Normen
KO §79 (1) Satz 2
Richterdienstgesetz §77 (1)
Richterdienstgesetz §173
KO §79 (1) Satz 2
Richterdienstgesetz §77 (1)
Richterdienstgesetz §173
Spruch:
Die Bestimmung des § 79 (1) Satz 2 KO., wonach auch ein Richter des BG. zum Konkurskommissär bestellt werden kann, ist durch § 77 (1) RDG. derogiert.
Entscheidung vom 12. Juli 1962, 5 Ob 165/62.
I. Instanz: Kreisgericht Krems a. d. D.; II. Instanz Oberlandesgericht Wien.
Text
Im Konkurs des Franz S., Fleischhauers in W., wurde gemäß § 79 (1) Satz 2 KO. der Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes Waidhofen a.
d. Thaya zum Konkurskommissär bestellt.
Das Konkursgericht wies den Antrag des Gläubigers Alois F., den Gerichtsvorsteher seiner Funktion als Konkurskommissär zu entheben und einen Richter des Kreisgerichtes Krems zum Konkurskommissär zu bestellen, mit der Begründung ab, daß die §§ 79 (1) KO. und 29 AO. durch § 77 (1) Richterdienstgesetz nicht derogiert seien. Der Konkurskommissär sei ein selbständiger, mit der vollen richterlichen Gewalt in allen ihren Funktionen ausgestatteter Richter. Er werde in seiner Eigenschaft als Konkurs- (Ausgleichs-) Kommissär nicht als Richter beim Gerichtshof verwendet, sondern werde von Fall zu Fall in Eigenzuständigkeit zum Kommissär bestellt.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es den Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes Waidhofen a. d. Th., Landesgerichtsrat Dr. Josef H., seiner Funktion als Konkurskommissär enthob, da die Bestimmung des § 79 (1) Satz 2 KO. durch § 77 (1) Richterdienstgesetz derogiert sei, zumal § 173 (2) RDG. mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes alle älteren gesetzlichen Vorschriften über Gegenstände, die in diesem Bundesgesetz geregelt sind, ausdrücklich aufgehoben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 77 (1) des Richterdienstgesetzes vom 14. Dezember 1961, BGBl. Nr. 305, stellt in Verfolgung der Bestimmungen des Art. 83 (2) und 88
(2) B.-VG. den Grundsatz auf, daß der Richter bei einem Gericht, für das er nicht ernannt ist, nicht verwendet werden darf.
Daß der Richter eines Bezirksgerichtes, wenn er gemäß § 79 (1) Satz 2 KO. vom Konkursgericht aus Zweckmäßigkeitsgrunden zum Konkurskommissär bestellt wird, als Richter des Konkursgerichtes, somit des Gerichtshofes erster Instanz (§ 63 (1) KO.), tätig wird, kann nicht zweifelhaft sein. Dies ergibt sich daraus, daß er gemäß § 79 (2) KO. das Konkursverfahren zu leiten hat, welches Verfahren zum Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofes erster Instanz gehört, und daß auch der Rechtszug gegen seine Entscheidungen an das Oberlandesgericht geht (§ 176 (2) KO.). Der zum Konkurskommissär bestellte Richter des Bezirksgerichtes wird somit funktionell beim Gerichtshof erster Instanz verwendet, obwohl er für diesen nicht ernannt ist. Daran ändert nichts, daß er seine Tätigkeit - örtlich gesehen - bei dem Bezirksgericht, für das er ernannt ist, ausübt, da es nicht auf den Ort der Amtsausübung, sondern auf die Art der Amtsgeschäfte ankommt, die er versieht.
§ 79 (1) Satz 2 KO. schafft auch keine Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in Konkurssachen, da die Zuständigkeit ausschließlich im § 63 (1) KO. geregelt ist, während die den dritten Abschnitt dieses Gesetzes bildenden §§ 79 ff. nur von den Organen des Konkursverfahrens handeln.
Auch das Argument des Revisionsrekurses, das Richterdienstgesetz regle nur die Standesverhältnisse der Richter und müsse daher auf § 79 (1) Satz 2 KO. ohne Einfluß bleiben, ist nicht stichhältig. Das Richterdienstgesetz verbietet in seinem § 77 die Verwendung eines Richters bei einem anderen Gericht als jenem, für das er ernannt ist, und es enthält in seinem § 173 (2) die - übrigens selbstverständliche - Bestimmung (§ 9 ABGB.), daß mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes alle älteren gesetzlichen Vorschriften über Gegenstände, die in diesem Bundesgesetz geregelt sind, aufgehoben werden. Da § 79 (1) Satz 2 KO. und § 77 (1) Satz 1 RDG. inhaltlich unvereinbar sind, muß somit die erstgenannte Bestimmung als aufgehoben angesehen werden.
Zweckmäßigkeitserwägungen mußten bei der Entscheidung außer Betracht bleiben. Unerheblich ist es schließlich, daß der Katalog der aufgehobenen Vorschriften in § 173 (2) RDG. den § 79 (1) Satz 2 KO. nicht ausdrücklich anführt, da die Aufzählung der aufgehobenen Bestimmungen nur eine beispielsweise ist.
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