Spruch:
Die eigenmächtige, dem Wechselgesetz zuwiderlaufende Domizilierung eines Blankowechsels begrundet nicht den Gerichtsstand nach § 89 JN
OGH 26. Jänner 1976, 5 Ob 252/75 (OLG Wien 1 R 220/75; HG Wien 20 Cg 862/75)
Text
Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Beschaffung eines Barkredites in Höhe von 75.000 S. Die Parteien vereinbarten für alle Rechtsstreitigkeiten aus diesem Darlehensansuchen und die sich daraus ergebenden Rechtsbeziehungen die Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS Wien bzw. des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien. Der Beklagte akzeptierte den von der Klägerin ausgestellten Blankowechsel vom 15. Oktober 1974. In diesem Wechsel setzte die Klägerin die mit 18. Oktober 1974 fälliggestellte Wechselsumme von 12941 S ein. Weiters setzte sie in den im Formular für Domizil- und Zahlstellenvermerke bestimmten Raum des Wechsels das Wort "Wien" ein. Wien als Zahlungsort wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart.
Die Klägerin begehrte gegenüber dem im Sprengel des Kreisgerichtes St. Pölten wohnhaften Beklagten beim Handelsgericht Wien mit der am 25. Oktober 1974 eingebrachten Wechselklage unter Vorlage dieses Wechsels die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über die obgenannte Wechselsumme.
In den Einwendungen gegen diesen Wechselzahlungsauftrag bekämpfte der Beklagte unter anderem die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes, weil die Klägerin in den Blankowechsel vereinbarungswidrig Wien als Zahlungsort eingesetzt habe. Die Klägerin verwies demgegenüber auf den angeführten Kreditbeschaffungsvertrag mit der Gerichtsstandsvereinbarung.
Das Erstgericht hob seinen Wechselzahlungsauftrag vom 29. Oktober 1974 auf und wies den Antrag der Klägerin auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurück. Es hielt die seitens der Klägerin erfolgte Domizilierung des Blankowechsels mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Genehmigung des Akzeptanten für unzulässig. Diese eigenmächtige Domizilierung könne auch nicht auf die mit dem Beklagten getroffene Gerichtsstandsvereinbarung gestützt werden, weil die Vereinbarung eines Zahlungsortes den Erfüllungsort festsetze und einen anderen Inhalt und andere Folgen nach sich ziehe als eine Gerichtsstandsvereinbarung. Zudem hätten die Parteien nicht das sachlich zuständige Gericht in Wien, sondern ausdrücklich das Landesgericht für ZRS Wien bzw. das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als zuständiges Gericht vereinbart, wogegen Streitigkeiten aus einem Wechsel ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes sachlich stets vor das Handelsgericht gehörten. Die Abänderung dieser sachlichen Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung der beiden Parteien sei nach § 104 Abs. 2 JN nicht möglich. Es könnten die Parteien den vereinbarten Gerichtsstand nur für sonstige aus dem Kreditvermittlungsauftrag entspringende Rechtsstreitigkeiten heranziehen, nicht aber auch für Klagen aus einem Wechsel. Diesbezüglich sei die Zuständigkeit auf Grund des allgemeinen Gerichtsstandes des Beklagten gegeben, der im Sprengel des Kreisgerichtes St. Pölten seinen Wohnsitz habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die von der beklagten Partei erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen werde. Es vertrat auf der Grundlage des vom Erstgerichte festgestellten Sachverhaltes die Auffassung, daß die Einsetzung von Wien als Zahlungsort in den Blankowechsel durch die Klägerin nicht als unwirksam anzusehen sei. Dadurch, daß der Beklagte im Rahmen seines Darlehensansuchens einer Prozeßführung in Wien zugestimmt habe, habe er auch dargetan, daß er die Abwicklung der geschäftlichen Angelegenheiten in Wien nicht als Erschwernis ansehe. Unter Bedachtnahme auf diese Zuständigkeitsvereinbarung könne die Annahme des Blankowechsels, wenn auch der für den Domizilvermerk bestimmte Raum offenblieb, als konkludente Zustimmung des Beklagten dazu gewertet werden, daß in dem Blankowechsel als Zahlungsort Wien eingefügt werden könne. Die Klägerin habe daher zulässigerweise das Erstgericht auf der Grundlage des § 89 JN angerufen.
Über den Revisionsrekurs des Beklagten stellte der Oberste Gerichtshof den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Grundlage für die Inanspruchnahme des Wahlgerichtsstandes nach § 89 JN ist es, daß es sich bei dem angerufenen Gerichte um das Gericht des Zahlungsortes handelt. Im Falle der nachträglichen Domizilierung des Blankowechsels durch den Inhaber ist mangels einer diesbezüglichen Vereinbarung davon auszugehen, daß nur eine Ausfüllung in verkehrsüblicher Art als zulässig angesehen werden kann, das heißt eine solche, die keine Erschwerung der Lage des Akzeptanten nach sich zieht (vgl. SZ 9/188; Kapfer, Handkommentar, 65). Auch eine schlüssige Zustimmung des Wechselakzeptanten zu einer derartigen nachträglichen Domizilierung kann nur unter diesen Gesichtspunkten beurteilt werden. Im Zweifel ist der Wechselnehmer nicht zur Beifügung eines Domizils befugt. Der Annehmer darf damit rechnen, daß der Wechsel bei ihm zur Zahlung vorgelegt wird (vgl. Stranz, Wechselgesetz[14], 79; Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[11], 92), wie es der Natur einer Wertpapierverbindlichkeit als Holschuld entspricht. Es ist daher dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß der Auffassung Stanzls (Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 47) nicht gefolgt werden kann, wonach eine offene Stelle im Vordruck für den Domizilierungszweck die schlüssige Einräumung der Befugnis zur Domizilierung darstellen soll. Von der Bedeutung der im Kreditvermittlungsauftrag hinsichtlich des Landesgerichtes für ZRS Wien bzw. des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien erfolgten Gerichtsstandsvereinbarung abgesehen muß der Annahme einer schlüssigen Zustimmung des Beklagten als Wechselakzeptanten zur nachträglichen Bestimmung des Zahlungsortes Wien entgegenstehen, daß damit eine Erschwerung seiner Lage herbeigeführt wurde, die nicht nur hinsichtlich der Prozeßführung entstand. Die Verpflichtung aus dem Wechsel wandelt sich im Falle einer Festsetzung des Zahlungsortes an einem anderen als dem Wohnort des Bezogenen und Akzeptanten aus der im Art. 38 Abs. 1 WG festgelegten Holschuld in eine Bringschuld mit den daraus resultierenden Nachteilen für den Wechselverpflichteten. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann sohin aus der Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen des Kreditvermittlungsauftrages noch nicht schlüssig auch die Zustimmung zur nachträglichen Domizilierung des Blankowechsels an einen anderen Ort als den Wohnort des Beklagten angenommen werden. Mangels einer zulässigen Feststellung des Zahlungsortes Wien fehlt es an einer Grundlage für die allein in Betracht zu ziehende Annahme der örtlichen Zuständigkeit der Erstgerichtes zufolge des Gerichtsstandes nach § 89 JN.
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