Verlassenschaft fallen sollte. Der Auftrag bestand daher nach seiner Natur, nach der Absicht des Auftraggebers sowie nach der Übung des redlichen Verkehrs über den Tod des Auftraggebers fort und deckte demnach die Abhebung der restlichen 20.000 S auch am Tage nach seinem Ableben. Dadurch, daß die Beklagte diesen Auftrag angenommen hat, wurde sie vertraglich zur Durchführung des Auftrages verpflichtet. Hiedurch entstand eine rechtliche Grundlage, die (so Ehrenzweig a. a. O. und SZ. XVI 158) an Stärke einer letztwilligen Verfügung gleichkommt. Sie ist trotz bloßer Mundlichkeit gültig, weil § 1022 ABGB. für den Auftrag auf den Todesfall keine Form vorschreibt, und führt auch zu einem Ergebnis, das dem Willen des Erblassers gerecht wird.
Auch wenn man, der Lehre Stanzls folgend, anders als die Entscheidung SZ. XVI 158 die Widerruflichkeit des Auftrages durch die Erben annimmt (so auch EvBl. 1965 Nr. 22), ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß ein Widerruf nur so lange möglich ist, als der Auftrag nicht durchgeführt wurde. Im vorliegenden Fall hat aber die Beklagte den Auftrag Dr. R.'s, ohne daß er von der Erbin widerrufen wurde, durchgeführt und das auf dem Konto erliegende Geld, das ohnedies zum Teil ihr gehörte, zur Gänze in ihr Eigentum übergeführt. Die Erbin ist unter diesen Umständen nicht mehr berechtigt, das Geld nachträglich wieder zurückzufordern.
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