Spruch:
Der Ausspruch nach § 32 Abs. 2 MietG. kann ebensowenig wie jener nach § 500 Abs. 3 ZPO. nachgetragen werden.
Entscheidung vom 11. Mai 1960, 5 Ob 183/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Das Erstgericht wies den ein Haus in G. betreffenden Antrag auf Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 7 MietG. ab.
Das Rekursgericht hob mit Beschluß vom 4. August 1959 den erstgerichtlichen Beschluß auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, ohne auszusprechen, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist. Die Entscheidung wurde am 29. August 1959 dem Vertreter des Antragstellers zugestellt, der am 1. September 1959 den Antrag stellte, den Beschluß durch den Beisatz zu berichtigen bzw. zu ergänzen, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei. Diesem Antrage wurde mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 28. März 1960 Folge gegeben. Hierauf erhob der Antragsteller am 7. April 1960 gegen den Beschluß vom 4. August 1959 Revisionsrekurs.
Der Oberste Gerichtshof wies diesen Revisionsrekurs als unzulässig zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 32 Abs. 2 MietG. kann gegen eine abändernde oder aufhebende Entscheidung des Rekursgerichtes Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur dann erhoben werden, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung feststellt, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes vom 4. August 1959 einen solchen Ausspruch nicht enthielt, war ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig. Die Entscheidung wurde daher mit ihrer Zustellung an die Parteien (d. i. am 29. August 1959 bzw. 31. August 1959) rechtskräftig. Die Rechtskraft konnte durch einen nachträglich gefaßten Ausspruch, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, nicht mehr beseitigt werden. Für die Erlassung eines solchen Beschlusses fehlt jede gesetzliche Grundlage. Das Rekursgericht grundet seinen Ergänzungsbeschluß auf die Bestimmungen der §§ 430, 423 ZPO. Abgesehen davon, daß für das Verfahren in Mietsachen nicht die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung, sondern gemäß § 25 MietG. die Vorschriften des Außerstreitgesetzes Anwendung finden und daher nur eine analoge Anwendung der §§ 430, 423 ZPO. in Frage käme, liegt auch ein den im § 423 ZPO. geregelten Fällen vergleichbarer Fall hier nicht vor. § 423 ZPO. setzt voraus, daß über etwas nicht entschieden wurde, worüber auf jeden Fall zu entscheiden gewesen wäre. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Im Gegensatz zur Vorschrift des § 500 Abs. 2 ZPO., welche einen Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes zwingend vorschreibt, weshalb bei Unterbleiben des Ausspruches die Bewertung nachgetragen werden muß, hängt die Eröffnung des Rechtszuges an den Obersten Gerichtshof nach § 32 Abs. 2 MietG. von der vom Rekursgericht zu treffenden Feststellung ab, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist. Der Ausspruch, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, ist dem Rechtskraftvorbehalt nach § 519 Z. 3 ZPO. vergleichbar. Ein solcher kann aber, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nicht nachgetragen werden (SZ. VII 185, 2 Ob 15/49, 3 Ob 720/54). Das gleiche gilt hinsichtlich der Erklärung der Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs. 4 ZPO. (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 568) und der Revisionsbeschwerde nach § 21 Abs. 2 des 3. Rückstellungsgesetzes (EvBl. 1954 Nr. 135). Inhaltlich sagt aber § 32 Abs. 2 MietG. trotz seiner aus verfassungsrechtlichen Gründen vorgenommenen Neuformulierung durch den Justizausschuß (s. Nr. 674 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII. GP., und vgl. hiezu die Regierungsvorlage, Nr. 392 dieser Beilagen) das gleiche wie § 502 Abs. 4 ZPO., nämlich: er macht die Möglichkeit der Erhebung eines weiteren Rechtsmittels von der Entscheidung durch die zweite Instanz abhängig. Ob allenfalls die Unterlassung der Feststellung, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, zu einer Berichtigung in analoger Anwendung des § 419 ZPO. (JBl. 1937 S. 457) dann führen könnte, wenn diese Feststellung beschlossen war und ihre Aufnahme in den Spruch nur durch ein Versehen unterblieben ist (EvBl. 1954 Nr. 135), ist hier nicht zu untersuchen, weil dieser Fall nicht vorliegt. Das Rekursgericht hat erst in seinem Ergänzungsbeschluß vom 28. März 1960 den Ausspruch nach § 32 Abs. 2 MietG. beschlossen und begrundet, nachdem bereits durch die Unterlassung dieses Ausspruches in der Entscheidung vom 4. August 1959 bindend klargestellt war, daß ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof unzulässig ist. Eine nachträglich durch die Einfügung des Ausspruches nach § 32 Abs. 2 MietG. vorgenommene Ergänzung der Entscheidung des Rekursgerichtes ist unbeachtlich. Der Umstand, daß der Ergänzungsbeschluß des Rekursgerichtes nicht angefochten wurde, ändert daran nichts, weil die Vorschriften über das Verfahren von Amts wegen zu beachten sind (SZ. VII 185); übrigens enthielt der Ergänzungsbeschluß die Rechtsmittelbelehrung, daß ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß nicht zulässig sei. Zu welchen Folgerungen die Berücksichtigung eines solchen Ergänzungsbeschlusses führen würde, zeigt gerade der vorliegende Fall, wo die Entscheidung des Rekursgerichtes am 31. August 1959 in Rechtskraft erwachsen ist und durch den Ergänzungsbeschluß vom 28. März 1960, der dem Vertreter der Antragsgegner am 7. April 1960 zugestellt wurde, sieben Monate später wieder anfechtbar werden würde.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)