Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Sachbeschluß wird dahin abgeändert, daß es darin statt "zur Hälfte ausgenommen" nunmehr "zu vier Fünfteln ausgenommen" zu heißen hat.
Text
Begründung
Die Parteien sind die bücherlichen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit den Anschriften D*****straße 60 und 62 (ein Eingang), S*****straße 40 sowie B*****straße 37 und 39. Es gibt insgesamt 3 Lifte, nämlich je einen im Haus B*****straße 37, B*****straße 39 und S*****straße 40.
Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer der beiden im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokale. Nach dem bestehenden Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag sind die Aufwendungen für die Liegenschaft grundsätzlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Eine abweichende Vereinbarung kam hinsichtlich der Kosten der Liftanlage nicht zustande.
Mit ihrem am 24.3.1994 eingebrachten Antrag begehren die Antragsteller die Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für die Kosten der Liftanlage, sodaß sie als Eigentümer der beiden Geschäftslokale weder mit Betriebs- noch mit Erhaltungskosten belastet werden. Die Lokale seien derart situiert, daß sie von der Nutzung der gemeinsamen Liftanlage ausgeschlossen seien, und direkt straßenseitig erreichbar. Zur Benützung der Liftanlage müßten sie einen eigenen Hauseingang betreten, wofür keine Veranlassung bestehe. In den Häusern S*****straße 40 und B*****straße 37 gebe es gar keine Gemeinschaftsräume. Im Haus B*****straße 39 müßten von den Lokalen aus erst Niveaustufen überwunden werden, um überhaupt zum Lift zu gelangen; eine Liftbenützung sei daher sinnlos.
Die sich am Verfahren beteiligenden Antragsgegner begehrten Antragsabweisung. Die Antragsteller hätten objektiv die Möglichkeit, die Liftanlage für das Erreichen der allgemein zugänglichen Hausteile (Dachboden, Keller, Schutzräume, Waschküche) zu benützen. In der zweiten Parkebene seien Starkstromleitungen für die Geschäftslokale installiert, bei dessen Wartung der Lift benützt werden könnte. Für sämtliche Lifte sei ein Generalschlüssel für alle Miteigentümer vorhanden. Im 2.Tiefgeschoß seien gemeinschaftliche Waschräume sowie im 3.Tiefgeschoß die Schutzräume. Die in den Lokalen, die an ein Sonnenstudio vermietet seien, benützten Handtücher könnten in der Waschküche gewaschen und könnte hiezu der Lift benützt werden. Ein erheblicher Unterschied in der Nutzungsmöglichkeit liege nicht vor. Sämtliche Hausbewohner hätten das Problem, daß sie erst ein Halbgeschoß überwinden müßten, um sinnvoll den Lift benützen zu können.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragsteller ab. Es ging hiebei von folgenden (zusammengefaßten) Feststellungen aus:
In der Wohnhausanlage gibt es an Gemeinschaftsräumen jeweils Fahrrad-, Kinderwagenabstellplätze gleich auf Höhe der Hauseingänge, einen Müllraum in der Tiefgaragenebene 1 des Hauses S*****straße 30 sowie einen Wasch- und Trockenraum, Wartungsräume und Kellerabteile in den Untergeschoßen des Hauses B*****straße 39. Alle Wohnungseigentümer haben Generalschlüssel zu sämtlichen Stiegenhäusern und Gemeinschaftsräumen.
Auf Höhe der Tiefgaragenebene 1 des Hauses S*****straße 40 liegen sowohl der Müllraum als auch die Tiefgaragenparkplätze der Antragsteller und die Seiteneingänge zu den Geschäftsräumen der Antragsteller. Von diesen Geschäftsräumen kann man ohne Niveauüberwindung durch die Tiefgarage zum Müllraum gelangen.
Auf der Vorderseite sind die Geschäftsräume der Antragsteller durch einen eigenen Geschäftseingang an der Kreuzung D*****straße/B*****straße ebenerdig zu betreten. Der diesen Geschäftsräumen nächstgelegene Lift ist jener im Haus B*****straße 39, zu dem man durch den Geschäftseingang hinaus über den Gehsteig gelangt. In diesem Haus müssen die Wohnungseigentümer jeweils zuvor einen Halbstock überwinden, um den Lift benützen zu können, also etwa vom Hauseingang aus entweder 10 Stufen hinauf (zur ersten Tiefgaragenebene) oder 17 Stufen hinunter zur zweiten Tiefgaragenebene (= Liftausgang K 1) gehen.
In dieser zweiten Tiefgaragenebene (K 1) befindet sich der gemeinsame Wasch- und Trockenraum sowie der Heizraum samt der Warmwasseraufbereitung; im Waschraum befinden sich auch die nachträglich eingebauten Warmwasseranschlüsse, in einem weiteren Raum die Wandlermessung (ESG-Zähler) jeweils für die Geschäftsräume der Antragsteller sowie in einem kleinen Raum ein Unterverteilerkasten und weiters die Telefonleitungen.
Im tiefsten Geschoß (= Liftausgang K 2) befinden sich die Kellerabteile für die Wohnungen, nicht aber für die Geschäftsräume. Daneben sind keine Schutzräume ausgeführt, sondern sind freigebliebene Flächen in offenen, gemauerten Nischen vorhanden.
Eine objektive Nutzungsmöglichkeit dieses Liftes durch die Antragsteller besteht insbesondere für den Wasch- und Trockenraum, indem man etwa beim Transport der Wäsche einen Stock hinauffährt und sodann 10 Stufen zum Hauseingang hinuntergeht.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, es bestünden keine so erheblichen Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit, daß eine Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels gerechtfertigt wäre. Es komme nur auf die objektive Nutzungsmöglichkeit an; diese sei aber etwa hinsichtlich des Wasch- und Trockenraumes für die Antragsteller gegeben, wofür die derzeitige Vermietung an ein Sonnenstudio ein gutes Beispiel sei, weil hier in großer Menge zu waschende Handtücher anfallen würden, die vom Wasch- und Trockenraum über den Lift zum Geschäft transportiert werden könnten. Aber auch hinsichtlich der Wartungsräume sei eine objektive Nutzungsmöglichkeit des Liftes gegeben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller teilweise Folge und setzte den Aufteilungsschlüssel für die Kosten der Liftanlage in der Weise fest, daß die beiden Antragsteller als Wohnungseigentümer ihrer beiden im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokale ab 1.4.1994 von den nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu bezahlenden Betriebs- und Erhaltungskosten der Liftanlage zur Hälfte ausgenommen werden und die übrigen Wohnungseigentümer diese Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen haben. Das Rekursgericht sprach weiters aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs - mangels erheblicher Rechtsfrage - nicht zulässig sei. Zur Rechtsrüge führte es folgendes aus:
Gemäß § 19 Abs 1 WEG idF der 3.WÄG seien die Aufwendungen für die Liegenschaft von den Miteigentümern grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen. Nach Abs 3 Z 1 dieser Bestimmung könne aber das Gericht auf Antrag eines Miteigentümers nach billigem Ermessen den Aufteilungsschlüssel bei Vorliegen erheblicher Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit neu festsetzen.
Maßstab sei dabei nach wie vor die objektive Nutzungsmöglichkeit, während der Umfang der tatsächlichen Benützung nicht maßgebend sei. Die Beurteilung der objektiven Nutzungsmöglichkeit habe nach der Verkehrsauffassung bzw danach zu geschehen, was dem objektiv nachvollziehbaren vernünftigen Gebrauch diene. Bezüglich der Nutzungsmöglichkeiten einer Liftanlage erschienen Unterschiede nach der verschiedenen Stockwerkslage einzelner Objekte allein für einen abweichenden Aufteilungsschlüssel nicht gerechtfertigt.
Ein Personenaufzug komme jedoch auch dann nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig gleich zugute, wenn die objektive Nutzungsmöglichkeit erheblich hinter der anderer Miteigentümer zurückbleibe. Eine unverhältnismäßig geringere Nutzung bestehe etwa, wenn nur die Erreichung zB des Kellers durch Personen geboten werde. So sei in der Judikatur die objektiv unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit von Liften durch die Eigentümer von im Parterre gelegenen Objekten bejaht worden, soweit die Liftbenützung lediglich zur Erreichung des Kellergeschoßes oder des Dachbodens erforderlich gewesen sei. In diesem Fall seien jene Eigentümer, die nur zur gelegentlichen Nutzung allgemeiner Teile des Hauses die Liftanlage benützten, zwar nicht zur Gänze von den Aufzugskosten befreit, sondern mit einem geringfügigeren Prozentsatz an den Gesamtkosten der Liftanlage zu beteiligen.
Zu berücksichtigen sei weiters, daß die Rechtsprechung Unterschiede nach der verschiedenen Stockwerkslage der einzelnen Wohnungen nicht für ausreichend erachte, einen abweichenden Aufteilungsschlüssel fetzusetzen, so daß das Rekursgericht bezüglich der Nutzungsmöglichkeit der Liftanlage auch Unterschiede nach der verschiedenen Lage der einzelnen Räume in den Kellergeschoßen nicht für ausreichend erachte, um einen abweichenden Aufteilungsschlüssel rechtfertigen zu können. Zum Erreichen der jeweiligen Räume in den Kellergeschoßen bestehe daher eine verhältnismäßig ungefähr gleiche Nutzungsmöglichkeit der Liftanlage. Die in der zweiten Tiefgaragenebene (K 1) gelegenen Wasch- und Trockenräume sowie Wartungsräume kämen allen Wohnungseigentümern, vor allem aber den Antragstellern als Eigentümer der Geschäftslokale, zugute, zudem könnten die Antragsgegner die Liftanlage typischerweise zum Erreichen ihrer im tiefsten Kellergeschoß (K 2) gelegenen Kellerabteile nutzen.
Darüber hinaus hätten jedoch die Antragsgegner - im Gegensatz zu den Antragstellern - eine weitere und damit eine erheblich größere Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der Liftanlage. Diese diene nämlich den Antragsgegnern zudem der typischen Nutzung zum Erreichen ihrer ober dem Erdgeschoß befindlichen Wohnungen. Insoweit hätten die Antragsteller keine vernünftige Nutzungsmöglichkeit, weil sich die Geschäftslokale der Antragsteller im Parterre befänden und sowohl von der Straße als auch von der Tiefgarage her ohne Niveauüberwindung erreichbar seien.
Veranschlage man nun bei dem nach billigem Ermessen (§ 273 ZPO) festzusetzenden Aufteilungsschlüssel für die Liftanlage die Möglichkeit der Antragsgegner zum Erreichen ihrer Wohnungen durch die Liftanlage mit rund 50 % der gesamten objektiven Benützungsmöglichkeit sowie die Möglichkeit zur Nutzung der Liftanlage zum Erreichen der Kellergeschoße K 1 und K 2 ebenfalls mit rund 50 %, so zeige sich, daß die Antragsteller, die die Liftanlage vernünftigerweise nur zum Erreichen der Räume in den Kellergeschoßen benötigten, eine objektive Nutzungsmöglichkeit an der Liftanlage nur im Ausmaß einer Hälfte gegenüber der Gesamtnutzungsmöglichkeit der übrigen Wohnungseigentümer hätten. Das Rekursgericht sehe sich daher gezwungen, die Antragsteller bloß zur Hälfte an den - grundsätzlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu bezahlenden - Gesamtkosten zu beteiligen, während für die übrigen Kosten die Antragsgegner nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile aufzukommen hätten.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller (erkennbar) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß ihrem Sachantrag vollinhaltlich stattgegeben werde.
Die oben zu 42, 43, 54, 55, 56 und 57 angeführten Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die übrigen Antragsgegner haben von der ihnen gegebenen Möglichkeit, den Revisionsrekurs zu beantworten, keinen Gebrauch gemacht.
Der Revisionsrekurs ist - wie die folgenden Ausführungen zeigen werden - zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber machen im wesentlichen geltend, es bestehe für sie keine objektive Möglichkeit, den Lift zu benutzen. Sie könnten allenfalls den Lift im Haus B*****straße 39 benutzen, um in den Waschraum zu gelangen. Es sei aber wesentlich einfacher, gleich vom Niveau der Geschäftsräume 17 Stufen hinunterzugehen, als zunächst 10 Stufen hinaufzugehen, um den Lifteingang zu erreichen. Auch auf dem Rückweg würde ein vernünftiger Mensch selbst mit einer Last eher die Stiege 17 Stufen hinaufgehen, als mit dem Lift hochzufahren und dann 10 Stufen wieder hinunterzugehen. Selbst wenn man aber eine objektive Nutzungsmöglichkeit annehmen sollte, sei die Möglichkeit, den Waschraum mit dem Lift zu erreichen, nicht gleich hoch zu bewerten wie die Möglichkeit, eine Wohnung zu erreichen. Vielmehr dürfte der Beitrag der Antragsteller zu den Liftkosten im Falle einer objektiven Nutzungsmöglichkeit nicht mehr als 10 bis 20 % ausmachen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht hat die Rechtslage grundsätzlich richtig dargestellt. Auf seine insbesondere durch 5 Ob 33/82 = MietSlg 35.644 (vgl Würth in Rummel2 § 19 WEG Rz 3) gedeckten Ausführungen zu § 19 Abs 3 Z 1 WEG idF der 3.WÄG im Falle erheblicher Unterschiede in der Möglichkeit, einen Personenaufzug zu nutzen, kann verwiesen werden.
Wie nun bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Aufteilungsschlüssel neu festzusetzen ist, ist eine Ermessensentscheidung, die im allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht aber den ihm hiebei zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen. In einem solchen Fall ist der Revisionsrekurs im Interesse der Rechtssicherheit auch dann zulässig, wenn kein Anlaß zu grundsätzlichen Ausführungen des Obersten Gerichtshofes besteht (vgl Kodek in Rechberger § 502 ZPO Rz 3).
Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber ist eine objektive Liftnutzungsmöglichkeit für sie - abgesehen von der Liftnutzung durch Hausbesorger oder Reinigungsunternehmen etc im Interesse aller Wohnungseigentümer - nicht völlig ausgeschlossen, weil sie mit dem Lift - wenn auch mit bescheidenem Vorteil - zum Wasch- und Trockenraum und zu verschiedenen technischen Anlagen sowie zurück gelangen können. Ihnen ist zuzustimmen, daß diese Nutzungsmöglichkeit im Verhältnis zu jener der anderen Wohnungseigentümer sehr gering ist. Schon das Rekursgericht hat ausgeführt, daß eine unverhältnismäßig geringere Nutzung besteht, wenn nur die Erreichung des Kellers geboten wird. Seiner Ansicht, die Möglichkeit der Antragsgegner zum Erreichen ihrer Wohnungen mit Hilfe der Liftanlage sowie die Möglichkeit (aller Wohnungseigentümer) den Keller mit dem Lift zu erreichen, sei mit je rund 50 % zu veranschlagen, ist aber nicht zuzustimmen. Vielmehr wird ein Kellerraum (mit Waschgelegenheit und technischen Anlagen) typischerweise viel seltener aufgesucht als eine Wohnung in den Obergeschoßen. Hiezu kommt noch eine weitere Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit der Antragsteller durch die von den Vorinstanzen festgestellte bauliche Anordnung der Liftanlage mit Zugang im Halbstock. Unter diesen Umständen ist es nach Meinung des erkennenden Senates angemessen, die Antragsteller nicht bloß zur Hälfte, sondern zu vier Fünfteln von der Tragung der Liftkosten auszunehmen.
Der angefochtene Sachbeschluß war daher in diesem Sinne abzuändern.
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