Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit S 34,-- bestimmten Barauslagen (Porto für die Revisionsrekursbeantwortung) zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****; der Antragsgegner ist Mieter der Wohnung Top 1 - 2 in diesem Haus.
Mit Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 11. 9. 1998 zu 3 Msch 21/98i wurde der nunmehrigen Antragstellerin als Vermieterin gemäß § 6 Abs 1 MRG rechtskräftig aufgetragen, die zwei straßenseitigen Fenster der Wohnung des Antragstellers und das Fenster des dazugehörigen Kellerabteils binnen von zwei Monaten zu erneuern.
Die Antragsgegnerin hat für das ganze Haus die Erneuerung der Fenster geplant und deshalb bei der Fa. A***** GmbH Holzfenster aus dreischichtverleimter Fichte angeschafft. Diese Fenster sind einflügelig und bieten nur einen Wärmeschutz von 2,2 W/m2K und einen Schallschutz von 33 dB. Sie entsprechen damit nicht den in der Bauordnung für Wien enthaltenen Anforderungen betreffend Wärmeschutz (mindestens 1,9 W/m2K) und Schallschutz (mindestens 38 dB).
Die MA 19 der Stadt Wien teilte am 5. 9. 2000 mit, dass in Bezug auf das äußere Aussehen keine Bedenken gegen den Einbau der von der Antragstellerin angeschafften Fenster bestehen (wobei Balken auf den Fenstern optisch den Eindruck dreigeteilter Fenster - wie sie früher vorhanden waren - erwecken).
Vom Antragsgegner wurde der Einbau der neuen Außenfenster verweigert; dies vor allem deshalb, weil er die einflügeligen Fenster auf Grund der derzeit vorhandenen Möblierung nur schwer öffnen kann.
Wegen dieser Weigerung hat die Antragstellerin zunächst bei der zuständigen Schlichtungsstelle, dann bei Gericht den Antrag gestellt, dem Antragsgegner aufzutragen, den Zutritt zu seiner Wohnung zwecks Durchführung des Einbaus der neuen Außenfenster zu gestatten.
Der Antragsgegner hat die Abweisung dieses Begehrens beantragt und dies damit begründet, andere Mieter im Haus (insgesamt etwa die Hälfte der Wohnungen) hätten sehr wohl 2-flügelige Dreh-Kipp-Fenster mit Oberlichte (also mit einer Unterteilung wie bei den alten Fenstern) erhalten, was den Verdacht nahe lege, dass ihn die Antragstellerin schikanieren wolle. Aus gesundheitlichen Gründen - zwei der Familienangehörigen seien chronisch krank - und wegen Platzmangels seien die von der Antragsgegnerin vorgesehenen Fenster schlechter als die alten. Um die neuen Fenster öffnen zu können, müssten Möbel umgestellt werden; die Benützung des Wohnzimmers würde gestört. Ein zur Gänze offenes Fenster würde wegen der Lage der Wohnung des Antragsgegners im Erdgeschoss die Einbruchs- bzw Einstiegsgefahr erhöhen. Durch ein bloßes Kippen der Fenster könnte für keine ausreichende Belüftung gesorgt werden. Schließlich wäre das Putzen der neuen Fenster unpraktisch.
Das Erstgericht wies auf Grund der eingangs wiedergegebenen Feststellungen den Sachantrag der Antragstellerin ab, was das Rekursgericht (in weitgehender Übereinstimmung mit den Rechtsausführungen des Erstgerichtes) aus folgenden Erwägungen bestätigte:
Nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG habe der Mieter die vorübergehende Benutzung und die Veränderung seines Mietgegenstandes unter anderem zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses notwendig oder zweckmäßig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung gehörten Außenfenster zu den
allgemeinen Teilen des Hauses (vgl MietSlg 41.192 = WoBl 1991/2;
MietSlg 43.150 = WoBl 1991/115).
Auch bei Vorhandensein von "Innenfensterflügeln", deren Erhaltung als Teil des Mietobjektes grundsätzlich nicht dem Vermieter obliegt, sofern es sich nicht um einen ernsten Schaden des Hauses handelt, sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs 2 MRG die Ersetzung der gesamten Fenster zu dulden, wenn die vorgesehenen Arbeiten durch Ersetzung der Gesamtfenster (mit Innen- und Außenscheiben als Einheit) Arbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft betreffen, die untrennbar mit Arbeiten im Inneren des Mietobjektes verbunden sind, sodass die Arbeiten im Inneren inklusive der allfällig notwendigen Entfernung der Innenfensterflügeln sich als nicht vermeidbaren Ausfluss von Arbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft darstellen. Diese Arbeiten unterlägen als Ganzes der Duldungspflicht des Mieters (vgl MietSlg 49.233 = immolex 1998/57).
Dass die von der Antragstellerin beabsichtigten Arbeiten auch Veränderungen im Inneren des Bestandobjektes nach sich zögen, wäre daher für den Duldungsanspruch nicht schädlich.
Auf Grund der zwischen den Parteien im Vorverfahren ergangenen Entscheidung vom 11. 9. 1998 stehe ohnehin bindend fest, dass die Erneuerung der zwei straßenseitigen Fenster der Wohnung des Antragsgegners Erhaltungsarbeiten im Sinne § 3 Abs 2 Z 1 MRG sind. Dies bedeute aber nicht, dass damit gleichsam automatisch jeglicher Fensteraustausch als Erhaltungsarbeit der Duldungspflicht des Antragsgegners unterliegt.
Die Antragstellerin argumentiere ausschließlich mit dem Hinweis, dass für die beabsichtigten Arbeiten keine Baubewilligung nach der WrBauO erforderlich sei. Darauf komme es gar nicht an: Die Erhaltung habe nämlich im jeweils ortsüblichen Standard zu erfolgen, womit in § 3 Abs 1 MRG eine elastische, sich an den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Komfortvorstellungen anpassende Obergrenze der Erhaltung normiert werde. Dementsprechend sei die Reparatur von Schäden derart, dass gleichzeitig der Standard auf den ortsüblichen angehoben wird, dann noch als Erhaltung anzusehen, wenn dies dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht (vgl Würth/Zingher20, Rz 4 zu § 3 MRG; MietSlg 37.249). Selbst bei einem vom Vermieter als Verbesserung beabsichtigten Fensteraustausch sei entscheidend, ob die neuen Fenster betreffend Schall- und Wärmeschutz dem Stand der Technik entsprechen (vgl MietSlg 36.261, 41.210, 44.291/13 = WoBl 1992/132).
Beim ortsüblichen Zustand nach Maßgabe der rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten seien vor allem die verwaltungsrechtlichen Vorschriften des Baurechts gemeint. Ändern sich derartige Vorschriften, sei die Anpassung des Zustandes des Hauses an die geänderten Bestimmungen erforderlich, weshalb die für die Anpassung erforderlichen Arbeiten unter § 3 MRG fielen (vgl MietSlg 42.198 = WoBl 1991/154). Ohne Rechtsirrtum habe das Erstgericht erkannt, dass dem Vermieter grundsätzlich die Wahl des Fenstermaterials freisteht, solange er sich am ortsüblichen Standard orientiert. Entscheidend sei aber, dass der ortsübliche Standard nicht unterschritten wird (vgl MietSlg 44.285, 48.224). Zutreffend habe daher das Erstgericht bei der Auslegung des dynamischen Begriffes des ortsüblichen Standards auf die WrBauO zurückgegriffen und erkannt, dass die von der Antragstellerin vorgesehenen neuen Fenster nicht die Mindestvoraussetzungen betreffend Wärme- und Schallschutz gemäß § 99 Abs 2 und 3 WrBauO erfüllen.
Es komme dabei nicht darauf an, ob die Antragstellerin nach den Vorschriften der WrBauO eine baubehördliche Bewilligung benötigt und zu deren Erlangung die Einhaltung der hier in Rede stehenden Mindestbzw Höchstgrenzen nachweisen muss. Im Sinne der aufgezeigten Judikatur sei im gegenständlichen Fall die WrBauO nur zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffes des ortsüblichen Standards heranzuziehen. Dass dieser durch die von der Antragstellerin vorgesehenen neuen Fenster nicht erreicht wird, sei unbekämpft festgestellt, weshalb der Antragsgegner zur Duldung der hier konkret begehrten Arbeiten nicht verpflichtet werden könne.
Zu dieser Entscheidung wurde gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle nämlich Judikatur zur Frage, ob bei Heranziehung verwaltungsrechtlicher Vorschriften des Baurechs zur Ausfüllung des Begriffs der rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten auch streng danach zu differenzieren ist, ob sie im konkreten Fall auch tatsächlich zur Anwendung kämen oder ob sie - wie das Rekursgericht meinte - nur einen ungefähren Beurteilungsmaßstab für die Lösung eines mietrechtlichen Problems geben.
Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die Antragstellerin primär die Abänderung der vorinstanzlichen Beschlüsse in eine Stattgebung ihres Sachantrages an; hilfsweise hat sie einen Aufhebungsantrag gestellt. Sie vertritt die Rechtsansicht, dass die für die Wohnung des Antragsgegners vorgesehenen Fenster den Bauvorschriften entsprächen, weil für den Austausch von Fenstern in Altbauten die sonst vorgeschriebenen Schall- und Wärmeschutzwerte nicht erreicht werden müssten. Im konkreten Fall gar nicht anzuwendende Bestimmungen der Wiener Bauordnung könnten aber für die Beurteilung des ortsüblichen Standards nicht maßgeblich sein. Die Judikatur, wonach Erhaltungsarbeiten auch die Anhebung auf den ortsüblichen Standard decken, sei zu nicht vergleichbaren Sachverhalten ergangen und gebe für die Lösung des konkreten Problems nichts her.
Vom Antragsgegner liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, das Rechtsmittel der Antragstellerin zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben. Nebenbei wurde bemängelt, dass sich die Vorinstanzen nicht mit den - etwa von der MA 25 bestätigten - Funktionsmängeln der vorgesehenen Fenster (bezüglich der erschwerten Wohnungsnutzung etc) auseinandergesetzt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
§ 3 Abs 1 MRG verpflichtet den Vermieter zur Erhaltung des Hauses im ortsüblichen Standard. Dieser Standard wird auch, aber nicht ausschließlich an den geltenden Bauvorschriften gemessen (vgl zuletzt 5 Ob 202/00t = immolex 2001/22 = WoBl 2001/60). Da es dabei nur um die interpretative Ausfüllung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes geht, wird hiefür - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - die konkrete Anwendung der einschlägigen Bauvorschrift nicht vorausgesetzt. Dass eine konkrete Auflage der Baubehörde für Art und Durchführung von Erhaltungsarbeiten eingehalten werden muss, versteht sich von selbst. Das besagen die ebenfalls in § 3 Abs 1 MRG relevierten rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten (vgl MietSlg 42.198).
So gesehen hätte es wohl dem ortsüblichen Standard entsprochen, die schadhaften Fenster in ihrer ursprünglichen Form und Ausstattung wieder herzustellen, auch wenn dadurch nicht den heutigen Anforderungen des Wärme- und Schallschutzes entsprochen worden wäre. Hier will jedoch die Antragstellerin ganz andere Fenster verwenden. Es sollen die bisher zweiflügeligen und dazu noch mit einer Oberlichte ausgestatteten Fenster durch einflügelige Fenster ersetzt werden (warum dies nur bei einigen Wohnungen in dieser Form geschieht, während andere Wohnungen mehrflügelige Fenster erhalten, bleibe dahingestellt). Es geht um eine gänzliche Erneuerung der Fenster (wie sie der Antragstellerin im Verfahren 3 Msch 21/98i des Bezirksgerichtes Favoriten im Übrigen rechtskräftig aufgetragen wurde); die neue Fensterkonstruktion hat mit der alten, deren Erhaltung etwa aus Gründen des Fassadenschutzes als ortsüblich angesehen werden könnte, nichts mehr gemein.
In einem solchen Fall der Ersetzung schadhafter Fenster durch ganz anders konstruierte neue gehört es zur Erhaltung im ortsüblichen Standard, die in den Bauvorschriften vorgegebenen (wenngleich im konkreten Fall nicht bindenden) Normen eines zeitgemäßen Wärme- und Schallschutzes einzuhalten. Das entspricht der vom Gesetzgber des MRG intendierten sorgsamen und nachhaltigen Pflege des Althausbestandes. Deshalb wurde ja auch in § 3 Abs 1 MRG ein anpassungsfähiger ("dynamischer") Erhaltungsbegriff gewählt, der die Rücksichtnahme auf Entwicklungen der Bautechnik und auf eine zeitgemäße Wohnkultur gebietet.
Der von der Antragstellerin zur Erfüllung ihrer Erhaltungspflicht angebotene Fenstertausch entspricht diesen Anforderungen nicht. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen schon aus diesem Grund die Pflicht des Antragstellers zur Duldung dieser Erhaltungsarbeit verneint.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 19 MRG.
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