OGH 5Ob2/00f

OGH5Ob2/00f14.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Gertrude R*****, vertreten durch Martin Nedwed, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegnerin Ö***** AG, ***** vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in 1090 Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Zwischensachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Juni 1999, GZ 41 R 623/98s-14, womit der Teilsachbeschluss (richtig: Zwischensachbeschluss) des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. August 1998, GZ 20 Msch 23/98d-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben.

Der Zwischenantrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die in Punkt 7.7 des Mietvertrages vom 24. Dezember 1990 vereinbarte Zinsanpassungsklausel unzulässig sei, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die für ihren Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung und ihren Revisionsrekurs gegen die zweitinstanzliche Entscheidung verzeichneten Barauslagen selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Vertrag vom 24. 12. 1990 hatte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin ab 1. 1. 1990 ein ca 24 m2 großes Geschäftslokal im Haus F***** gemietet. Das Mietverhältnis endete am 31. 12. 1996 (Seite 102 des Aktes SL 23245/96 der Schlichtungsstelle für den 1. Bezirk). Der Mietvertrag enthielt folgende Mietzinsvereinbarung:

"3.1.1

Der ... Hauptmietzins ... beträgt vorbehaltlich der Bestimmungen des folgenden Punktes 3.2 pro Monat S 3.640,-- ...

3.2 Zur Erhaltung der Wertbeständigkeit wird dem Hauptmietzins der vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarte Verbraucherpreisindex 1986 bzw ein künftig an dessen Stelle tretender Index zugrundegelegt.

...

Der angeführte Hauptmietzins erhöht bzw ermäßigt sich demnach im gleichen perzentuellen Ausmaß ...., wobei Indexveränderungen von weniger als 5 % nicht berücksichtigt werden. ...

7.7

Die Mietvertragspartner kommen überein, dass der derzeitige Hauptmietzins einer allfälligen Erhöhung des Mietwertes des Mietobjektes in Abständen von zwei Jahren angepasst wird.

Sollte dieses Mietverhältnis länger als zwei Jahre dauern und der Mietwert bzw der ortsübliche und angemessene HMZ für das vertragsgegenständliche Mietobjekt, der im Falle einer Neuvermietung dieses Mietobjektes erzielbar ist, am 1. 1. 1993 über dem zu diesem Zeitpunkt aufgrund des gegenständlichen Mietvertrages zu verrechnenden Hauptmietzins liegen, erklärt sich der Mieter bereit, ab 1. 1. 1993 einen erhöhten Hauptmietzins zu bezahlen, der dem gestiegenen Mietwert bzw ortsüblichen und angemessenen Hauptmietzins entspricht.

Eine analoge Regelung gilt auch für weitere Überprüfungen der Mietzinshöhe nach Ablauf von jeweils weiteren zwei Jahren.

Die Vertragspartner halten fest, dass die Aufnahme dieser Vertragsklausel nicht das Motiv für den Abschluss des gegenständlichen Mietvertrages war und ist."

Am 6. 11. 1996 hat die Antragstellerin bei der Schlichtungsstelle für den 1. Bezirk die Überprüfung der ihr seit 1. 1. 1991 vorgeschriebenen Hauptmietzinse beantragt und dieses Begehren dann auch noch auf die Vorschreibung für den Monat Dezember 1996 ausgedehnt. Das Verfahren ist gemäß § 40 Abs 2 MRG gerichtsanhängig geworden.

Bei Gericht präzisierte die Antragstellerin ihr Begehren dergestalt, "dass der vereinbarte Hauptmietzins nicht angefochten wird, soweit er die vereinbarte Wertsicherungsklausel nicht übersteigt, jedoch sei die Zinsanpassungsklausel im Mietvertrag Pkt 7.7 eine unzulässige Vertragsklausel" (AS 9). Am 13. 9. 1998 stellte sie den Zwischenantrag, "die Zulässigkeit der Zinsanpassungsklausel zu überprüfen und die Unzulässigkeit mittels Teilsachbeschluss festzustellen" (AS 15).

Von den Einwendungen der Antragsgegnerin interessiert derzeit nur, dass sie die nach jeweils zwei Jahren angepassten Mietzinsvorschreibungen als vereinbarungs- und gesetzeskonform erachtet, dass die Zinsanpassungsklausel ihrer Meinung nach nicht gegen § 16a MRG verstoße und auch in keiner Weise sittenwidrig sei und dass wegen der Antragszurückziehung in einem früheren Mietzinsüberprüfungsverfahren vor der Schlichtungsstelle das Prozesshindernis "ne bis in idem" bestehe.

Das Erstgericht stellte mit "Teilsachbeschluss" die Zulässigkeit der in Punkt 7.7 des Mietvertrages vom 24. 12. 1990 vereinbarten Mietzinsanpassungsklausel und führte dazu rechtlich aus, dass es genüge, wenn der Zins wie der Kaufpreis bestimmbar ist. Die gegenständliche Mietzinsklausel ziele auf einen angemessenen Mietzins im Sinne des § 16 Abs 1 MRG ab, sodass die Vereinbarung nicht den Bestimmungen des MRG widerspreche. Ein Verstoß gegen die guten Sitten sei ebenfalls nicht gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Antrag, festzustellen, dass die Zinsanpassungsklausel unzulässig sei, in Form eines Zwischensachbeschlusses abgewiesen wurde. Dies aus folgenden Erwägungen:

§ 16a MRG erfasse nur jene Vereinbarungen, die für den Fall der Änderung der gesetzlichen Mietzinsvorschriften einen höheren Mietzins festlegen, als er nach der Gesetzeslage im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zulässig war. Vereinbarungen, die auf tatsächliche Änderungen wie etwa die Veränderung der Nutzfläche beim Kategoriemietzins oder Richtwert oder der Ausstattung oder der Bedeutung der Lage beim angemessenen Mietzins abstellen, seien von § 16a MRG nicht erfasst und unbeschränkt zulässig. So stelle zB eine Vereinbarung, wonach der Mietzins mindestens die Höhe des gesetzlich beschränkten Hauptmietzinses erreichen soll, von vornherein keinen Anwendungsfall des § 16a MRG dar, weil sie nicht mit einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften verknüpft und daher zulässig sei (5 Ob 27/89 = MietSlg 41.279/17 = WoBl 1990/1).

Voraussetzung einer solchen Mietzinsanpassungsklausel sei allerdings, dass bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses die Einigung über den aufschiebend bedingten künftigen Mietzins vorliegt, der Mietzins also bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (§ 1094 ABGB). Dazu genüge es, wenn der Vertrag hinreichende Anhaltspunkte liefert, wonach die Höhe des Mietzinses unter Heranziehung gesetzlicher Auslegungsregeln, der Verkehrssitte oder dispositiver Gesetzesnormen bestimmbar ist, ohne dass es einer neuerlichen Willenseinigung der Vertragsparteien bedarf und ohne dass die Zinsfestsetzung dem freien Belieben eines Vertragsteiles überlassen bleibt (vgl Würth in ÖJZ, 51. Jahrgang, Seite 67 ff mwN; RdW 1985, 75). Die Vereinbarung eines im Sinne des § 16 Abs 1 MRG angemessenen Mietzinses sei zulässig, weil ausreichende Bestimmbarkeit gegeben sei (MietSlg 41.090/17).

Die von der Antragstellerin behauptete Sittenwidrigkeit sei ebenfalls zu verneinen. Da der Mietzins bei Vertragsabschluss vereinbart werden müsse, durch den Kündigungsschutz des MRG aber die zeitliche Wirksamkeit solcher Vereinbarungen in der Regel unabsehbar sei, bestehe ein gerechtfertigtes Interesse des Vermieters, für Änderungen vertragliche Vorsorge zu treffen. Eine solche Vereinbarung entspreche dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn sie die gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen respektiert. Ein Verstoß gegen die guten Sitten sei auch vom Obersten Gerichtshof in keiner der zitierten Entscheidungen, denen ähnlich gelagerte Fälle zugrunde gelegen seien, angenommen worden. Der Umstand, dass nur Änderungen nach oben berücksichtigt werden, stehe mit den der österreichischen Rechtsordnung zugrundeliegenden Werten im Einklang. Das MRG selbst normiere in den Bestimmungen der §§ 12a und 46a MRG eine lediglich nach oben gehende Änderungsmöglichkeit, obwohl dieses Gesetz überwiegend den Schutz des Mieters bezwecke. Vor dem ökonomischen Hintergrund, dass Änderungen des Zinsniveaus aufgrund inflationärer Einflüsse etc nahezu ausschließlich in Form einer Verteuerung, seltener durch ein Sinken der Mietzinse erfolgen, sei eine solch einseitige Anpassungsmöglichkeit schon vom Gesetzgeber sachgerecht und billig empfunden worden. Auch das durch eine solche Klausel allenfalls erforderlich werdende Verfahren führe nicht zu deren Sittenwidrigkeit. Dass zur Ermittlung des zulässigen Mietzinses gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten erforderlich werde, sei ein dem MRG immanenter Gedanke, lasse es doch die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses zu. Das pauschale Misstrauen der Antragstellerin gegenüber der Zuverlässigkeit solcher Sachverständigengutachten sei kein taugliches Gegenargument.

Da die Ermittlung des angemessenen Mietzinses in der normanwendenden Praxis ein durchwegs lösbares Problem darstelle, bestehe auch kein Grund, an der Bestimmtheit und damit Verfassungsgemäßheit des § 16 Abs 1 MRG zu zweifeln.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 130.000,-- übersteige, der Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass sich das Rekursgericht an die Judikatur des Obersten Gerichtshofes gehalten habe.

Gegen den zweitinstanzlichen Zwischen-Sachbeschluss hat die Antragstellerin fristgerecht ao Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, in Abänderung dieser Entscheidung festzustellen, dass die Zinsanpassungsklausel unzulässig sei. Hilfsweise soll der zweitinstanzliche Sachbeschluss aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Den Antragsgegnern wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge zu geben. Als ein Argument für die Abweisung des Revisionsrekurses (neben den schon vom Rekursgericht angestellten Erwägungen) führen sie an, dass dem Antrag der Antragstellerin im Hinblick auf das durch Anerkenntnis der Antragstellerin beendete Vorverfahren das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegenstehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die rechtliche Problematik der verfahrensgegenständlichen Zinsanpassungsklausel von den Vorinstanzen nicht erschöpfend beurteilt wurde. Aus Anlass dieses Rechtsmittels ist in weiterer Folge die Unzulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrags der Antragstellerin aufzugreifen. Das ergibt sich aus Folgendem:

Vorauszuschicken ist, dass die Zurückziehung eines dasselbe Mietobjekt und (teilweise) denselben Zinszahlungszeitraum betreffenden Mietzins-Überprüfungsan- trages durch die Antragstellerin im Verfahren SL 12303/93 der Schlichtungsstelle für den 1. Bezirk kein Prozesshindernis für die Geltendmachung eines neuen Mietzins-Überprüfungsbegehrens darstellt. Die Bestimmung des § 237 ZPO, wonach die Klage ab einem gewissen Verfahrensstadium ohne Zustimmung des Verfahrensgegners nur mehr unter Anspruchsverzicht zurückgenommen werden kann, ist nämlich im außerstreitigen Mietrechtsverfahren (in dem der Sachantrag die Klage ersetzt) nicht anzuwenden (MietSlg 46/10; 5 Ob 224/99y = EWr I/27/184). Der Fortsetzung des Verfahrens beim Erstgericht steht daher nichts im Weg.

In der Sache selbst wiederholt die Antragstellerin im Wesentlichen die bereits dem Rekursgericht vorgetragenen Argumente, dass die verfahrensgegenständliche Zinsanpassungsklausel gesetzwidrig, unbestimmt und sittenwidrig sei. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass der Verbotstatbestand des § 16a Abs 1 MRG nicht erfüllt ist und die Vereinbarung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Mietzinses den Bestimmtheitserfordernissen genügt, ist jedoch durch die bereits vom Rekursgericht zitierte Judikatur (insbesondere WoBl 1990, 10/1) gedeckt (vgl dazu auch Würth in Würth/Zingher 20, Rz 2 und 3 zu § 16a MRG). Es wurde auch nicht stichhältig begründet, warum eine "einseitige", nur die Erhöhung, nicht auch die Ermäßigung des Mietzinses vorsehende Zinsanpassungsklausel per se sittenwidrig sein soll. Es kann insoweit auf die Argumente des Rekursgerichtes verwiesen werden. Unrichtig wäre es jedoch, die Entscheidung des Rekursgerichtes so zu verstehen, als stünde der Erhöhung des Hauptmietzinses nach Maßgabe der vereinbarten Staffelung keinerlei gesetzliches Hindernis entgegen.

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass die Vereinbarung verschieden hoher Mietzinse für verschiedene Zeiträume zulässig ist, sofern sie sich in den Grenzen des erlaubten Mietzinses (bei Geschäftslokalen im Rahmen des angemessenen Mietzinses nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG) hält. Durch eine der vereinbarten Staffelung entsprechende Mietzinserhöhung darf also die Angemessenheitsgrenze nicht überschritten werden. Maßgeblich für die Angemessenheitsprüfung sind nun nicht, wie die Antragsgegnerin meint, die mietzinsbestimmenden Faktoren im Zeitpunkt der jeweils erreichten Zinsstaffel, sondern jene im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bzw der Mietzinsvereinbarung. Das ergibt sich (nicht erst durch die Klarstellung im Zuge des 3. WÄG: Art II Abschnitt I Z 15 des BGBl 1993/800) eindeutig aus § 16 Abs 1 MRG (vgl WoBl 1999, 162/73 mwN). Daran wird sich die noch ausstehende Feststellung des zulässigen Mietzinses im gegenständlichen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zu orientieren haben.

Insoweit zeigt der Revisionsrekurs der Antragstellerin doch eine erhebliche Rechtsfrage auf, woraus sich wiederum seine Zulässigkeit ergibt. Aus Anlass dieses Rechtsmittels ist ein den Vorinstanzen unterlaufener Fehler aufzugreifen:

Nach § 37 Abs 3 Z 13 MRG sind im außerstreitigen Mietrechtsverfahren die §§ 236 und 259 Abs 2 ZPO, also die Vorschriften über den Zwischenantrag auf Feststellung anzuwenden. Ein solcher Antrag setzt ua voraus, dass die Bedeutung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht. Diese Voraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Fehlt sie, so führt dies zur Zurückweisung des Antrages mit Beschluss (Rechberger/Frauenberger in Rechberger 2, Rz 5 zu § 236 ZPO mwN).

Im gegenständlichen Fall kann die begehrte Feststellung nur für das anhängige Mietzinsüberprüfungsverfahren von Bedeutung sein. Das Mietverhältnis ist nämlich bereits beendet; vom Überprüfungsbegehren sind alle während des Mietverhältnisses fällig gewordenen Mietzinse erfasst. Inwieweit die am 24. 12. 1990 getroffene Vereinbarung eines Staffelzinses den zulässigen (iSd § 37 Abs 1 Z 8 MRG "angemessenen") Hauptmietzins beeinflusst, ist nur eine Vorfrage für die Sachentscheidung.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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