Normen
Außerstreitgesetz §126
Außerstreitgesetz §126
Spruch:
Auch bei Zweifel, ob die letzte Willenserklärung als Testament oder Kodizill zu verstehen ist, haben diejenigen Erben, deren Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, als Kläger gegenüber dem Erbansprecher aus einer solchen letztwilligen Erklärung aufzutreten.
Entscheidung vom 13. September 1962, 5 Ob 231/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Erblasser verstarb am 20. Juli 1961 unter Hinterlassung einer anscheinend eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen und als "Letzter Wunsch" bezeichneten letzten Willenserklärung vom August 1949. Danach sollte das erblasserische Häuschen samt Garten in Klagenfurt, F.-Zeile 37, geschätzt werden. Die darauf haftenden Passiven seien in Abzug zu bringen. Den Rest sollten seine drei Kinder Paula, Irma und Franziska und seine Enkelin Hilde bekommen.
Wörtlich heißt es dann weiter: "Übrigens soll das Häuschen mit Garten aber die Enkelin Hilde erhalten." Bis zu deren Großjährigkeit habe es ihre Mutter Irma zu verwalten. Der erblasserischen Witwe Maria S. wurde ein Wohnungsrecht eingeräumt und das gesamte Mobiliar vermacht. Auf Grund des Gesetzes gaben die erblasserische Witwe zu einem Viertel des Nachlasses und die erblasserischen Töchter Paula S. und Irma P. zu je drei Achtel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen ab. Die erblasserische außereheliche Tochter Franziska W. erklärte sich auf Grund der letztwilligen Anordnung vom August 1949 zu einem Viertel des Nachlasses bedingt als Erbin.
Das Erstgericht nahm unter Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses sämtliche Erbserklärungen an und wies unter Punkt 2 der außerehelichen Tochter Franziska W. die Klägerrolle zu und trug ihr zu Handen ihres Vertreters auf, binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Erbrechtsklage einzubringen, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung ihrer Erbansprüche vorgegangen würde. Begrundet wurde dies damit, daß die letztwillige Anordnung vom August 1949 nur Legate enthalte; daher seien Erbserklärungen nur auf Grund des Gesetzes möglich. Die erblasserische außereheliche Tochter Franziska W. leite ihr Erbrecht zu einem Viertel des Nachlasses aus vollkommen unklaren Bestimmungen der letztwilligen Anordnung vom August 1949 ab. Aus der Aussage des Zeugen Philipp S. folge, daß der Erblasser die letztwillige Anordnung bewußt verworren formuliert habe, um seine außereheliche Tochter, die auf Errichtung eines Testamentes bestanden habe, zu beruhigen. Da sich die letzte Willenserklärung bestenfalls als Kodizill darstelle, habe die gesetzliche Erbfolge Platz zu greifen. Franziska W. sei daher mit ihrem schwächeren Erbrechtstitel auf den Rechtsweg zu verweisen gewesen.
Das Rekursgericht änderte den Punkt 2 des von der erblasserischen außerehelichen Tochter Franziska W. angefochtenen Beschlusses des Erstgerichtes dahin ab, daß den auf Grund des Gesetzes erbserklärten Erben die Klägerrolle zugewiesen werde. Mit der letzten Willenserklärung vom August 1949 habe der Erblasser über sein ganzes Vermögen verfügt. Da sich die erblasserischen Töchter und die erblasserische Enkelin Hilde S. den Reinnachlaß des unbeweglichen Vermögens teilen sollten, sei es nicht abwegig, anzunehmen, daß sie zu gleichen Teilen als Erbinnen seines unbeweglichen Vermögens eingesetzt worden seien, sowie daß der Erblasser seiner Enkelin Hilde ein Aufgriffsrecht am Häuschen eingeräumt habe. Dem Umstand, daß es zweifelhaft erscheine, ob in der letztwilligen Anordnung vom August 1949 zugunsten der Franziska W. eine Erbseinsetzung zu erblicken sei, komme bei der Zuweisung der Klägerrolle keine Bedeutung bei, weil das Wort "Erbe" im § 126 AußStrG. gleichbedeutend mit Erbansprecher sei und Franziska W. als Erbansprecherin auftrete. Auch sei die Aussage des Zeugen Philipp S. über die Absicht des Erblassers hiebei nicht zu berücksichtigen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gesetzlichen Erben nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst das Vorbringen anlangt, daß es Aufgabe des Erstgerichtes gewesen sei, entsprechend seiner richterlichen Anleitungspflicht die Revisionsrekurswerberinnen darauf aufmerksam zu machen, daß ihre Erklärung bei der Tagsatzung vom 1. Juni 1962, wonach sie den Inhalt der letztwilligen Anordnung vom August 1949 anerkannt und sich lediglich Pflichtteilsansprüche vorbehalten hätten, mit ihren auf Grund des Gesetzes abgegebenen Erbserklärungen im Widerspruch stunde, sind die Untergerichte mit Recht hierauf nicht eingegangen. Denn die Revisionsrekurswerberinnen haben bei der Tagsatzung vom 1. Juni 1962 lediglich erklärt, daß sie den Inhalt der letztwilligen Anordnung nur in dem vom Zeugen Philipp S. erläuterten Umfang, sohin nur als Erbeinsetzung der erblasserischen Enkelin Hilde S., anerkennen und sich Pflichtteilsansprüche vorbehalten, offenbar für den Fall, daß sich die mj. Hilde S. als Erbin erklärt, was aber nicht geschehen ist.
Soweit die Revisionsrekurswerberinnen davon ausgehen, daß infolge der Unklarheit der letztwilligen Anordnung die Erbserklärung der erblasserischen außerehelichen Tochter Franziska W. hätte zurückgewiesen werden müssen, setzen sie sich über die Tatsache hinweg, daß sämtliche Erbserklärungen vom Gericht unter Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses angenommen wurden und der Beschluß, der auch von den Revisionsrekurswerberinnen hätte angefochten werden können (SZ. XXI 49, Weiß in Klang[2] III, S. 968), in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist. Im übrigen ist nach der Rechtsprechung jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen, sofern nicht von vornherein feststeht, daß der Antretende nicht erbberechtigt ist, daß ihm also die Einantwortung auf keinen Fall erteilt werden kann (vgl. Ehrenzweig, Erbrecht[2] § 509, S. 496, Klang - Weiß, a. a. O., S. 967 ff., JBl. 1961, S. 289, u. v. a.). Daß der erblasserischen außerehelichen Tochter Franziska W. der von ihr beanspruchte Nachlaß nicht eingeantwortet werden könne, kann nicht gesagt werden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Erbseinsetzung schließt nicht das Vorliegen eines Testamentes aus. Es kann auch jemand, dem nicht ein in bezug auf das Ganze bestimmter Erbteil, sondern nur eine einzelne Sache zugedacht worden ist, dennoch Erbe sein, wenn der Nachlaß zum weitaus überwiegenden Teil oder überhaupt nur aus dieser Sache besteht (Klang - Weiß, a. a. O., S. 225, GMA. des ABGB[26] § 553, Entscheidungen Nr. 1 bis 3, EvBl. 1958, Nr. 106). Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die letztwillige Anordnung vom August 1949 als Testament anzusehen ist, wenn der Erblasser über sein ganzes Vermögen verfügt hat, was die Revisionsrekurswerberinnen im übrigen nicht bestreiten. Auch steht noch nicht unzweifelhaft fest, daß der Erblasser widersprechende Anordnungen über die Nachlaßliegenschaft getroffen hat, weil die letztwillige Anordnung auch dahin ausgelegt werden kann, daß der erblasserischen Enkelin Hilde ein Aufgriffsrecht an dem Häuschen zustehen soll, worauf schon das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat.
Da sowohl auf Grund der letztwilligen Anordnung vom August 1949 als auch auf Grund des Gesetzes Erbserklärungen abgegeben wurden, die das Gericht angenommen hat, sohin widersprechende Erbserklärungen vorliegen, hat das Erstgericht mit Recht das Verfahren gemäß §§ 125 ff. AußStrG. eingeleitet. Danach ist die Klägerrolle demjenigen zuzuweisen, dessen Erbrechtstitel schwächer ist. Nach § 126 (1) AußStrG. ist das Gesetz gegenüber dem Testament der schwächere Titel, weil gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestritten letzten Willenserklärung jeder, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, als Kläger auftreten müssen, wobei das Gesetz unter "gehöriger Form" einen der äußeren Form nach vorschriftsmäßig errichteten letzten Willen versteht (vgl. die bei Fetter - Edlbacher, zu § 126 AußStrG. unter Nr. 6 abgedruckten Entscheidungen). Obwohl im Revisionsrekurs Formmängel nicht behauptet werden und die Echtheit der letzten Willenserklärung unbestritten ist, vertreten die Revisionsrekurswerberinnen den Standpunkt, daß Franziska W. im Erbrechtsstreit als Klägerin aufzutreten habe, weil der Inhalt der letzten Willenserklärung verworren sei und widersprechende Anordnungen vorliegen. Es wurde jedoch schon darauf hingewiesen, daß die Anordnungen einander nicht widersprechen müssen, weil die Erforschung der Absicht des Erblassers z. B. ergeben könnte, daß die Nachlaßliegenschaft die drei erblasserischen Töchter und die erblasserische Enkelin Hilde erhalten und der letzteren außerdem ein Angriffsrecht an dieser Liegenschaft zustehen solle. Auch wenn die Frage zweifelhaft ist, ob die letztwillige Anordnung als Testament oder Kodizill zu verstehen sei und die Anordnungen in der letzten Willenserklärung miteinander im Widerspruch stehen, haben diejenigen Erben, deren Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, als Kläger gegenüber dem Erbsansprecher aus einer solchen letztwilligen Erklärung aufzutreten, weil das Wort "Erbe" im § 126 AußStrG. mit Erbsansprecher gleichbedeutend ist (GlUNF. 405. EvBl. 1958. Nr. 106) und Franziska W. Erbansprecherin aus einer der äußeren Form nach vorschriftsmäßig errichteten und unbestrittenermaßen echten letzten Willenserklärung ist. Entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberinnen ist der Erbrechtsstreit nicht überflüssig, weil er der Klärung der Frage dienen soll, ob die letztwillige Anordnung als Testament oder Kodizill aufzufassen ist und ob widersprechende Anordnungen in bezug auf die Nachlaßliegenschaft getroffen wurden, wozu es der Erforschung der Absicht des Erblassers bedarf.
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