OGH 5Ob166/18z

OGH5Ob166/18z20.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Grohmann und Mag. Malesich sowie die Hofräte Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Gemeinde R*****, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Ab- und Zuschreibung in EZ ***** KG *****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Juni 2018, AZ 53 R 58/18w, mit dem über Rekurs der Einschreiter 1. E***** R*****, 2. F***** R*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 19. März 2018, TZ 660/2018, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00166.18Z.0220.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

Mit ihrem vom Vermessungsamt Innsbruck beurkundeten Antrag begehrte die Antragstellerin gemäß den Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG die grundbücherliche Durchführung der lastenfreien Abschreibung einer Teilfläche aus Gst 30/25 der EZ ***** KG ***** und Zuschreibung dieser Fläche zu Gst 589 ebenfalls der EZ ***** KG *****. Bei beiden Grundstücken handelt es sich um öffentliches Gut. Das Vermessungsamt Innsbruck bestätigte nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse, dass auf Gst 589 eine Weganlage errichtet wurde.

Auf dem zu teilenden Gst 30/25 haftet für das Gst 30/10 der EZ ***** KG ***** die Reallast der Erhaltung einer Grüninsel gemäß Punkt XII. des Kaufvertrags vom 21. 2. 2000. Das Gst 30/10 der EZ ***** KG ***** steht im Miteigentum der Einschreiter. In einem von der Antragstellerin zusätzlich zum Teilungsplan und der Bescheinigung des Vermessungsamts gemäß § 39 VermG vorgelegten Lageplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, der auch den Teilungsplan errichtet hat, findet sich eine Darstellung der Grüninsel und dessen Bestätigung, dass diese Grüninsel von der Abschreibung der Teilfläche nicht betroffen ist.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten Grundstücksveränderungen. Eine Zustimmung der Einschreiter als den Eigentümern des reallastberechtigten Gst 30/10 zur lastenfreien Abschreibung wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht eingeholt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Einschreiter Folge und wies den Antrag ab. Bei der verpflichtenden Reallast der Erhaltung einer Grüninsel handle es sich zwar um eine Prädialreallast, weil die Berechtigung mit dem Eigentum am Gst 30/10 verknüpft sei. Eine lastenfreie Abschreibung von Reallasten könne aber unabhängig davon, ob es sich um eine Personal- oder Prädialreallast handle, nur mit Zustimmung der Berechtigten erfolgen. Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 80/17a erörterte analoge Anwendbarkeit des § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG komme nicht in Betracht, weil durch die lastenfreie Abschreibung jedenfalls der Haftungsfonds für die Sicherstellung der Reallast vermindert werde. Die Grüninsel möge von der Abschreibung der Trennfläche zwar in räumlicher Hinsicht nicht betroffen sein, in rechtlicher Hinsicht diene aber auch diese Teilfläche als Teil des Haftungsfonds zur Sicherstellung der aus der Reallast resultierenden Verpflichtung auf Erhaltung der Grüninsel. Vor Bewilligung der lastenfreien Abschreibung wäre daher die Zustimmung der Einschreiter einzuholen gewesen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG analog auf Prädialreallasten anzuwenden sei. Die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 5 Ob 80/17a könnten nur als obiter dictum verstanden werden.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1.1.  Gemäß § 847 ABGB kann die bloße Teilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes einem Dritten nicht zum Nachteil gereichen; alle ihm zustehenden Pfand-, Servituts- und anderen dinglichen Rechte werden nach wie vor der Teilung ausgeübt. Trifft jedoch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit nur ein Teilstück, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.

1.2.  Die Voraussetzungen für die grundbücherliche Teilung, Abschreibung und Zuschreibung von Grundstücken regelt das LiegTeilG (vgl RIS-Justiz RS0066243 [T3]). Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG ist zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers die Zustimmung der Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind (Buchberechtigte), nicht erforderlich, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese, und zwar die Pfandrechte als Simultanhypotheken, eingetragen werden. Gemäß § 3 Abs 2 LiegTeilG entfällt bei Grunddienstbarkeiten, die auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sind (§ 12 Abs 2 GBG), die Eintragung in der neuen Einlage, wenn sich diese Lasten auf das abzuschreibende Trennstück nicht beziehen (§ 847 ABGB). Eine lastenfreie Abschreibung ohne Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten ist demnach (nur) zulässig, wenn feststeht, dass sich die Dienstbarkeit nicht länger auch auf das abzuschreibende Trennstück erstreckt. Das hat der Antragsteller durch für das Grundbuchsverfahren ausreichende Urkunden darzutun. Liegt die Voraussetzung des § 3 Abs 2 LiegTeilG nicht vor, was nach Maßgabe des verwiesenen § 12 Abs 2 GBG zu entscheiden ist, kann die lastenfreie Abschreibung nur mit Zustimmung des Eigentümers des herrschenden Gutes oder im Rechtsweg erwirkt werden. Gegen den Willen des Eigentümers des herrschenden Gutes kann die lastenfreie Abschreibung im Grundbuchsverfahren somit nur erfolgen, wenn die räumliche Beschränkung im Grundbuch eingetragen ist und außerdem durch Urkunden, die den Anforderungen des § 74 Abs 1 GBG entsprechen, eindeutig nachgewiesen wird, dass sich die Dienstbarkeit auf das abzuschreibende Trennstück nicht bezieht (5 Ob 38/18a mwN; RIS-Justiz RS0018222).

1.3.  Die Änderung der Grundstücksgrenzen innerhalb der bestehenden Liegenschaft ist (materiell‑rechtlich) gleich wie Abschreibung eines Grundstücks und Bildung eines selbständigen Grundbuchskörpers hiefür zu beurteilen (5 Ob 100/90). Zur Änderung von Grundstücksgrenzen innerhalb desselben Grundbuchskörpers bedarf es allerdings weder des Nachweises einer rechtlichen Notwendigkeit noch der Bescheinigung eines wirtschaftlichen Interesses des Eigentümers (5 Ob 96/18f; 5 Ob 100/90 = RIS-Justiz RS0049580).

2.1.  Die Regelungen des § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG gelten ihrem Wortlaut nach für Grunddienstbarkeiten. In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 80/17a hat der Oberste Gerichtshof mit ausführlicher Begründung aber die analoge Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf Prädialreallasten, die Grunddienstbarkeiten gleich zu halten sind, grundsätzlich bejaht. Prädialreallasten stehen dem jeweiligen Eigentümer eines oder mehrerer anderer Grundstücke als Berechtigtem zu und dienen primär Zwecken dieses Grundstücks. Gerade dies spricht dafür, sie den in § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG ausdrücklich genannten Grunddienstbarkeiten gleichzuhalten. Hinsichtlich der Prädialreallasten wäre eine Regelung wie für Grunddienstbarkeiten im Fall der örtlichen Beschränktheit vom Gesetzgeber tatsächlich zu erwarten gewesen, insoweit ist daher eine planwidrige Unvollständigkeit gegeben. Aufgrund der wechselseitigen Grundstücksbezogenheit einer Prädialreallast kann – ebenso wie bei der Grunddienstbarkeit – üblicherweise davon ausgegangen werden, dass deren Wert primär in deren Ausübung liegt, sodass – anders als bei Personalreallasten – der Umfang des zur Verfügung stehenden Haftungsfonds für den Fall der Zwangsversteigerung oder des Konkurses nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die analoge Anwendung des § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG auf Prädialreallasten kommt daher in Betracht (5 Ob 80/17a; RIS‑Justiz RS0011719 [T4]). Da Reallasten im ABGB (und im LiegTeilG) nicht geregelt sind und eine gesetzliche Definition der Reallast fehlt, bleibt freilich im Einzelfall deren konkrete Ausformung zu prüfen.

2.2.  Schon das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass es sich im hier zu beurteilenden Fall um eine einer Grunddienstbarkeit gleich zu haltende Prädialreallast handelt. Die Reallast ist gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des an die Grüninsel angrenzenden Grundstücks zur Sicherstellung dafür eingeräumt, dass die Antragstellerin als Verwalterin des öffentlichen Wegegutes die auf dem belasteten Gst 25/30 errichtete Grüninsel weiterhin als solche im bestehenden Umfang erhält. Die Berechtigung ist daher mit dem Eigentum an dem reallastberechtigten Grundstück verknüpft und sie dient primär den Zwecken dieses Grundstücks. Die Bestimmungen des § 847 Satz 2 ABGB und des § 3 Abs 2 LiegTeilG sind hier daher anzuwenden.

2.3.  Für die analoge Anwendung dieser Bestimmungen spricht im hier zu beurteilenden Fall abgesehen von der konkreten Ausgestaltung der Prädialreallast auch der Umstand, dass die Änderung der Grundstücksgrenzen innerhalb desselben Grundbuchskörpers erfolgen soll. Die der analogen Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 847 Satz 2 ABGB und § 3 Abs 2 LiegTeilG auch auf Personalreallasten entgegenstehende Gefahr des teilweisen Verlusts des Haftungsfonds in der Zwangsversteigerung und im Konkurs (vgl 5 Ob 80/17a) besteht nicht, wenn sich der den Haftungsfonds bildende Grundbuchskörper in Art und Umfang gar nicht verändert.

3. Das vom Rekursgericht bejahteEintragungshindernis der fehlenden Freilassungserklärung der Reallastberechtigten liegt nicht vor; andere sind nicht zu erkennen. In Abänderung seiner Entscheidung war daher der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

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