Normen
Außerstreitgesetz §114 (2)
Außerstreitgesetz §114 (2)
Spruch:
Daß auf Verlangen eines hiezu Berechtigten ein Inventar errichtet worden ist, hindert nicht die Annahme des vom unbedingt erbserklärten Erben erstatteten eidesstättigen Vermögensbekenntnisses durch das Abhandlungsgericht.
Entscheidung vom 8. Oktober 1969, 5 Ob 249/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Testamentserbe Kurt S. gab zum Nachlaß der verstorbenen Anna S. die unbedingte Erbserklärung ab. Auf Antrag der pflichtteilsberechtigten erblasserischen Tochter Helene M. wurde ein Inventar errichtet. Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluß des Erstgerichtes vom 14. Mai 1968 wurde dieses Inventar mit Aktiven von 320.445.85 S und Passiven von 869 S, sohin mit einem Reinnachlaß von
319.576.89 S, zu Gericht angenommen.
Am 18. April 1969 überreichte der Alleinerbe ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis, worin zwar die Aktiven ebenfalls mit dem Betrag von 320.445.85 S, jedoch die Passiven mit 80.642.08 S und daher ein Reinnachlaß von 239.803.81 S aufscheinen.
Mit Punkt 1 des Beschlusses des Erstgerichtes vom 6. Mai 1969 wurde dieses Vermögensbekenntnis der Abhandlung zugrunde gelegt; gleichzeitig wurde die Einantwortungsurkunde erlassen.
In ihrem Rekurs gegen diesen Beschluß begehrte die Pflichterbin, das rechtskräftig angenommene Inventar der Abhandlung zugrunde zu legen.
Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Beschluß in seinem angefochtenen Umfang auf. Es vertrat die Rechtsauffassung, aus § 114
(2) AußStrG. ergebe sich im Zusammenhang mit § 807 (2) ABGB., daß in Fällen, wo ein Inventar errichtet werden müsse, auf ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis nicht mehr Rücksicht zu nehmen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Testamentserben Kurt S. Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 114 AußStrG. ordnet in seinem zweiten Absatz an, daß im Fall einer unbedingten Erbserklärung das eidesstättige Vermögensbekenntnis der Abhandlungspflege anstatt des Inventars zugrunde zu legen ist. Diese Vorschrift wird durch § 807 (2) ABGB. nicht aufgehoben. Die letztere Bestimmung ordnet an, daß außer dem im ersten Absatz vorgesehenen Fall von gleichzeitig abgegebenen unbedingten und bedingten Erbserklärungen auch in allen Fällen, in denen ein Inventar errichtet werden muß, auch derjenige, der eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hat, die Rechtswohltat des Inventariums genieße. Diese Vorschrift regelt die künftige Haftung des unbedingt erbserklärten Erben in derartigen Fällen, sagt aber nichts darüber, daß der Abhandlung das Inventar an Stelle des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses zu Gründe zu legen wäre. Daher hindert die Tatsache, daß auf Begehren einer dazu berechtigten Person die Aufnahme eines Inventars erfolgt, keineswegs die Annahme des Vermögensbekenntnisses durch das Abhandlungsgericht (Weiß in Klang[2] III 981). Durch den Erstrichter wurde daher in keiner Weise in die Rechte der Noterbin eingegriffen. Über die Aktiven besteht kein Streit, sondern lediglich über die Höhe der Nachlaßpassiven, deren Verzeichnung aber keine endgültige Bindung zukommt, gleichgültig, ob und in welcher Höhe sie in das Inventar oder in das Vermögensbekenntnis Aufnahme fanden. Die Noterbin wird nicht daran gehindert werden können ihren Pflichtteilsanspruch, den sie durch Anführung angeblich nicht gerechtfertigter Nachlaßaktiven beeinträchtigt glaubt, im Klagewege geltend zu machen (§ 162 AußStrG.).
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