OGH 5Ob166/59

OGH5Ob166/598.4.1959

SZ 32/47

Normen

ABGB §479
GBG §9
ABGB §479
GBG §9

 

Spruch:

Das frei veräußerliche und frei vererbliche Recht einer bestimmten Person, eine auf der Liegenschaft befindliche Werkstätte mit möglichster Schonung des fremden Gründeigentums zu benützen, kann als unregelmäßige Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden.

Entscheidung vom 8. April 1959, 5 Ob 166/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Ob der Liegenschaft EZ. 761 Grundbuch R. ist in COZ. 12 auf Grund des Vertrages vom 10. Dezember 1903 zugunsten des Melchior G. das dingliche, frei veräußerliche und frei vererbliche Recht einverleibt, eine auf dieser Liegenschaft befindliche Werkstätte in der durch die Verhältnisse und durch die Bauart der Werkstätte bedingten Art und Weise mit möglichster Schonung des fremden Gründeigentums zu benützen. Dieses im Erbweg zuletzt auf Franz G., Paula K. und Maria D. übergegangene Benützungsrecht wurde mit Übergabsvertrag vom 10. Oktober 1957 an Josef Sch. übertragen.

Auf Antrag des Josef Sch. bewilligte das Erstgericht auf Grund der vorgelegten Urkunden die Einverleibung der Übertragung der in GOZ. 12 auf Grund des Vertrages vom 10. Dezember 1903, Pkt. II, einverleibten, dem Melchior G. erwachsenen Rechte auf die Benützung der dortselbst bezeichneten Werkstätte an Josef Sch. Infolge Rekurses von drei Miteigentümern zu je 1/6 der Liegenschaft EZ. 761 Grundbuch R. änderte das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag abwies. Es müsse davon ausgegangen werden, daß gemäß § 9 GBG. 1955 Gegenstand einer Einverleibung im Grundbuch nur dingliche Rechte und Lasten, das Wiederkaufsrecht und das Vorkaufsrecht sowie das Bestandrecht sein könnten. Ergebe sich aus einer Eintragung im Grundbuch, daß ihr Inhalt nach dem Gesetz nicht Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung sein dürfe, so sei diese Eintragung von Amts wegen zu löschen (§ 130 GBG. 1955). Daraus folge, daß ein Ansuchen um Einverleibung der Übertragung von Rechten dann abzuweisen sei, wenn diese Rechte nicht Gegenstand einer Eintragung im Grundbuch sein dürften und daher unzulässigerweise eingetragen worden seien. Das in Rede stehende Recht auf Benützung einer Werkstätte, die auf einem fremden Grund stehe, gegen Bezahlung eines bestimmten Entgeltes sei weder ein Recht nach § 1125 ABGB. noch überhaupt ein dingliches Recht. Daran ändere nichts, daß dieses Recht von den vertragschließenden Parteien als dingliches Recht bezeichnet worden sei, weil durch Parteienvereinbarung ein rein obligatorischer Anspruch nicht zu einem dinglichen Recht gemacht werden könne. Es könne aber auch nicht gesagt werden, daß es sich hier um die Begründung von Bestandrechten gehandelt habe. Abgesehen davon, daß eine bestimmte Zeit für die Überlassung des Gebrauches dieser Werkstätte nicht festgelegt worden sei, hätten die Vertragspartner dadurch, daß sie dieses Recht als dinglich, frei vererblich und frei veräußerlich bezeichneten, offenkundig zum Ausdruck bringen wollen, daß hier gewisse, über den Rahmen eines Bestandvertrages hinausgehende Pflichten und Rechte erworben bzw. eingeräumt werden sollten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Rekurs wird ausgeführt, nach Punkt II des Vertrages vom 10. Dezember 1903 habe der damalige Berechtigte Melchior G. ein dingliches, frei vererbliches Recht erworben, die von ihm auf dem dienenden Gut errichtete Werkstätte mit möglichster Schonung des fremden Gründeigentums zu benützen, und es seien die jeweiligen Besitzer der Liegenschaft EZ. 761 Grundbuch R. verpflichtet worden, diese Werkstätte auf ihrem Grund zu dulden und den Berechtigten in der bedungenen Benützung der Werkstätte nicht zu stören. Sowohl die Textierung dieses Vertragspunktes als auch dessen tatsächlicher Inhalt seien geradezu der klassische Fall einer Dienstbarkeit. Eine solche sei aber nach § 472 ABGB. ein dingliches Recht und daher durchaus der Eintragung fähig. Daran ändere nichts, daß für die Benützung des Gründes ein Entgelt (jährlich 100 Kronen) bedungen wurde, denn Unentgeltlichkeit sei im Gesetz nicht verlangt. Wesentlich sei, daß der Eigentümer des dienenden Gutes zu keiner tätigen Leistung, sondern nur zu einer Duldung oder Unterlassung verpflichtet sein dürfe.

Den Rekursausführungen ist beizupflichten.

Die Dienstbarkeit ist ein Nutzungsrecht. Sie gewährt dem Berechtigten unmittelbare Nutzung im allgemeinen, ohne Leistung des Eigentümers der belasteten Sache. Dieser wird nur verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte. Wesentlich ist, daß sich die Duldung oder Unterlassung auf die Nutzung des Grundstückes selbst bezieht (vgl. SZ. XXVIII 27). Da das Nutzungsrecht diesmal einer Person und nicht zugunsten eines Grundstückes eingeräumt wurde, bildet es eine unregelmäßige Dienstbarkeit gemäß § 479 ABGB. Diese Bestimmung anerkennt, daß es Rechte an fremden Grundstücken geben kann, deren Inhalt von den normalen Rechtsformen abweicht. Derartigen Berechtigungen ist die rechtliche Anerkennung nicht versagt. Sie sind wahre Dienstbarkeiten und deshalb im Grundbuch einzutragen (GlUNF. 3373). Ihr Inhalt kann durch Verabredungen gestaltet werden (§ 504 ABGB.). Daher konnte das Nutzungsrecht auch mit der Verpflichtung zur Entrichtung eines wiederkehrenden Entgelts belastet werden. Es war auch die Abmachung zulässig, daß das eingeräumte Recht frei vererblich und veräußerlich sein solle (§ 529 ABGB.).

Da Josef Sch. durch die vorgelegten, der Vorschrift des § 31 GBG. 1955 entsprechenden Urkunden dargetan hat, daß nunmehr ihm die Ausübung des einverleibten Servitutsrechtes zusteht, hat das Erstgericht ohne Rechtsirrtum die Einverleibung der Übertragung dieses Rechtes bewilligt. Einer Zustimmung der Liegenschaftseigentümer bedurfte es hiezu nicht, da das Recht der Dienstbarkeit zufolge seiner Verbücherung unmittelbar auf der Liegenschaft haftet und demnach die Ausübung dem dinglich Berechtigten auch ohne Bestehen eines obligatorischen Verhältnisses zwischen ihm und den jeweiligen Gründeigentümern zusteht.

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