OGH 5Ob164/06p

OGH5Ob164/06p14.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Erwin B*****, vertreten durch Robert Knoll, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, gegen die Antragsgegner 1. B*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien,

2. Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft *****, vertreten durch Irving Freund KEG, Floßgasse 1a, 1020 Wien, diese vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG, über

1.) den Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin gegen den Beschluss und 2.) den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. März 2006, GZ 38 R 304/05w-48, womit der Rekurs der „I***** KEG" zurückgewiesen und 2. dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. September 2005, GZ 20 Msch 55/03w-38, keine Folge gegeben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Dem Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der Zweitantragsgegnerin aufgetragen. Die Zweitantragsgegnerin hat die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung jedenfalls selbst zu tragen.

2.) Die Entscheidung über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 2005, GZ 20 Msch 5503w-38, bleibt vorbehalten.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist seit 1. 6. 1989 Mieter der Wohnung Top Nr. 16 im Haus ***** in *****. Seit 2001 ist an dieser Wohnung Wohnungseigentum begründet. Die Erstantragsgegnerin ist Wohnungseigentümerin der vom Antragsteller gemieteten Wohnung. Die Zweitantragsgegnerin ist die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft. Die Wohnung des Antragstellers liegt unmittelbar unterhalb des Dachgeschossausbaus; sie besteht aus Vorraum, Küche, Badezimmer, WC, Zwischenflur und drei Zimmern. Sie weist folgende Schäden auf:

Im Bereich des Vorzimmers sind Risse an der Deckenichse an der Trennwand zum Gang und über der Wohnungseingangstüre vorhanden. Die Malerei ist in diesem Bereich teilweise aufgewölbt bzw abgeblättert. In der Küche zeichnen sich an der Trennwand zur Wohnung Top 17 im Hohlkehlenbereich Risse unterhalb der Tapeten ab. Im Schlafzimmer ist an der straßenseitigen Außenwand und der Trennwand zur Wohnung Top 17 im Hohlkellenbereich sowie an der Trennwand zum Wohnzimmer (Rissbildung) feststellbar. Im Wohnzimmer zeigt sich an der Trennwand zum Arbeitszimmer sowie an der Wohnungstrennwand in den Deckenichsen starke Rissbildung. Die vorhandene Tapete ist stellenweise aufgewölbt. Im Arbeitszimmer ist an der Trennwand zum Wohnzimmer eine sehr starke Rissbildung vorhanden. Die Malerei ist teilweise aufgewölbt bzw abgeblättert. Der Verputz klingt an einigen Stellen hohl. Im Bereich der Wandichsen der Trennwand zur Wohnung Top 15 sind ebenfalls Rissbildungen ersichtlich.

Diese Risse beschränken sich nicht nur auf die Oberfläche, sondern gehen so weit in die Tiefe, dass ihre Sanierung ein Abschlagen des Verputzes, ein Verschließen der offenen Bereiche und ein neuerliches Verputzen dieser Bereiche erfordert.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller als Mieter, den Antragsgegnern die Beseitigung dieser Schäden in seiner Wohnung durch Öffnen der Risse, Abschlagen der lockeren Verputzteile, Verschließen der Risse und Verputzen der betroffenen Bereiche aufzutragen. Es handle sich um dem Bestandgeber obliegende Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG. Durch Umbauarbeiten im Haus sei es zu den bezeichneten Schäden in seiner Wohnung gekommen. Die Antragsgegner bestritten das Begehren und beantragten dessen Abweisung. Die Schäden in der Wohnung des Antragstellers seien nicht durch Umbauarbeiten verursacht worden. Die Erhaltung im Inneren des Bestandgegenstandes obliege dem Antragsteller als Mieter. Es handle sich nicht um Arbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG, insbesondere nicht um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Antragstellers statt und verpflichtete beide Antragsgegner zur Durchführung der Arbeiten als Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG. Unter ernsten Schäden des Hauses seien nach der Rechtsprechung Schäden der Bausubstanz zu verstehen. Risse an Decken und Wänden seien dann ernste Schäden, die der Erhaltungspflicht des Vermieters unterlägen, wenn sie sich nicht auf die Oberfläche beschränkten, sondern soweit in die Tiefe gingen, dass sie die Bausubstanz beträfen und einen nicht unbedeutenden Sanierungsaufwand erforderten. Weil feststehe, dass die Sanierung der festgestellten Risse nicht durch bloßes Verspachteln, sondern durch Öffnen, Abschlagen des Verputzes, Verschließen der Risse und Neuverputzen der betroffenen Bereiche saniert werden müsse, seien diese Schäden als ernste Schäden des Hauses im Sinne von Schäden an der Bausubstanz zu qualifizieren.

Einem dagegen von der Erstantragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Einen weiteren von der „I***** KEG" namens der Zweitantragsgegnerin erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht zurück. Es begründete letztere Entscheidung damit, dass eine I***** KEG nicht Verfahrenspartei sei und ihr daher die Rekurslegitimation fehle.

Der Rekurs der Erstantragsgegnerin sei nicht berechtigt. Das Rekursgericht verneinte zunächst den behaupteten Verfahrensmangel, dass sich aus dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen lasse, welche Mauerrisse der gegenständlichen Wohnung überhaupt die Qualifikation von ernsten Schäden des Hauses hätten. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich, weil dem Gutachten bei sämtlichen im erstinstanzlichen Sachbeschluss festgestellten Mauerrissen zu entnehmen sei, dass sie sich nicht auf die Oberfläche beschränkten, sondern in die Tiefe gingen. Als Neuerung unbeachtlich habe im Rekursverfahren das Argument zu bleiben, dass Gegenstand eines anderen gerichtlichen Verfahrens (20 Msch 54/03y BG Innere Stadt Wien) schon die Beseitigung von Wassereintritt-Schäden in der Wohnung sei, was befürchten lasse, dass es zu doppelten Sanierungsmaßnahmen komme.

Auch sei im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen dahin erstattet worden, dass dem Antragsteller ohnedies bereits ein Entschädigungsbetrag für die Neuherstellung von Malerei und Tapeten in einem anderen Verfahren zuerkannt worden sei.

Entschiedene Sache liege schon deshalb nicht vor, weil es im Verfahren 20 Msch 54/03y des Erstgerichtes um einen Anspruch auf Zahlung eines Entschädigungsbetrages nach § 8 Abs 3 MRG gehe, während im gegenständlichen Verfahren ein Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG zu behandeln sei. Es liege also weder entschiedene Sache noch Identität der Ansprüche vor. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vorlägen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich 1.) der Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin insoweit, als ihr Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss zurückgewiesen wurde, mit dem Antrag auf Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses dahin, dass die Zurückweisung ihres Rekurses aufgehoben und die Rechtssache an die erste Instanz zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zurückverwiesen werde, allenfalls an das Gericht zweiter Instanz mit dem Auftrag, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Rekurs der Zweitantragsgegnerin zu entscheiden. Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichtes richtet sich 2.) der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag mit dem Ziel einer Verfahrensergänzung durch das Gericht erster oder zweiter Instanz gestellt.

Der Antragsteller hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten und darin beantragt, dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin gegen die Zurückweisung ihres Rekurses durch das Gericht zweiter Instanz ist zulässig und im Sinn des in ihm enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt:

Die Rechtsmittelwerberin hat ausdrücklich keine Reihung einerseits des Rechtsbehelfes der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und andererseits des Revisionsrekurses vorgenommen. Es ist daher zunächst über ihren Revisionsrekurs zu entscheiden (vgl RIS-Justiz RS0007046; RS0036501).

Vorauszuschicken ist, dass die I***** KEG, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Hans Pernkopf, während des gesamten Verfahrens als Vertreterin (Verwalterin) der Zweitantragsgegnerin auftrat. Als sie daher im eigenen Namen „als Zweitantragsgegnerin" einen Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss erhob, hätte es der Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bedurft, um diese allfällige Unklarheit auszuräumen, insbesondere, ob die Bezeichnung im Schriftsatz ON 39 irrtümlich erfolgte. Irgendein Hinweis darauf, dass sich die Einschreiterin auf eine ihr aufgrund einer Rechtsänderung nunmehr selbst zukommende Parteistellung berufen hätte, ist dem Schriftsatz nämlich nicht zu entnehmen.

Zufolge § 10 Abs 4 AußStrG hat das Gericht ein Anbringen, das an einem Form- oder Inhaltsmangel leidet, der weitere Verfahrensschritte hindert, nicht sogleich ab- oder zurückzuweisen, sondern erst für die Verbesserung zu sorgen. Bei evidenten Schreib- oder Diktatfehlern kann ein solcher Verbesserungsauftrag sogar telefonisch erfolgen, was nach den Erläuterungen den zur RV aus der Wendung „zu sorgen" abzuleiten ist (vgl Fucik/Kloiber AußStrG Rz 6 zu § 10 unter Hinweis auf G. Kodek in Fasching/Konecny² II/2 §§ 84, 85 ZPO Rz 246). Das Rekursgericht hat dadurch, dass es ohne selbst für eine Verbesserung zu sorgen oder dem Erstgericht eine solche aufzutragen, den Rekurs der „I***** KEG" als Zweitantragsgegnerin zurückwies, einen Verfahrensfehler gesetzt, der den Ausschluss der Zweitantragsgegnerin vom Rekursverfahren bewirkte und daher erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist.

Der Rekurs erweist sich daher als zulässig.

Mittlerweile bedurfte es keines Verbesserungsverfahrens mehr, da im Revisionsrekurs gegen die zurückweisende Entscheidung der Irrtum bei Verfassung des Schriftsatzes bereits aufgeklärt wurde. Der Rekurs der Zweitantragsgegnerin erweist sich damit auch als berechtigt. Das hatte zur Aufhebung des rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses zu führen.

Das Rekursgericht wird über den Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss, soweit das Begehren gegen die Zweitantragsgegnerin gerichtet ist, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden haben.

2. Die beiden Antragsgegnerinnen sind zufolge § 4 Abs 3 WEG in der Hauptsache zwar solidarisch verpflichtet (A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht Rz 17 zu § 4 WEG), über eine formelle Streitgenossenschaft geht ihr Rechtsverhältnis zueinander aber nicht hinaus. Insbesondere liegt ein Fall des § 43 Abs 2 AußStrG nicht vor.

Um unnötigen Verfahrensaufwand zu vermeiden und der Gefahr divergierender Entscheidungen zu begegnen, ist aber einer gemeinsamen Entscheidung in der Hauptsache hinsichtlich beider Antragsgegnerinnen der Vorzug zu geben. Das gebietet ein Zuwarten mit der Entscheidung über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin so lange, bis feststeht, dass entweder ein Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin nicht (mehr) erhoben wird oder aber bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem auch ein solcher dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden kann. Dann wird das Erstgericht den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin neuerlich - allenfalls die Revisionsrekurse beider Antragsgegnerinnen - dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen haben.

Die Kostenentscheidung zu 1. beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF, wonach grundsätzlich jede Verfahrenspartei die Kosten anwaltlicher Vertretung selbst zu tragen hat. Diese Regelung gilt für sämtliche Verfahren, die vor dem 1. 1. 2005 anhängig gemacht wurden.

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