OGH 5Ob185/61

OGH5Ob185/615.7.1961

SZ 34/102

Normen

ABGB §163
ABGB §1042
ABGB §163
ABGB §1042

 

Spruch:

Wird von der Mutter ein Anspruch nach § 1042 ABGB. gegen den angeblichen außerehelichen Vater vor Feststellung der Vaterschaft durch Klage oder Einrede geltend gemacht, dann ist die Frage der außerehelichen Vaterschaft als Vorfrage zu prüfen.

Entscheidung vom 5. Juli 1961, 5 Ob 185/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Räumung des von ihr benützten Geschäftslokales. Das Räumungsbegehren war in der Klage damit begrundet worden, daß die Verpachtung der Filiale eines Unternehmens vorliege und das Pachtverhältnis durch Kündigung beendet sei. Demgegenüber hat das Erstgericht den Standpunkt eingenommen, daß nicht die Verpachtung eines Unternehmens, sondern ein Mietvertrag hinsichtlich des Geschäftslokales vorliege. Der Rechtsgrund der Beendigung des Pachtverhältnisses für das Räumungsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Das Erstgericht hat dem Räumungsbegehren aus einem anderen Gründe Folge gegeben. Es wurde nämlich im Laufe des Verfahrens das Räumungsbegehren auch auf den § 1118 ABGB. aus dem Gründe der Nichtzahlung des Mietzinses gestützt. Diesem Begehren war die Beklagte mit der Behauptung entgegengetreten, dem Mietzinsrückstand von 7400 S stunden eine Reihe von Gegenforderungen entgegen, nämlich 1. eine Forderung von 24.000 S als Anspruch auf Rückforderung von in der Zeit vom 1. August 1954 bis 31. Juli 1958 über das gesetzlich zulässige Zinsausmaß hinaus gezahlten Mietzinsen, 2. eine Forderung von 20.000 S für Unterhaltskosten für das am 28. Oktober 1942 geborene, vom Kläger gezeugte Kind Peter D.,

3. eine Forderung von 3702 S 50 g für Warenlieferungen und Darlehensgewährung. Das Erstgericht hat ohne Durchführung eines Beweisverfahrens das Bestehen dieser Gegenforderungen verneint.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Hinsichtlich der ersten Gegenforderung von 24.000 S begrundete das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung, daß diese Gegenforderung nicht bestehe, gleich dem Erstgericht damit, daß das Mietverhältnis weder den Bestimmungen des Mietengesetzes noch den Bestimmungen des Zinsstoppgesetzes unterliege und daher ein Rechtsgrund für die Rückförderung zu viel gezahlter Mietzinse nicht bestehe, weshalb auch der von der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung des gesetzlich zulässigen Mietzinses durch den Außerstreitrichter keine Erfolg gehabt habe. Die Nichtberücksichtigung der Gegenforderung von 24.000 S war schon in der Berufung der Beklagten gegen das Ersturteil nicht bekämpft worden. Hinsichtlich des Anspruches von 20.000 S als Ersatz für Unterhaltskosten des Kindes nahm das Berufungsgericht den Standpunkt ein, daß die Bestimmung des § 1042 ABGB. Schon deshalb nicht anwendbar sei, weil diese Gesetzesstelle vom Ersatz eines Aufwandes spreche, den jemand nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen. Davon könne aber keine Rede sein, wenn nur eine moralische sittliche Verpflichtung des natürlichen Vaters bestehe. Die gesetzliche Verpflichtung treffe aber nach § 166 ABGB. nur denjenigen, dessen "Zahlvaterschaft" (§ 163 ABGB.) festgestellt ist. Der von der Beklagten gemachte Aufwand stelle sich rechtlich als eigener Aufwand dar; der natürliche Vater habe allerdings die sittliche Pflicht, für ein von ihm gezeugtes Lebewesen zu sorgen. Dieser Pflicht komme nur die Bedeutung einer Naturalobligation zu, welche aber nach österreichischem Recht keine Verbindlichkeit zur Zahlung schaffe. Bei einem außer der Ehe geborenen Kind werde - anders als bei einem ehelichen Kind - derjenige, der für den Unterhalt in erster Linie aufzukommen hat, erst durch ein positives Vaterschaftsurteil ausgewählt. Es könne daher die Frage, ob der Kläger nach dem Gesetz den Unterhalt für das von der Beklagten geborene, nun schon im 19. Lebensjahr stehende Kind hätte leisten müssen, nur durch ein Vaterschaftsurteil gelöst werden. Vorher sei auch der natürliche Vater nach dem Gesetz nicht verpflichtet, seinem Kind den Unterhalt zu reichen, denn die Vorschrift des § 163 ABGB., die nur die Zahlvaterschaft regle, könne nicht so ausgedehnt werden, daß schon im Moment der Geburt des außerehelichen Kindes der Erzeuger nach dein Gesetz verpflichtet wäre, das Kind zu alimentieren. Solange ein positives Vaterschaftsurteil nicht vorliege, also rechtlich niemand vorhanden sei, der nach dem Gesetz in erster Linie das außereheliche Kind zu erhalten habe, könne eine Forderung nach § 1042 ABGB. noch gar nicht entstehen und daher auch noch nicht fällig sein. In diesem Verfahren könnte ein Vaterschaftsurteil nicht ergehen, welches übrigens vom Kind selbst als dem Kläger angestrebt werden müsse. Die dritte Gruppe der Gegenforderungen könne übergangen werden, denn selbst wenn hier voll und ganz den Behauptungen der Beklagten gefolgt und angenommen werde, daß diese Forderungen in vollem Umfang zu Recht bestehen, würden sie nur einen Bruchteil der feststehenden Mietzinsforderungen kompensieren und deshalb den Aufhebungsgrund nach § 1118 ABGB. nicht aus der Welt schaffen können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 166 ABGB. ist der außereheliche Vater zur Verpflegung seines Kindes verpflichtet. Die Rechtsansicht, diese Verpflichtung sei davon abhängig, daß zunächst seine Vaterschaft urteilsmäßig festgestellt wurde, findet im Gesetz keine Grundlage. Allerdings ist es die Regel, daß zunächst die Vaterschaft festgestellt und anschließend der außereheliche Vater zur Unterhaltsleistung verpflichtet wird. Solange aber ein Urteil auf Feststellung der Vaterschaft nicht erflossen ist, kann die Mutter ihren Anspruch auf Ersatz des Aufwandes für den Unterhalt des Kindes auf Grund des § 1042 ABGB. unter Hinweis auf die Vaterschaft geltend machen. In einem solchen Fall ist das Bestehen der unehelichen Vaterschaft eine privatrechtliche Vorfrage, welche lediglich in den Urteilsgrunden erörtert, nicht aber im Urteilsspruch beantwortet wird (vgl. Wentzel - Plessl in Klang 2. Aufl. I/2 S. 150; GlU. 4290, GlUNF. 7177). Nur wenn bereits ein Urteil auf Feststellung der Vaterschaft gegen einen anderen Mann ergangen ist, kann der natürliche Vater, solange dieses Urteil nicht behoben ist, zur Unterhaltsleistung nicht herangezogen werden (DREvBl. 1941 Nr. 342).

Wird aber das Recht der Mutter, wegen ihrer Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes gegen den Kindesvater eine Klage nach § 1042 ABGB. auch vor Feststellung der Vaterschaft zu erheben, bejaht, dann muß ihr auch das Recht zugebilligt werden, ihren Anspruch nach § 1042 ABGB. einredeweise geltend zu machen und insbesondere die Räumungsklage aus dein Titel der Nichtzahlung des Mietzinses damit abzuwehren, daß sie behauptet, im Hinblick auf ihre Ersatzforderung für geleisteten Unterhalt liege ein Mietzinsrückstand nicht vor. Der Umstand, daß dies eine Erschwerung des Räumungsprozesses bedeutet, weil in diesen die dem Räumungsprozeß an sich wesensfremde Frage nach dein Bestehen der außerehelichen Vaterschaft hereingetragen wird, steht dem nicht entgegen, weil seit der Erlassung der Zivilprozeßordnung das Erfordernis der Liquidität der Gegenforderung weggefallen ist (SZ. XXVI 200; Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 504).

Bei jedem Anspruch nach § 1042 ABGB. ist allerdings auch die Frage nach dem animus obligandi zu prüfen, welche Frage in der Regel dann zu verneinen sein wird, wenn die Mutter ihr außereheliches Kind jahrelang aus eigenen Mitteln verpflegt hat, ohne den Vater bei dessen bekanntem Aufenthalt je um die Alimentation oder den Ersatz des Ausgelegten angegangen zu haben (JB. Nr. 81). Aber diese Frage läßt sich ohne Durchführung eines Beweisverfahrens nicht entscheiden. Es muß, wenn die Vaterschaft feststeht, untersucht werden, aus welchen Gründen die Mutter jahrelang nichts unternommen hat, um einen Ersatz der ihr für das Kind entstandenen Auslagen durch den Vater zu erwirken.

Das Erstgericht wird daher die Frage der Vaterschaft des Klägers zu dem Kind der Beklagten und im Falle von deren Bejahung die weitere Frage zu untersuchen haben, warum die Beklagte bisher nichts unternommen hat, um Zahlungen des Klägers für den Unterhalt des Kindes zu erwirken. Erst nach Prüfung dieser Fragen wird über die gegen den Mietzinsrückstand eingewendete Gegenforderung von 20.000 S endgültig abgesprochen werden können. Nur dann, wenn diese Prüfung ergibt, daß die Gegenforderung von 20.000 S nicht besteht, oder aber wenn es sich ergibt, daß schon durch diese Gegenforderung der Mietzinsrückstand getilgt ist, wird eine Prüfung der Frage, ob die dritte Gegenforderung von 3702 S 50 g zu Recht besteht, entbehrlich sein.

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