OGH 5Ob275/71

OGH5Ob275/7125.1.1972

SZ 45/6

 

 

Spruch:

"Böser Glaube" und "grobe Fahrlässigkeit" beim Erwerb eines Wechselblanketts

Der Erwerber eines Wechsels handelt dann "bewußt zum Nachteil des Schuldners" iS des Art 17 WG, wenn er beim Erwerb des Papiers die Beziehungen des Schuldners zu seinem Vormann kennt oder aber die dem Schuldner entstehenden Nachteile erwogen hat und sie in Kauf nimmt (dolus eventualis); bewußte oder unbewußte Fahrlässigkeit reichen dagegen nicht aus

Den gutgläubigen Erwerber eines Wechsels oder eines Wechselblanketts trifft keine Nachforschungspflicht über das Grundgeschäft oder sonstige Vereinbarungen. Die Ungültigkeit des Grundgeschäftes gemäß § 22 DevG kann ihm nicht entgegengehalten werden

Zu den gemäß Art 93 WG nach dem Recht des Zahlungsortes zu beurteilenden Wirkungen der Verpflichtungserklärung des Annehmers gehören auch der Inhalt und der Umfang der Wechselverpflichtung somit auch die Frage der zulässigen Einreden

 

OGH 25. 1. 1972, 5 Ob 275 - 278/71 (OLG Wien 3 R 90/71; HG Wien 24 Cg 57/70)

 

Begründung:

Gegen die Wechselzahlungsaufträge des HG Wien vom 14. 12. 1962, 24 Cg 131/62-1, 7. 1. 1963, 24 Cg 13/63-1, 15. 1. 1963, 24 Cg 17/63-1, und 21. 1. 1963, 24 Cg 21/63-1, erhob der Gemeinschuldner Rudolf P Einwendungen. Er brachte vor, die Klägerin sei beim Erwerb der Wechsel nicht gutgläubig gewesen. Sie müsse daher die Einwendungen aus dem Grundgeschäft gegen sich gelten lassen. Die nur mit der Wechselsumme, dem Fälligkeitsdatum und der Unterschrift des Gemeinschuldners als Akzeptanten ausgefüllten Wechsel seien vom Gemeinschuldner an seinen Geschäftsfreund Siegmund S übergeben worden, der dem Gemeinschuldner vorgeschlagen habe, gegen die Hingabe von Dollarwechseln in Teilbeträgen bis zu einem Gesamtbetrag von 89.000 US‑Dollar in der Schweiz Geld zu beschaffen. Diese Beträge hätten zum Ankauf französischer Uhren bei einer Firma B in Besancon verwendet werden sollen. Um zu verhindern, daß mit den Wechseln Mißbrauch getrieben werde, habe Siegmund S dem Beklagten Deckungswechsel über 89.000 US-Dollar in gleichen Teilbeträgen und mit den gleichen Fälligkeiten übergeben. Nach einem dem Gemeinschuldner auf Grund einer Musterkollektion von den Ehegatten B unterbreiteten äußerst günstigen Offert für den Import liberalisierter französischer Uhren habe der Gemeinschuldner eine Bestellung getätigt, er habe jedoch die Uhren nicht erhalten. Erst durch die Bank habe der Gemeinschuldner erfahren, daß Siegmund S die gegenständlichen Wechsel an die Firma B weitergegeben und diese sie wieder an die Klägerin weitergereicht habe. Die Klägerin habe sich daher der Tatsache bewußt sein müssen, daß die bestellten Uhren dem Gemeinschuldner niemals geliefert worden seien. Siegmund S sei österreichischer Staatsbürger und Deviseninländer. Da er ohne Genehmigung der Nationalbank zum Zweck der Kreditbeschaffung die inländischen Wechsel im Ausland weitergegeben habe, sei das Rechtsgeschäft gemäß § 22 DevG nichtig.

Die Klägerin brachte zu den Einwendungen vor, sie habe auf Grund der von Siegmund S veranlaßten Bestellungen Uhren im Werte von rund 70 Millionen alter französischer Francs an Gesellschaften geliefert, mit denen Siegmund S maßgeblich gearbeitet habe. Zur Deckung des Kaufpreises habe Siegmund S Wechsel gegeben, die von den genannten Firmen bzw Geschäftsfreunden des S akzeptiert gewesen seien. Diese Wechsel seien nicht bezahlt worden. Über Drängen der Klägerin habe Siegmund S eines Tages erklärt, daß keiner der Akzeptanten Willens bzw in der Lage sei, die Wechselsumme zu bezahlen. Zur Deckung der Kaufpreisforderung habe S der Klägerin ua die gegenständlichen, vom Gemeinschuldner akzeptierten Wechsel übergeben. Die von der Klägerin gelieferte Ware sei dem Gemeinschuldner über Dritte, insbesondere über die genannten "S-Firmen", tatsächlich zugekommen. Der Gemeinschuldner habe gewußt, daß die von ihm akzeptierten Wechsel zur Deckung der Kaufpreisforderung der Klägerin dienen sollten; er habe sie zu diesem Zweck unterfertigt und begeben. Die Beziehungen zwischen dem Gemeinschuldner und Siegmund S seien der Klägerin nicht bekannt gewesen. Eine Nichtigkeit des Geschäftes nach § 22 DevG sei nicht gegeben, weil die Wechsel nicht zum Zweck der Kreditbeschaffung übergeben worden seien. Siegmund S habe schriftlich den Erhalt der Ware, zu deren Deckung er die Wechsel akzeptiert und übergeben habe, bestätigt.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Wechselzahlungsaufträge

a) vom 7. 1. 1963, GZ 24 Cg 57/70, früher 24 Cg 13/63,

b) vom 15. 1. 1963, GZ 24 Cg 58/70, früher 24 Cg 17/63,

c) vom 14. 12. 1962, GZ 24 Cg 59/70, früher 24 Cg 131/62,

d) vom 21. 1. 1963, GZ 24 Cg 60/70, früher 24 Cg 21/63,

mit der Maßgabe aufrecht erhalten werden, daß die Forderung der klagenden Partei im Konkurs des Rudolf P (S 62/63 des LGZ Wien) hinsichtlich folgender Ansprüche in der dritten Klasse zu Recht besteht:

a) 7000 US-Dollar samt 6 % Zinsen seit 21. 12. 1962 bis 1. 3. 1963, 1/3 % Provision und S 869.37 an Kosten,

b) 9000 US-Dollar samt 6 % Zinsen seit 11. 1. 1963 bis 1. 3. 1963, 1/3 % Provision und S 995.67 an Kosten.

c) 9370 US-Dollar samt 6 % Zinsen seit 22. 11. 1962 bis 1. 3. 1963, Protestkosten von 21.50 sfrs, 1/3 % Provision und S 1001,67 an Kosten,

d) 19.503 US-Dollar samt 6 % Zinsen aus 11.050 US-Dollar seit 21. 12. 1962 und aus 8453 US-Dollar seit 29. 12. 1962 je bis 1. 3. 1963, Protestkosten von 21.50 sfrs, 1/3 % Provision und S 1816.62 an Kosten, alles in Schilling zum Warenkurs des der Zahlung vorgehenden Tages. Das Prozeßgericht traf nachstehende Feststellungen:

Siegmund S unterhielt mit der Klägerin bzw deren Gesellschaftern, dem Ehepaar Delphin und Nadine B, schon durch längere Zeit, so auch noch im Jahre 1962, Geschäftsbeziehungen in der Weise, daß die Klägerin an die Niederlassung der Firma E in Besancon oder direkt an die Firma Sp in Wien Uhren lieferte. An beiden Gesellschaften war Siegmund S maßgeblich beteiligt. Die Bezahlung der Uhren erfolgte durch Hingabe von durch S und von Kunden des S akzeptierten Wechseln. S wohnte zu jener Zeit in Besancon, war jedoch in der Zeit vom 1. 10. 1962 bis 2. 4. 1963 und vom 30. 8. 1963 bis 11. 12. 1963 auch in Wien 1, D‑Gasse 20 polizeilich gemeldet.

P bezog nie direkt von der Klägerin Uhren, sondern nur über die Firma Sp, wobei die K-Bank damals für ihn bezahlte.

Rudolf P wandte sich im Herbst des Jahres 1962 an Siegmund S, er möge für ihn einen Kredit beschaffen. Er übergab zu diesem Zweck Siegmund S mehrere Wechsel, die dieser in der Schweiz einlösen sollte. Rudolf P erhielt von Siegmund S Wechselakzepte in gleicher Höhe. Als Siegmund S die ihm von Rudolf P übergebenen Wechsel in der Schweiz nicht exkomptieren konnte, verlangte er von Rudolf P nochmals Wechsel, die lediglich die Angabe des Rudolf P als Bezogenen, als Zahlstelle eine Bank in Zürich, ferner die Wechselsummen und das Akzept Rudolf P enthielten. Eine Bewilligung der Oesterreichischen Nationalbank für dieses Wechselgeschäft wurde nicht eingeholt. Sie wurde vielmehr auf ein nachträgliches Ansuchen verweigert.

Die Wechsel verwendete Siegmund S nicht, wie vereinbart, zur Kreditbeschaffung für Rudolf P, sondern er gab sie den Eheleuten B im Austausch für andere Wechsel, die Siegmund S der Klägerin für früher getätigte Uhrenkäufe übergeben hatte und die sich in der Folge jedoch als wertlos erwiesen. Siegmund S sagte den Ehegatten B, er habe die Akzepte von Rudolf P, der ihm aus früheren Geschäften viel Geld schulde, an Zahlungsstatt erhalten. Es seien "gute Wechsel".

Die Blankowechsel wurden sodann durch Einfügen der noch fehlenden Bestandteile, vor allem der Ausstellerunterschrift, welche von Delphin B namens der Klägerin stammt, vervollständigt. Ende 1962 fand noch eine Unterredung zwischen dem Ehepaar B und Rudolf P statt, bei der nur von der Bezahlung der gegenständlichen Wechsel und nicht von Uhrenkäufen die Rede war. Etwa Mitte Feber 1963 (bereits nach der Klageeinbringung), aber noch vor der Eröffnung des Ausgleiches über das Vermögen des Rudolf P kam es in Zürich zwischen dem Ehepaar B und Rudolf P zu Vergleichsgesprächen, die jedoch scheiterten.

Über das Vermögen des Rudolf P wurde am 7. 8. 1963 der Konkurs eröffnet.

Rechtlich würdigte das Prozeßgericht den Sachverhalt dahin, daß der Gemeinschuldner der Klägerin keine Einwendungen aus dem Grundgeschäft entgegensetzen könne, weil direkte Lieferungen zwischen der Klägerin und Rudolf P nicht erfolgt seien. Die Nichtigkeit der "Kreditwechsel" gemäß § 22 DevG könne nicht erfolgreich eingewendet werden, weil eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin beim Erwerb der Blankoakzepte nicht feststellbar gewesen sei. Wenn auch bei Blankoakzepten eher eine Erkundigungspflicht als sonst angenommen werden könnte, habe die Klägerin ihrer Erkundigungspflicht Genüge getan. Sie sei bei der Ausfüllung der Blankette zweifellos gutgläubig gewesen. Da aus diesen Gründen der Einrede der Nichtigkeit des Wechselgeschäftes gemäß § 22 DevG nicht Folge zu geben sei, brauche die Frage nach einem eventuellen "inländischen Anknüpfungspunkt", um das Devisengesetz überhaupt anwenden zu können, nicht untersucht zu werden. Infolge der Konkurseröffnung über das Vermögen des Gemeinschuldners seien die Wechselzahlungsaufträge mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe aufrecht zu erhalten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und billigte die vom Prozeßgericht vertretene Rechtsauffassung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des beklagten Masseverwalters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es trifft zu, daß nach § 14 DevG ua die Aufnahme von Krediten bei Ausländern sowie die Übernahme von sonstigen Geldverpflichtungen (von Inländern) gegenüber Ausländern der Bewilligung der Nationalbank bedarf. Zu den bewilligungspflichtigen Geldverpflichtungen gehören gemäß § 1 Z 2 DevG Wechselverbindlichkeiten, die auf eine ausländische Währung lauten und im Ausland zahlbar sind, somit als ausländische Zahlungsmittel anzusehen sind (Flandorfer-Triegler, Die österreichische Devisenbewirtschaftung 33; Schwarzer-Csoklich, Währungs- und Devisenrecht2, 339 Anm 3). Im vorliegenden Fall lauten die von Rudolf P akzeptierten Wechsel auf US-Dollar. Als Zahlungsort wurde Zürich bestimmt.

Gemäß § 22 Abs 1 DevG sind Rechtsgeschäfte, die den Vorschriften des Devisengesetzes widersprechen, nichtig. Sie sind zwar vom Zeitpunkt ihrer Vornahme an wirksam, wenn die erforderliche Bewilligung nachträglich erteilt wird. Im gegenständlichen Fall wurde aber die Bewilligung der Nationalbank auf Grund eines nachträglichen Ansuchens am 21. 4. 1970 versagt.

Allein der Mangel der devisenbehördlichen Genehmigung bzw ihre nachträgliche Versagung stehen ebensowenig wie die Übergabe der Blankowechsel durch S an die Klägerin bzw deren Gesellschafter dem aufrechten Bestand der geltend gemachten Ansprüche entgegen.

Nach Art 93 WG bestimmen sich die Wirkungen der Verpflichtungserklärungen des Annehmers eines gezogenen Wechsels nach dem Recht des Zahlungsortes. Zu den Verpflichtungswirkungen der Wechselakte gehört aber ua der Inhalt und der Umfang der Wechselverpflichtungen, somit auch die Frage der zulässigen Einreden (Hupka, Das einheitliche Wechselrecht der Genfer Verträge 254; Kapfer, HdKomm z WG 295; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 107). Da als Zahlungsort der gegenständlichen Wechsel Zürich vereinbart wurde, gelangt für die Beurteilung der zu berücksichtigenden Einreden Schweizer Recht zur Anwendung.

Was zunächst den Umstand anlangt, daß die Klägerin die Wechselblankette von Siegmund S übernahm, obwohl dieser nicht als Indossant aufscheint und auch im Innenverhältnis nur befugt war, die Wechsel zwecks Erlangung eines Kredites für den Gemeinschuldner zu eskomptieren, so ist von der Bestimmung des Art 1000 schwor auszugehen, dessen Text sich mit Art 10 WG deckt. Nach der angeführten Gesetzesstelle kann, wenn ein Wechsel, der bei der Begebung unvollständig war, den getroffenen Vereinbarungen zuwider ausgefüllt wurde, die Nichteinhaltung dieser Vereinbarungen dem Inhaber nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß er den Wechsel in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Der Inhaber muß dabei nicht nur beim Erwerb, sondern auch bei der Ausfüllung des Blankowechsels gutgläubig sein (Kapfer, HdKomm z WG 65 letzter Abs; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 50; Kapfer, WG u SchG6 Art 10 WG/15).

Bösgläubig ist der Inhaber des Blanketts dann, wenn er beim Erwerb des Papiers wußte, daß das Blankett abredewidrig ausgefüllt wurde, oder wenn er selbst in Kenntnis bestehender Vereinbarungen das Blankett vereinbarungswidrig ausfüllt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn er davon wissen mußte, daß der Blankowechsel vereinbarungswidrig ausgefüllt wird oder wurde. Das trifft dann zu, wenn der Inhaber des Blanketts die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem Branchenangehörigen hätte einleuchten müssen. Erkundigungen einzuziehen ist der Erwerber des Blanketts in der Regel nicht verpflichtet (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 50; Kapfer, HdKomm z WG 66; EvBl 1957/6). Im vorliegenden Fall übergab Siegmund S die Blankette, welche schon die Wechselsumme enthielten, der Klägerin an Zahlungs Statt für gelieferte Uhren. Zwischen der Klägerin und den beiden Firmen, an denen Siegmund S beteiligt war, bestand eine bereits längere Zeit währende Geschäftsverbindung. Siegmund S hatte schon wiederholt gekaufte Uhren durch die Hingabe von Wechseln bezahlt, die von seinen Kunden akzeptiert waren. Auch der Gemeinschuldner bezog von Siegmund S Uhren, die im Betrieb der Klägerin hergestellt worden waren, was den Inhabern der Klägerin, den Ehegatten B bekannt war. Siegmund S erklärte den Ehegatten B, die Akzepte rührten vom Gemeinschuldner her, der ihm aus früheren Geschäften Geld schulde. Die Ware befinde sich beim Gemeinschuldner. Die Akzepte seien erstrangige Papiere. Delphin B fügte daraufhin die fehlenden Bestandteile der Wechsel, darunter die Ausstellerunterschrift, ein. Auf Grund der gegebenen Umstände, nämlich der längerwährenden Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und Siegmund S, der von S abgegebenen Erklärungen und der Tatsache, daß den Ehegatten B bekannt war, daß der Gemeinschuldner ihre Uhren in seinem Geschäft vertrieb und ihnen bestimmte Wünsche hinsichtlich der Produktion von Uhren bekanntgab, kann nicht gesagt werden, daß die Klägerin grob fahrlässig gehandelt hat und weitere Erkundigungen über das Verhältnis ihres Geschäftspartners (S) zu seinem Kunden (dem Gemeinschuldner) hätte einziehen müssen.

War aber die Klägerin gutgläubig, dann schadet es nicht, daß die Ehegatten B die Blankette von Siegmund S übernommen haben, obwohl S die Blankette weder ausgefüllt hat noch als Indossant aufscheint und auch im Innenverhältnis nur befugt war, die Blankowechsel zwecks Erlangung eines Kredites für den Gemeinschuldner zu eskomptieren. Denn wer einen mit seinem Akzept versehenen, jedoch mit der Unterschrift des Ausstellers noch nicht ausgefüllten Wechsel einem anderen übergibt, kann dem gutgläubigen Dritten, der die nichtausgefüllte Urkunde von dem Nehmer erworben und nachträglich als Aussteller unterschrieben hat, Einwendungen aus der Person des Erstnehmers, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Guhl, Das Schweizerische Obligationsrecht5, 710; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 50; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht 495) ausgesprochen hat (GlUNF 6494; BankArch 1961, 134; JBl 1962, 562) nicht entgegensetzen. Dieser Grundsatz gelangt daher sowohl hinsichtlich der Ausfüllung des Blanketts als auch bezüglich seiner Begebung zur Anwendung.

Was aber den weiteren Einwand der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes mangels einer devisenbehördlichen Genehmigung seitens der Oesterreichischen Nationalbank anlangt, so kommt der mit Art 17 WG gleichlautende Art 1007 schwOR zur Anwendung. Danach kann, wer aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, dem Inhaber keine Einwendungen entgegensetzen, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zu dem Aussteller oder zu einem früheren Inhaber gründen, es sei denn, daß der Inhaber bei dem Erwerb des Wechsels bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat (Schettler-Buehler, Das Wechsel- und Scheckrecht aller Länder, Schweiz, Bl 24).

Bewußt zum Nachteil des Schuldners handeln erfordert keineswegs ein arglistiges Einverständnis mit dem Vormann. Es reicht vielmehr hin, daß der Inhaber des Wechsels beim Erwerb des Papiers die Beziehungen des Schuldners zum Vormann gekannt hat (Kapfer, WG u SchG6, 87, E2 und 3) oder daß der dem Gemeinschuldner entstehende Nachteil von ihm erwogen wurde und er ihn, wie der OGH ausgesprochen hat (SZ 18/29), in Kauf genommen hat (dolus eventualis). Nicht mehr genügt es aber nach dem Schrifttum (Kapfer, HdKomm z WG 91 f; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 59; Guhl, Das Schweizerische Obligationenrecht5, 757) und der Rechtsprechung (EvBl 1955/364; EvBl 1962/166; ferner die bei Guhl aaO 757 angeführte Judikatur) zum bewußt nachteiligen Handeln, daß der Erwerber des Wechsels bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt den Einredetatbestand und damit den Nachteil des Schuldners infolge des Abschneidens der Einrede hätte erkennen können (unbewußte Fahrlässigkeit), oder daß es zwar an die Möglichkeit des Vorliegens eines Einredetatbestandes dachte, diese Möglichkeit dann aber in der objektiv unrichtigen Erwägung abtat, sie würde dem Schuldner ohnehin keine erfolgversprechende Einrede liefern (bewußte Fahrlässigkeit).

Im vorliegenden Fall müßte, damit Schlechtgläubigkeit gegeben ist, feststehen, daß die Eheleute B, die Inhaber der Klägerin, beim Erwerb der Wechsel von Siegmund S die Möglichkeit erwogen haben, daß die Übertragung oder die Übergabe der Wechselblankette nach den in Österreich bestehenden gesetzlichen Bestimmungen einer devisenbehördlichen Genehmigung bedürften, daß die Übertragung ohne solche Genehmigung unwirksam sei und daß sie dies bedingt in Kauf genommen hätten. Das haben die Untergerichte aber nicht festgestellt. Nach der zwischen der Klägerin und Siegmund S bestehenden Geschäftsverbindung wurden wiederholt die Verbindlichkeiten des S gegenüber der Klägerin durch die Übergabe von Wechseln gedeckt, die aus der Lieferung von Uhren seitens der Klägerin entstanden waren. Zur Nachforschung darüber aber, ob der Gemeinschuldner, der bereits früher Waren von der Klägerin erhalten hatte, im konkreten Fall eine devisenbehördliche Genehmigung eingeholt hat, war die Klägerin, wie der OGH ausgesprochen hat (EvBl 1955/ 364), nicht verpflichtet. Der abstrakte Charakter des Wechsels, sein wirtschaftlicher Zweck im Zusammenhang mit der Wechselstrenge und der Vorschrift des Art 17 WG führen dazu, daß den Erwerber eines Wechsels oder Wechselblanketts keine Nachforschungspflicht über das Grundgeschäft oder sonstige Vereinbarungen trifft.

Dem steht auch nicht die nachträgliche Versagung der devisenbehördlichen Genehmigung des Rechtsgeschäftes seitens der Nationalbank entgegen. Wohl ist nach Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG die Vollziehung in Sachen des Geldwesens Bundessache. Es trifft auch zu, daß nach der Präambel zum DevG zur Durchführung der Devisenbewirtschaftung die Oesterreichische Nationalbank, die satzungsgemäß für die Aufrechterhaltung und Sicherung der Währung zu sorgen hat, als Beauftragte des Bundes heranzuziehen ist. Der Oesterreichischen Nationalbank, die als ein außerhalb der staatlichen Verwaltung stehendes Institut anzusehen ist und nach § 2 Abs 1 NBG eine Aktiengesellschaft bildet, kommt somit, soweit sie mit der Durchführung des Devisengesetzes betraut ist, Behördencharakter zu (VfGH 31. 3. 1950 JBl 1950, 376; Schwarzer-Csoklich, Währungs- und Devisenrecht2, § 1 DevG Anm 4). Nach § 1 Abs 1 Z 13 DevG und nach § 7 NBG kann die Nationalbank in den ihr übertragenen Aufgaben des Geldwesens Bescheide erlassen. Das kann die Ungültigkeit des Grundgeschäftes zur Folge haben. Doch kann der daraus entspringende Einwand bei einem gutgläubigen Erwerb, der im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt wurde, gegeben ist, nach Art 1007 schwOR keine Berücksichtigung finden. Der Skripturakt selbst bleibt zufolge des abstrakten Charakters des Wechsels losgelöst vom Grundgeschäft gültig (Schwarzer-Csoklich, Währungs- und Devisenrecht2, 423; vgl hiezu auch Kapfer, HdKomm z WG 99, die Ausführungen zum Wucher. ferner die zum Einwand des Wuchers ergangene E JBl 1954, 619).

Nicht beigetreten werden kann den Ausführungen des Revisionswerbers, daß die Bestimmungen des Devisengesetzes als lex posterior zu einer Derogation wechselrechtlicher Vorschriften geführt habe. Beide Gesetze regeln voneinander verschiedene Rechtsgebiete. Sie schließen weder einander noch die Anwendung ausländischen Rechtes aus.

Bestehen aber die Ansprüche der Klägerin auf Grund der Wechselzahlungsaufträge zu Recht, dann sind sie im Konkurs des Gemeinschuldners Konkursforderungen dritter Klasse.

Da somit der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nicht gegeben ist, war der Revision der Erfolg zu versagen.

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