OGH 5Ob246/69

OGH5Ob246/6912.11.1969

SZ 42/170

Normen

HGB §52
Handelsgesetzbuch §127 Handelsgesetzbuch §146
HGB §52
Handelsgesetzbuch §127 Handelsgesetzbuch §146

 

Spruch:

Die einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag erteilte Prokura kann aus wichtigen Gründen widerrufen werden.

Entscheidung vom 12. November 1969, 5 Ob 246/69.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Außer Streit steht, daß die Streitteile am 1. April 1966 einen Gesellschaftsvertrag zum Betrieb der S.-KG. schlossen, nach dessen Inhalt die Klägerin Kommanditistin und der Beklagte Komplementär dieser Gesellschaft sind.

In der vorliegenden Klage behauptet die Klägerin, daß der Beklagte die ihr auf Grund des Gesellschaftsvertrages erteilte Prokura vertragswidrig und grundlos widerrufen habe. Die Klägerin habe bisher im Rahmen ihrer Prokura die wesentlichen Agenden der Gesellschaft geführt, nunmehr hindere der Beklagte ihre weitere Tätigkeit. Er selbst führe das Geschäft nicht ordentlich, es bestehe daher eine Gefahr für die Gesellschaft und das damit zusammenhängende Vermögen. Die Stellung der Klägerin im Unternehmen der Kommanditgesellschaft gehe weit über die einer Kommanditistin hinaus, da sie auf Grund eines mit der Vormieterin eines Geschäftslokals der Kommanditgesellschaft geschlossenen Leibrentenvertrages persönlich für die von der Kommanditgesellschaft zu zahlende Leibrente hafte. Der Widerruf der Prokura widerspreche dem Gesellschaftsvertrag auch insofern, als darin für jede Änderung des Vertrages die Schriftlichkeit vorbehalten worden sei. Dem Beklagten sei es daher nach dem Vertrag verwehrt, der Klägerin die Prokura zu entziehen. Sie beantrage deshalb, den Beklagten schuldig zu erkennen, als Geschäftsführer der S.-KG. beim Handelsregister in handelsregistermäßig legalisierter Form zu erklären, daß er der Klägerin die Prokura erteilt habe und die Eintragung der Prokura für die Klägerin hinsichtlich der S.-KG. beantrage.

Der Beklagte gab als richtig zu, der Klägerin auf Grund des Gesellschaftsvertrages die Prokura erteilt zu haben. Es sei jedoch unrichtig, daß die Klägerin wesentliche Agenden der Gesellschaft geführt habe, dazu hätte ihr auch eine entsprechende Ausbildung gefehlt. Sie habe lediglich als Ehefrau des Beklagten im Unternehmen mitgearbeitet. Inzwischen sei die Ehe der Streitteile geschieden worden. Der Beklagte habe deshalb und wegen der in diesem Scheidungsverfahren und nachher aufgetretenen Vorkommnisse gemäß § 52 HGB, die Prokura widerrufen. Der Beklagte sei aber nicht verpflichtet, für den Widerruf der Prokura einen Grund anzuführen, die Klägerin habe keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Prokura.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Beide Untergerichte waren der Auffassung, daß der persönlich haftende Gesellschafter auch die einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Prokura jederzeit widerrufen könne, weshalb der Kommanditist nicht auf Belassung der Prokura klagen könne. Der Beklagte sei als einziger persönlich haftender Gesellschafter für die S.-KG. vertretungs- und zeichnungsbefugt; er sei daher auch berechtigt gewesen, die der Klägerin als Kommanditistin erteilte Prokura gemäß § 52 Abs. 1 HGB. ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit zu widerrufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Auffassung der Untergerichte, daß auch die einem Kommanditisten auf Grund des Gesellschaftsvertrages erteilte Prokura jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden könne, nicht anzuschließen. Gemäß § 52 (1) HGB. ist die Prokura ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruches auf die vertragsmäßige Vergütung. Mit Rücksicht auf diese zwingende Vorschrift des Gesetzes kann auf die Widerruflichkeit der Prokura mit Wirkung gegen Dritte überhaupt nicht verzichtet werden (vgl. RGR. Komm.[3] Anm. 1 zu § 52 HGB. I S. 554). Dieses Verbot kann auch durch Abmachungen zwischen dem Geschäftsherrn und dem Prokuristen nicht geändert werden (Schlegelberger, HGB.[4] I S. 296). Daher kann grundsätzlich der Prokurist dem Widerruf der Prokura nicht wirksam begegnen; er hat insbes. kein Klagerecht auf Fortsetzung des Prokuraverhältnisses (Hämmerle, Handelsrecht[2] I S. 213). Durch § 52 (1) HGB. wird jedoch das Recht der Gesellschafter, im Innenverhältnis Vereinbarungen über die Bestellung oder Belassung von Prokuristen zu treffen, nicht berührt (RGR. Komm. a. a. O.). Eine solche interne Bindung hat allerdings keine äußere Wirkung, daher ist der entgegen einer solchen Vereinbarung der Gesellschafter von einem vertretungsbefugten Organ der Gesellschaft bzw. im Fall einer Kommanditgesellschaft der vom einzigen persönlich haftenden Gesellschafter erklärte Widerruf der Prokura rechtswirksam, und es muß seinem entsprechenden Antrag auf Löschung der Prokura im Handelsregister ohne weiteres stattgegeben werden (vgl. SZ. XXIII 91, ebenso 1 Ob 133/52, 2 Ob 473, 474/54).

Im vorliegenden Fall handelt es sich aber darum, ob nach dem Gesellschaftsvertrag, also nach den intern gestalteten Rechtsverhältnissen, die Klägerin als Gesellschafterin (Kommanditistin) gegenüber dem Beklagten als dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter Anspruch auf Erteilung der Prokura der Gesellschaftsfirma hat.

Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages "an Frau Waltraud S. wird Prokura erteilt" läßt nur die Auslegung zu, daß nach dem Willen der Gesellschafter der Kommanditistin damit Prokura erteilt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob diese Vereinbarung einer zwingenden gesetzlichen Vorschrift widerspricht und deshalb rechtlich unwirksam ist. Wie schon ausgeführt, sind allerdings Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsherrn und dem Prokuristen über eine Beschränkung des Rechtes des Geschäftsherrn zum jederzeitigen Widerruf der Prokura unwirksam. Diesfalls ist aber keine Vereinbarung zwischen dem persönlich haftenden Gesellschafter und einem Prokuristen, der nicht zugleich auch Gesellschafter ist, sondern eine solche zwischen den beiden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft zu beurteilen. Gemäß § 170 HGB. ist der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt. Diese Vorschrift besagt aber keineswegs, daß einem Kommanditisten nicht Handlungsvollmacht oder Prokura erteilt werden dürfte. Nach § 116 HGB. in Verbindung mit § 161 HGB. erstreckt sich die Befugnis des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft zur Geschäftsführung auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Dennoch kann durch eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis dem persönlich haftenden Gesellschafter der Auftrag zur Vornahme oder Unterlassung bestimmter Rechtshandlungen erteilt werden (Weipert in RGR. Komm.[2] Anm. 11 und 15 zu § 164 HGB., II. Bd. S. 586 ff.). Es muß in einem solchen Fall den Gesellschaftern offenstehen, die Zuhaltung ihrer rechtswirksamen Vereinbarung zu verlangen und im Klageweg durchzusetzen, solange die Vereinbarung in dieser Richtung aufrecht ist. Freilich kann der geschäftsführende Gesellschafter jederzeit nach außen Rechtshandlungen setzen, die im Widerspruch zu dem ihm erteilten Auftrag stehen; er verstößt damit aber gegen die Vereinbarung mit den übrigen Gesellschaftern, die daher berechtigt sind, vom geschäftsführenden Gesellschafter die Zuhaltung der Vereinbarung zu begehren. In diesem Sinn können sich also die Gesellschafter intern rechtswirksam einigen, daß einem Dritten, aber auch einem Kommanditisten, die Prokura erteilt wird. Durch eine solche Vereinbarung wird in keiner Weise die Vertretungsbefugnis des persönlich haftenden Gesellschafters und sein Recht, nach außen die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen, also auch allenfalls eine bereits erteilte Prokura zu widerrufen, beschränkt. Es besteht jedoch kein Grund, den übrigen Gesellschaftern das Recht abzusprechen, vom geschäftsführenden Gesellschafter im Fall eines bereits erfolgten vertragswidrigen Widerrufes der Prokura ihre Wiedererteilung zu verlangen.

Zur Bejahung des Klagerechtes des Kommandisten auf Belassung seiner ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Prokura gelangt auch die von den Untergerichten mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27. Juni 1955, 17. Bd. Nr. 58, S. 392 ff. Diese Entscheidung beruht auf der Überlegung, daß die Vorschrift des § 52 (1) HGB. für die einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag erteilte Prokura nicht gelte, weil die solcherart einem Kommanditisten erteilte Vertretungsmacht eher einer Handlungsvollmacht des Gesellschafters als der üblicherweise einem Angestellten erteilten Prokura vergleichbar sei. Es besteht kein Grund, den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Überlegungen nicht auch für den österreichischen Rechtsbereich beizutreten, zumal die Rechtslage im maßgeblichen Bereich in beiden Rechtsordnungen völlig übereinstimmt und die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes durchaus nicht im Widerspruch zu bereits ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes steht, da bisher - soweit überprüft werden kann - nur die Frage zu lösen war, ob auf Grund einer Anmeldung des geschäftsführenden Gesellschafters, er habe die einem Kommanditisten erteilte Prokura widerrufen, die Prokura im Handelsregister auch dann zu löschen ist, wenn er dazu intern nicht berechtigt war. Sowohl die angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofes als auch der Oberste Gerichtshof (vgl. SZ. XXIII 91, ebenso 2 Ob 473, 474/54) gelangten übereinstimmend zur Bejahung dieser Frage.

Da gemäß § 117 HGB. sogar einem geschäftsführenden Gesellschafter die Befugnis zur Geschäftsführung entzogen werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, muß dies umso mehr für die einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag erteilte Prokura gelten. Diesbezüglich behauptet nun der Beklagte, immerhin wichtige Gründe für den von ihm erklärten Widerruf der Prokura der Klägerin gehabt zu haben. Die Sache kann daher nicht entschieden werden, bevor hierüber Feststellungen vorliegen. Allerdings wird der Beklagte zunächst anzuleiten sein, seine Behauptungen in dieser Richtung entsprechend zu konkretisieren. Da die Untergerichte seiner Rechtsauffassung beigetreten waren, daß er die der Klägerin erteilte Prokura jederzeit und auch grundlos widerrufen könne, hatten die Untergerichte keine Veranlassung zu einer entsprechenden Anleitung des Beklagten und zu einer Feststellung des Sachverhaltes in dieser Richtung. Aus den angeführten Gründen vermag der Oberste Gerichtshof dieser Auffassung aber nicht zu folgen, weshalb das angefochtene Urteil und jenes des Erstgerichtes aufzuheben waren und die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen war. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß der Beklagte keinen wichtigen Grund zum Widerruf der der Klägerin erteilten Prokura hatte, wird also der Anspruch der Klägerin auf neuerliche Erteilung der Prokura und deren Anmeldung zum Handelsregister zu bejahen sein. In diesem Fall wird aber dem Klagebegehren, das im Zusammenhalt mit dem Klagevorbringen, die Klägerin müsse auf der sofortigen Widererteilung der Prokura bestehen, im Sinne der Geltendmachung dieses Anspruches zu verstehen ist, eine diesem Anspruch Rechnung tragende Fassung zu geben sein, sofern es nicht von der Klägerin selbst entsprechend neu formuliert werden sollte.

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