OGH 5Ob2396/96f

OGH5Ob2396/96f10.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin E***** AG, ***** betreffend Eintragungen in der EZ ***** des Grundbuches ***** und in der EZ ***** des Grundbuches *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Liegenschaftseigentümerin (offene Handelsgesellschaft) Otto K*****, ***** Wien, N*****straße *****, vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9.September 1996, 46 R 1090/96a, womit der Rekurs der Liegenschaftseigentümerin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (im angefochtenen Beschluß irrtümlich als Bezirksgericht Josefstadt bezeichnet) vom 9.Oktober 1996, TZ 9056/91, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der bezüglich der Liegenschaft EZ 930 des Grundbuches ***** als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird im Umfang der Aufhebung eine neue Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Als Alleineigentümer(in) der Liegenschaft EZ 638 ***** ist im Grundbuch "Otto K***** ADR: N***** Straße *****" eingetragen. Es handelt sich dabei um eine Handelsgesellschaft in der Rechtsform einer OHG, die am 29.10.1937 (unter der Firma "K***** & M*****") in das Handelsregister eingetragen wurde (HRA *****). Aus dem Grundbuch ergibt sich insoweit ein Hinweis auf den Ursprung der Firma und ihre Änderung, als zu TZ *****/1987 (BLNR 1 b) eine Namensänderung angemerkt wurde. Persönlich haftende Gesellschafter der OHG mit der Firma "Otto K*****" sind Otto K*****, geboren am *****, sowie Margarethe K*****. Jeder kann die OHG allein vertreten.

Otto K*****, geboren am *****, ist überdies Eigentümer von 190/5098 Anteilen an der Liegenschaft EZ 930 des Grundbuches *****.

Mit Beschluß vom 9.10.1991 bewilligte das Erstgericht auf Antrag der E***** AG die Eintragung eines Simultanpfandrechtes für einen Kredithöchstbetrag von S 5,000.000,-- auf der Liegenschaft EZ 638 des Grundbuches ***** als Haupteinlage sowie auf den Otto K***** persönlich gehörigen 190/5098 Anteilen an der Liegenschaft EZ 930 des Grundbuches ***** als Nebeneinlage (und dazu noch einiger Löschungsverpflichtungen) zugunsten der genannten Bank. Sowohl im Bewilligungsbeschluß als auch in der Verständigungsverfügung wurde dabei als Liegenschaftseigentümer bzw Adressat des Grundbuchsbeschlusses "Otto K*****, geboren *****" genannt. Auch die Pfandbestellungsurkunde bezeichnet Otto K*****, geboren *****, als Alleineigentümer der Pfandliegenschaften ("mir allein gehörend"). Sie wurde unter Beifügung der Stampiglie "Eisenwaren Otto K*****, Wien *****, N*****straße *****" zweimal von "Otto K*****, (geborem am) *****, unterzeichnet. Der Beschluß mit der Eintragungsbewilligung ist schließlich am 12.10.1991 (durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt) an "Otto K*****, N*****straße *****, ***** Wien" zugestellt worden.

Am 11.4.1996 beantragte die "Otto K***** OHG, N***** Straße *****, ***** Wien" beim Bezirksgericht Josefstadt (ua) die Zustellung des Beschlusses vom 9.10.1991 zu Handen ihres Rechtsanwalts) und hat nach Entsprechung dieses Antrages (laut Vorlagebericht am 24.5.1996) am 5.6.1996 Rekurs gegen die Bewilligung der Pfandrechtseinverleibungen sowie der übrigen Eintragungen zugunsten der Hypothekargläubigerin E***** AG erhoben. Gegen die Zulässigkeit der Eintragungen wurde vor allem ins Treffen geführt, daß Pfandbestellerin nicht die Liegenschaftseigentümerin gewesen sei.

Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel teils als verspätet, teils mangels Rechtsschutzinteresses (hinsichtlich der dem Otto K***** persönlich gehörigen 190/5098 Anteile an der Liegenschaft EZ 930 *****) zurück. Es vertrat zur hier interessierenden Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels den Standpunkt, daß Otto K***** als einzelvertretungsbefugter Gesellschafter der gleichnamigen OHG berechtigt und imstande gewesen sei, an die Gesellschaft gerichtete Willenserklärungen bzw Schriftstücke entgegenzunehmen. Bereits am 12.10.1991 sei daher die Zustellung des erstinstanzlichen Eintragungsbeschlusses an die Eigentümerin der Pfandliegenschaft erfolgt; ihr nunmehriger Rekurs sei verspätet, nämlich außerhalb der 30-Tage-Frist des § 123 Abs 1 GBG erhoben worden.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß es an den in § 14 Abs 1 AußStrG normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes fehle; das Zustellproblem sei durch die Judikatur (HS 4.133 und SZ 59/138) bereits gelöst.

Im jetzt vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs, der sich nur mehr mit den Eintragungen in der EZ 638 ***** befaßt, macht die Otto K***** (OHG) im wesentlichen geltend, daß eine wirksame Zustellung des Beschlusses vom 9.10.1991 an sie vorausgesetzt hätte, sie eindeutig als Adressatin des Schriftstückes zu bezeichnen. Tatsächlich sei jedoch der Gerichtsbrief an die natürliche Person Otto K***** adressiert gewesen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den Beschluß der zweiten Instanz (im angefochtenen Umfang) aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässsigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht, wie im folgenden gezeigt werden wird, bei Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses die Rechtslage verkannte.

b) Zur materiellen Berechtigung des Revisionsrekurses:

Gemäß § 119 Z 1 GBG hätte das Erstgericht den die Pfandrechtseinverleibung bewilligenden Beschluß dem Liegenschaftseigentümer, hinsichtlich der Liegenschaft EZ 638 ***** also der offenen Handelsgesellschaft "Otto K*****" (in weiterer Folge "Gesellschaft" genannt) zustellen müssen. Offenbar in der dem Grundbuchsstand widersprechenden Annahme, daß die natürliche Person Otto K*****, geboren am *****, nicht nur Pfandbesteller, sondern auch Eigentümer beider Pfandliegenschaften sei, wurde jedoch ausschließlich die Zustellung an die natürliche Person Otto K*****, geboren *****, verfügt.

Nun ist es zwar richtig, daß - wie das Rekursgericht ausführte - bei Vorhandensein mehrerer vertretungsbefugter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft jeder von ihnen gemäß § 125 Abs 2 HGB die an die Gesellschaft gerichteten Willenserklärungen und Gerichtsbriefe wirksam entgegennehmen kann (SZ 59/138; HS 4.133). Es trifft auch zu, daß - wie immer erlangtes - Tatsachenwissen eines vertretungsbefugten Gesellschafters der Gesellschaft zuzurechnen ist, weil die Gesellschaft als solche gar nichts anderes als ihre sie im Rechtsverkehr repräsentierenden Gesellschafter wissen kann. Geht es um den Wissensstand der Gesellschaft, ist demnach - von weitergehenden, hier nicht interessierenden Zurechnungsbereichen abgesehen - auf das Wissen der vertretungsbefugten Gesellschafter abzustellen.

Die Anwendung der aufgezeigten Grundsätze auf die vom Erstgericht ursprünglich angeordnete und anordnungsgemäß bewirkte Zustellung des die begehrten Pfandrechtseintragungen bewilligenden Beschlusses an Otto K***** als natürliche Person (in dieser Eigenschaft und nicht auch als Vertreter der Gesellschaft) schließt es jedoch aus, die Zustellung gemäß § 125 Abs 2 HGB der Gesellschaft zuzurechnen, weil die Sendung eben nicht an die Gesellschaft (zu Handen ihres Vertreters) gerichtet war. Zustellung ist nämlich der an eine gesetzliche Form geknüpfte Vorgang, durch den dem als Empfänger des Schriftstückes bezeichneten Adressaten Gelegenheit geboten wird, von einem im Auftrag des Gerichtes an ihn (hier: die natürliche Person Otto K*****) gerichteten Schriftstück (hier: die Ausfertigung des erstinstanzlichen Eintragungsbeschlusses) Kenntnis zu nehmen (Gitschthaler in Rechberger, Rz 1 zu § 87 ZPO; RZ 1996, 263/74). Adressat war aber, wie sich eindeutig aus der Zustellverfügung ergibt, in Ansehung der Liegenschaft EZ 638 GB ***** und der dort eingetragenen Hypothek weder die Gesellschaft noch Otto K***** in seiner Eigenschaft als Organ der Gesellschaft. Eine Heilung der vom Erstgericht unrichtig verfügten und in weiterer Folge zwar verfügungsgemäß, aber hinsichtlich der Liegenschaft EZ 638 ***** fehlerhaft (nämlich nicht an den wahren Liegenschaftseigentümer) durchgeführten Zustellung (weil das an die natürliche Person Otto K***** adressierte Schriftstück ohnehin dem empfangsbefugten Vertreter der Gesellschaft und damit der Gesellschaft selbst zugekommen sei) konnte nicht eintreten, weil hiefür die nicht gegebene Voraussetzung erfüllt sein müßte, daß sowohl in der Zustellverfügung als auch auf dem Zustellstück der nach dem jeweiligen Verfahrensrecht richtige Empfänger (als solcher) genannt war (Gitschthaler aaO, Rz 2 zu § 87 ZPO). Gerade dies ist in der hier zu entscheidenden Rechtssache nicht der Fall.

Auf das auch der Gesellschaft zuzurechnende Wissen ihres Gesellschafters Otto K***** von Existenz und Inhalt einer die Liegenschaft der Gesellschaft betreffenden Pfandrechtseinverleibung kommt es nicht an, weil die bloße Kenntnis des Inhaltes eines Zustellstückes weder die unterlassene Zustellung ersetzt noch eine Erkundigungspflicht auslöst (vgl Gitschthaler aaO, Rz 2 zu § 87 ZPO mwN).

Aus den dargelegten Gründen würde daher die Rekursfrist für die Gesellschaft - unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 62, 119 und 120 GBG - erst mit der an sie persönlich (und nicht schon an den bloß sich auf die Einschreitervollmacht berufenden Rechtsanwalt) erfolgten Zustellung des Pfandrechtseinverleibungsbeschlusses zu laufen beginnen, sodaß der - schon vor wirksamer Zustellung eingebrachte - Rekurs entgegen der Meinung der zweiten Instanz rechtzeitig ist. Bei der hier gegebenen Fallgestaltung schadet es auch nicht, daß der Rekurs an die zweite Instanz nicht bei dem nach den Übergangsbestimmungen (Art VII § 2) der 3. Novelle zum Bezirksgerichts - Organisationsgesetz für Wien, BGBl 1992/756, mit dem das Bezirksgericht Josefstadt geschaffen wurde, weiterhin für anhängige Verfahren zuständig gebliebenem Erstgericht (=BG Innere Stadt Wien) eingebracht wurde, sondern bei dem nunmehr die Haupteinlage als Grundbuchsgericht führenden Bezirksgericht Josefstadt. Da infolge noch offener Rekursfrist der Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß abermals eingebracht werden könnte, würde es einen leeren Formalismus darstellen, das schon behandelte Rechtsmittel (zwecks Sanierung des Fehlers bei Einbringung des Rechtsmittels) nur deswegen dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuzuleiten, damit es dieses zu dem Akt nimmt, bei dem es schon ist.

Dazu kommt noch, daß das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die diesem zugestellten Ausfertigungen der Rekursentscheidung dem Bezirksgericht Josefstadt "zur weiteren Erledigung" übermittelte. Darin liegt eine Abtretung der Sache an das Bezirksgericht Josefstadt, der vom letztgenannten Gericht entsprochen wurde. Nach derzeitiger Aktenlage ist daher die Zuständigkeit - umfassend nur die dem Erstgericht obliegenden Agenden im Zuge von Rechtsmittelverfahren - des Bezirkgsgerichtes Josefstadt für die nunmehr beim Obersten Gerichtshof anhängige Grundbuchssache gegeben. Daraus folgt, daß der Revisionsrekurs zutreffend beim Bezirksgericht Josefstadt eingebracht wurde.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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