Spruch:
Zum Aussonderungsrecht des Vorbehaltsverkäufers an der verkauften Sache im Konkurs.
Entscheidung vom 30. August 1961, 5 Ob 248/61.
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach den Behauptungen der Klage hat Ernst H. vom Kläger im Sinne des Vertrages vom 2. Jänner 1958 Schnittwaren und Textilien Gesamtbetrag von 27.727 S gekauft und bezogen. Die Forderung war bis längstens 31. März 1959 fällig, und gemäß Punkt 1 des Vertrages sollte die Ware bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum des Verkäufers bleiben. Da Ernst H. seinen Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nachkam, mußte gegen ihn eine Klage eingebracht werden, und er wurde mit Anerkenntnisurteil vom 2. Oktober 1959 zur Zahlung eines Betrages von 25.568 S 76 g und mit nachfolgendem Versäumungsurteil vom 19. November 1959 zu 5% Zinsen aus 25.568 S 76 g seit 1. April 1959 und Prozeßkosten von 587 S 56 g verurteilt. Beide Urteile sind rechtskräftig. Infolge von Teilzahlungen beträgt das aushaftende Kapital noch 20.578 S 76 g. Einschließlich der Zinsen und Prozeßkosten beträgt die Forderung des Klägers 22.260 S 32 g. Diese Forderung meldete der Kläger im Konkursverfahren Ernst H. als Ab- bzw. Aussonderungsanspruch an und beantragte hilfsweise, die Forderung in der dritten Klasse zu berücksichtigen. Bei der Prüfungstagsatzung vom 24. November 1960 wurde die Forderung vom Masseverwalter bestritten und vom Konkurskommissär eine Klagefrist von vier Wochen bestimmt. Der Kläger begehrt, festzustellen, daß die Forderung der klagenden Partei wider die beklagte Konkursmasse im Betrag von 22.260 S 32 g als Ab- bzw. Aussonderungsanspruch zu Recht bestehe. Ferner wird das Eventualbegehren gestellt, festzustellen, daß die Forderung der klagenden Partei wider die beklagte Partei im Betrag von 22.260 S 32 g in der dritten Klasse der Konkursgläubiger zu Recht bestehe.
In der Streitverhandlung brachte der Kläger noch vor, daß der beklagten Partei laut Vertrag vom 2. Jänner 1958 Waren zum kommissionsweisen Verkauf übergeben worden seien, welche nach der Parteienvereinbarung bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum der klagenden Partei bleiben sollten und worüber im Vertrag eine Liste errichtet worden sei. Laut Angabe des Gemeinschuldners seien vor Einleitung des Insolvenzverfahrens noch 80% der übergebenen Ware vorhanden gewesen, und es sei auch zur Zeit der Klageeinbringung noch teilweise Ware vorhanden gewesen oder erst im Zuge des Insolvenzverfahrens verkauft worden. Auf Grund dieses Vorbringens stellte der Kläger das weitere Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß hinsichtlich der noch vorhandenen Kommissionswaren der klagenden Partei ein Ab- oder Aussonderungsanspruch zustehe. Die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei diese Ware oder einen allfälligen, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Erlös herauszugeben, all das binnen 14 Tagen bei Exekution.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Hauptbegehrens und der Eventualbegehren, stellte jedoch das gesamte Klagevorbringen außer Streit. Außerdem wurde außer Streit gestellt, daß die in der Klage geltend gemachte Forderung der klagenden Partei im Konkursverfahren in der dritten Klasse der Konkursgläubiger festgestellt worden ist.
Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil, welches von der klagenden Partei hinsichtlich der Abweisung des ersten Eventualbegehrens nicht angefochten worden war, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist zwar ohne Bedeutung, daß der Kläger als beklagte Partei statt des Masseverwalters unrichtig die Konkursmasse des Gemeinschuldners Ernst H. bezeichnet hat. Dadurch wird nicht, wie in der Revisionsbeantwortung behauptet wird, der Mangel der Passivlegitimation begrundet, sondern es liegt nur eine unrichtige Parteibezeichnung vor, die dem Kläger nicht schaden kann (EvBl. 1957 Nr. 82 u. v. a.).
Im übrigen beruht die Klage auf einer vollkommenen Verkennung der Bestimmungen der Konkursordnung, indem sie davon ausgeht, dem Verkäufer von Waren gegen Eigentumsvorbehalt stehe ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht hinsichtlich des fakturierten Kaufpreises im Konkurs zu. Das Recht des Vorbehaltsverkäufers an der verkauften Sache im Konkurs ist nach der neueren Rechtsprechung ein Aussonderungsrecht (SZ. XVIII 144, JBl. 1957 S. 218, 5 Ob 365/58 u. a.). Der Verkäufer kann es geltend machen, solange der Käufer den Vertrag noch nicht erfüllt hat und demnach der Eigentumsvorbehalt noch nicht erloschen ist, indem er vom Vertrag zurücktritt und unter Inanspruchnahme seines Aussonderungsrechtes die Herausgabe der Sache verlangt, wobei der Rücktritt auch durch die Anbringung der Klage erklärt werden kann. Aber das Aussonderungsrecht besteht an der verkauften Sache und nicht an der Fakturensumme. Wird die Sache vor der Konkurseröffnung veräußert, so ist der Geltendmachung des Aussonderungsrechtes überhaupt der Boden entzogen (SZ. XIV 56). Im Falle der Veräußerung nach Konkurseröffnung gewährt allerdings § 44 Abs. 2 KO. einen Anspruch auf Ersatzaussonderung des für die Sache geleisteten Entgeltes. Aber auch hier erstreckt sich der Aussonderungsanspruch nicht auf den vom Vorbehaltsverkäufer fakturierten Betrag, sondern auf den beim Verkauf erzielten Erlös. Dieser Aussonderungsanspruch setzt ferner voraus, daß die Sache entweder durch den Masseverwalter verkauft wurde oder daß der beim Verkauf durch den Gemeinschuldner erzielte Erlös in die Istmasse gelangt ist (Bartsch - Pollak, KO., AO., AnfO., 3. Aufl. I S. 269 Anm. 27 ff. zu § 44 KO.). Aber auch in diesem Fall kann die Ausübung des Aussonderungsrechtes nicht in der Geltendmachung einer Geldforderung in der Höhe des Erlöses gegen die Konkursmasse erfolgen, sondern es kann nur der konkrete, in der Masse noch vorhandene und individualisierbare Leistungsgegenstand ausgesondert werden (5 Ob 543/59; Bartsch - Pollak a. a. O.). Ist dies nicht mehr möglich, weil der erzielte Erlös bereits mit dem anderen Geld der Masse vermengt wurde, so gibt es keinen Aussonderungsanspruch mehr, sondern nur allenfalls die Geltendmachung einer Masseforderung, wenn die Vermengung durch den Masseverwalter geschehen ist (§ 46 Abs. 1 Z. 2 KO.) oder wenn die Masse grundlos bereichert wurde (§ 46 Abs. 1 Z. 5 KO.; Bartsch - Pollak a. a. O.). Der Kläger hätte daher, um eine die Konkursquote der Konkursgläubiger dritter Klasse übersteigende Geldforderung geltend machen zu können, behaupten und unter Beweis stellen müssen, daß eine Reihe bestimmt bezeichneter Waren nach der Konkurseröffnung vom Masseverwalter oder aber zwar vom Gemeinschuldner, aber unter Zuwendung des Entgeltes an die Masse, verkauft wurde, daß hiebei ein bestimmter Erlös erzielt wurde, daß dieser Erlös noch in der Masse abgesondert von den anderen Geldern der Masse verwahrt wird, oder aber, daß ihm im Falle der Vermengung des Geldes mit anderem Geld eine Masseforderung aus dem Gründe des § 46 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 5 KO. zustehe.
All dies wurde vom Kläger nicht behauptet, sondern die Klage auf dem verfehlten Standpunkt aufgebaut, es stehe ihm aus dem Titel der Aus- oder Absonderung eine Forderung gegen die Masse in der Höhe des Fakturenbetrages zu. Nun ist es zwar richtig, daß die Bestimmung des § 182 Abs. 1 ZPO. auch im Anwaltsprozeß gilt. Aber so weit geht die Anleitungspflicht des Richters nicht, daß er verpflichtet wäre, den Kläger zum Ersatz einer vollkommen verfehlten Klage durch ein nach der Rechtslage notwendiges Vorbringen und zur Änderung des Klagebegehrens, also zu einer Klageänderung, anzuleiten. Überdies hat der Kläger in der Revision selbst behauptet, daß er gar nicht in der Lage wäre, festzustellen, welche Stücke nach der Konkurseröffnung verkauft wurden. Eine Anleitung des Erstrichters im Sinne des § 182 Abs. 1 ZPO. hätte daher, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, erfolglos bleiben müssen.
Es war daher schon aus diesen Gründen das im Ergebnis vollkommen der Rechtslage entsprechende Urteil der zweiten Instanz zu bestätigen, ohne daß es notwendig war, auf den Revisionsgrund des § 503 Z. 3 ZPO., der die für die Entscheidung bedeutungslose Auslegung der Außerstreitstellung in der Streitverhandlung betrifft, sowie darauf einzugehen, ob der vom Berufungsgericht vertretene Standpunkt richtig ist, daß das Feststellungsbegehren schon wegen des Mangels des Interesses an der alsbaldigen Feststellung abzuweisen gewesen wäre, welcher Standpunkt allerdings zumindest einem Teil der Rechtslehre widerspricht (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 268 Anm. 19 zu § 44 KO. und die dort angegebene Literatur).
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