OGH 5Ob26/20i

OGH5Ob26/20i14.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. M*, 2. S*, beide *, beide vertreten durch K‑B‑K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. U*, 2. M*, beide *, beide vertreten durch Eberl, Hubner, Krivanec, Ramsauer & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, 3. J*, 4. P*, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 16. Oktober 2019, GZ 22 R 271/19k‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128241

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr das Begehren der Antragsteller, die Zustimmung des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin zur Verlegung des Eingangs zur Haushälfte der Antragsteller von der südwestlichen Hauswand zur nordwestlichen Ecke des Objekts zu ersetzen.

Das Erstgericht gab dem Antrag insoweit statt.

Das Rekursgericht wies ihn ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der als außerordentliches Rechtsmittel zu behandelnde Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Antragsteller übersehen, dass die Korrektur des Zulassungsausspruchs durch eine Zulassungsvorstellung zufolge der Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 63 Abs 1 AußStrG im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nur dann zulässig wäre, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht 10.000 EUR übersteigt. Das ist zufolge des den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts hier nicht der Fall. Die Ausführungen zur „Zulassungsvorstellung“ sind als solche zur Begründung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG und damit als Bestandteil des außerordentlichen Revisionsrekurses zu werten (RIS‑Justiz RS0110049; 5 Ob 263/07y; jüngst 5 Ob 11/20k).

2.1. Die Antragsteller bezweifeln nicht, dass die von ihnen begehrte Verlegung des Hauseingangs im Hinblick auf die damit verbundene Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft zusätzlich zu den in § 16 Abs 2 Z 1 WEG geforderten negativen Voraussetzungen kumulativ auch die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG erfüllen muss. Die geplanten Maßnahmen müssen also entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (RS0083233). Die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen einer dieser zusätzlichen Voraussetzungen trägt der änderungswillige Wohnungseigentümer (5 Ob 169/18s = immolex 2019/48 [Gottardis]).

2.2. Sowohl zur „Übung des Verkehrs“ als auch zum „wichtigen Interesse“ des Wohnungseigentümers iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG liegt bereits umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor. Bei Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung kommt es danach nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie des Ausmaßes der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (RS0126244; 5 Ob 169/18s mwN). Für das wichtige Interesse des Wohnungseigentümers an einer Änderung am Objekt kommt es darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Verkehrswerts des Objekts genügen hingegen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (RS0083341 [T2, T4]; RS0083345 [T1]; RS0110977; 5 Ob 169/18s mwN).

2.3. Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer § 16 Abs 2 WEG zu unterstellenden Änderung unter den Gesichtspunkten ihrer Verkehrsüblichkeit und/oder des wichtigen Interesses daran hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RS0109643; 5 Ob 169/18s). Dabei ist den Vorinstanzen ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Solange dieser nicht verlassen wird, liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor. Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen (RS0083309 [T9, T13, T16]; RS0109643 [T10, T11]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

3.1. Das Rekursgericht ging davon aus, die Antragsteller hätten die Verkehrsüblichkeit der Verlegung des Hauseingangs nicht einmal behauptet. Nur im Sinn einer Hilfsbegründung hat das Rekursgericht noch zur Frage Stellung genommen, ob sich eine Verkehrsüblichkeit aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben könnte und dies verneint. Abgesehen davon, dass die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, grundsätzlich eine solche des Einzelfalls ist, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828), setzen die Antragsteller der Beurteilung des Rekursgerichts lediglich entgegen, es sei ihnen sehr wohl gelungen, darzulegen und nachzuweisen, dass die geplante Eingangsverlegung verkehrsüblich sei. In weiterer Folge befassen sie sich allerdings nur mit der Hilfsbegründung des Rekursgerichts ohne näher darzulegen, wo sie entgegen der Auffassung des Rekursgerichts Vorbringen zur Verkehrsüblichkeit dieser Maßnahme erstattet haben wollen. Insoweit lässt ihr Zulassungsantrag daher die gesetzmäßige Ausführung vermissen (vgl RS0042779), sodass darauf nicht einzugehen ist. Einer Auseinandersetzung mit der Hilfsbegründung des Rekursgerichts zur (mangelnden) Verkehrsüblichkeit bedarf es daher nicht.

3.2. Als wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG machten die Antragsteller nur geltend (Schriftsatz vom 29. 4. 2019, ON 6), aufgrund stark wuchernder Bepflanzung sei der Zugang eng, der neue Eingang bezwecke die Verkürzung von Distanzen und damit die Schaffung eines altersgerechten Zugangs. Die Beurteilung des Rekursgerichts, daraus lasse sich noch kein wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG ableiten, entspricht der ständigen Judikatur des Fachsenats (vgl RS0083341), wonach darin nicht jeder bloße – wenn auch verständliche oder sogar von achtenswerten Motiven getragene – Wunsch zu verstehen ist und bloße Zweckmäßigkeitserwägungen wie auch eine Steigerung des Wohn‑ und Verkehrswerts der Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht ausreichen. Die im Zulassungsantrag genannten Aspekte der Schaffung von Barrierefreiheit und der Herstellung eines funktionstüchtigen WC‑Ablaufs waren tatsächlich nicht Gegenstand von Prozessvorbringen im Verfahren erster Instanz. Dass Parteienaussagen der Antragsteller zu diesem Thema Prozessvorbringen zum wichtigen Interesse nicht ersetzen können, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0043157).

4. Insgesamt gelingt es den Antragstellern somit nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen, weshalb ihr Revisionsrekurs zurückzuweisen ist, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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