OGH 5Ob160/02v

OGH5Ob160/02v12.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Wohnungseigentumsgemeinschaft der EZ ***** KG *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkowits, Dr. Robert Steiner, Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner M***** & P***** GesmbH *****, vertreten durch Mag. Stephan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 16 Abs 3 WEG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Februar 2002, GZ 41 R 341/01b-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 29. August 2001, GZ 3 Msch 33/01m-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Dem Erstgericht wird aufgetragen, über den verfahrenseinleitenden Antrag der Antragstellerin im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin war in der Zeit vom 1. 1. 1992 bis 31. 3. 1998 Hausverwalterin der Liegenschaft ***** in *****. In der Zeit vom 1. 1. 1992 bis 1994 bestand an der Liegenschaft einfaches Miteigentum. Im Jahr 1994 wurde die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 24a WEG im Grundbuch angemerkt. Wohnungseigentum begründet und grundbücherlich einverleibt wurde erst nach Beendigung der Verwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin, nämlich am 10. 7. 1998 zu TZ 2446/1998 des BG Josefstadt.

Im Schreiben vom 11. 3. 1996 hielt die Antragsgegnerin gegenüber den Miteigentümern der Liegenschaft fest, dass sie seit Jänner 1996 die verfahrensgegenständliche Liegenschaft bereits wie ein Wohnungeigentumsobjekt abrechne. Mit Schreiben vom 17. 6. 1998 gab die Antragsgegnerin den Miteigentümern der Liegenschaft bekannt, dass aus der Reparaturrücklage per 31. 3. 1998 ein Guthaben von S 443.047,15 bestehe.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 3. 7. 2001 begehrt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Ausfolgung des Reparaturrücklagenguthabens der WE-Gemeinschaft im Betrag von S 443.047,15 zuzüglich 4 % Zinsen seit 1. 4. 1998 zu Handen der nunmehrigen Hausverwalterin aufzutragen. Die Antragsgegnerin sei bisher ihrer aus § 16 Abs 3 WEG resultierenden Verpflichtung trotz Aufforderung nicht nachgekommen.

Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren, beantragte Zurückweisung, in eventu Abweisung des Antrags und wendete ein, dass im Rechtsverhältnis zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern und ihr weder § 16 Abs 3 WEG noch § 26 WEG anwendbar sei. Während der gesamten Hausverwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin sei nämlich am Objekt kein Wohnungseigentum begründet gewesen, auch sei § 23 Abs 4 WEG idF der WRN 1999 noch nicht in Kraft gewesen. Bis zum 31. 8. 1999 habe die Anwendung des WEG ausnahmslos die Einverleibung des Wohnungseigentums vorausgesetzt. Erst seit 1. 1. 1999 (Inkrafttreten des § 23 Abs 4 WEG durch die WRN 1999) genüge für die Anwendbarkeit einiger Bestimmungen des WEG die Anmerkung der Zusage des Wohnungseigentumsrechts. Mangels Anwendbarkeit des WEG sei ein Verfahren nach § 26 WEG unzulässig, das angerufene Gericht sachlich und örtlich unzuständig.

Darüber hinaus bestehe die Aktivlegitimation der Antragstellerin nicht. Jeglicher sich aus der Abrechnung ergebende Guthabensbetrag könne - dem Wesen des damals noch bestehenden schlichten Miteigentums entsprechend - nur von jedem einzelnen Miteigentümer im Ausmaß seines Anteils geltend gemacht werden.

Im Weiteren bestritt die Antragsgegnerin ein Guthaben aus einer Reparaturrücklagenabrechnung in Höhe von S 443.047,15. Die Antragstellerin hielt dem entgegen, dass zwischen den Miteigentümern eine Verrechnung der Aufwendungen unter Anwendung des WEG ausdrücklich vereinbart worden sei.

Im Zeitpunkt der Antragstellung sei jedenfalls ausschließlich die Antragstellerin zur Herausforderung der Reparaturrücklage legitimiert, welche nach gesetzlicher Vorschrift ein gesondertes Vermögen der Antragstellerin sei. Die Reparaturrücklage sei bereits ab Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft ein ausschließlich dieser zustehendes Sondervermögen.

Für den Fall der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs begehrte die Antragstellerin die Überweisung der Rechtssache in das streitige Verfahren sowie an das diesfalls sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Fünfhaus.

Das Erstgericht sprach zu 1. aus, dass der verfahrenseinleitende Antrag als Klage zu deuten und im streitigen Rechtsweg zu behandeln sei. Unter Punkt 2. wies es das Klagebegehren zurück und zu 3. das Begehren um Überweisung an das sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Fünfhaus ab.

In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seine Entscheidung damit, dass während des gesamten Verwaltungszeitraums das WEG nicht anwendbar gewesen sei, auch § 23 Abs 4 WEG, der mangels Anordnung nicht zurückwirke, nicht in Geltung gestanden sei. Eine Rücklage nach § 16 WEG könne aber erst gebildet werden, wenn an der Liegenschaft Wohnungseigentum begründet sei. Ein Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 5 WEG setze die Anwendbarkeit des § 16 WEG voraus. Im Verfahren nach § 26 WEG dürfe nur entschieden werden, wenn es um die Abrechnung und Herausgabe einer echten Rücklage im Sinn des § 16 WEG gehe (MietSlg XL/37; 41.495).

Bei der von der Antragsgegnerin eingehobenen “Rücklage" könne es sich also mangels Begründung von Wohnungseigentum nicht um eine solche nach § 16 WEG gehandelt haben. Ein Herausgabeanspruch gegenüber der Antragsgegnerin bestehe überhaupt nur nach den §§ 1009, 1012 ABGB. Der außerstreitige Rechtsweg sei dem Begehren der Antragstellerin verwehrt, weshalb ihr Antrag gemäß § 40a JN in eine Klage umzudeuten und die Rechtssache ins streitige Verfahren zu überweisen sei. Diesfalls bestehe aber eine sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, was zur Zurückweisung der Klage zu führen habe, weil es für eine Überweisung an das sachlich zuständige Gericht keine gesetzliche Grundlage gebe.

Für die gegenständliche Rechtssache bestehe auch keine Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes, weil das Klagebegehren auf Leistung eines Betrages von S 443.047,15 sA gerichtet sei. Mangels Kausal- und Wertzuständigkeit komme eine Übertragung an das Bezirksgericht Fünfhaus nicht in Betracht. Dieses sei offensichtlich unzuständig, weshalb der entsprechende Überweisungsantrag abzuweisen sei (§ 261 Abs 6 ZPO).

Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes (§§ 500a, 526 Abs 3 ZPO) und führte in einer Zusatzbegründung noch aus:

Im Rahmen der Privatautonomie sei grundsätzlich die Vereinbarung zulässig, für ein Vertragsverhältnis eine konkrete gesetzliche Regelung anzuwenden. Allerdings sei eine solche Vereinbarung auf die materiellrechtlichen Vorschriften beschränkt, Verfahrensvorschriften seien nicht vereinbar (für den Bereich des MRG: Würth/Zingher20 Rz 4 zu § 1 MRG; Böhm in Schwimann² Rz 42 zu § 1 MRG).

Selbst bei Feststehen der behaupteten Vereinbarung der Anwendbarkeit des WEG auf die Verwaltung der Liegenschaft schon vor Wohnungseigentumsbegründung sei der außerstreitige Rechtsweg für das Begehren der Antragstellerin unzulässig. Die Abrechnung und Herausgabe einer nicht auf den Bestimmungen des WEG beruhenden, nach privatrechtlicher Vereinbarung gebildeten Vermögensmasse stelle eine Angelegenheit dar, die weder ausdrücklich noch zwingend schlüssig in das außerstreitige Verfahren nach dem WEG verwiesen sei (MietSlg 41.495). Entscheidend sei allein, dass zum Zeitpunkt der Beendigung der Verwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin (31. 3. 1998) Wohnungseigentum noch nicht begründet war und daher die Anwendung des § 26 Abs 1 Z 5 WEG, welche ausdrücklich auf § 16 Abs 3 WEG verweise, nicht möglich sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil bisher keine Entscheidung des Höchstgerichts zur hier vorliegenden intertemporalen Problematik vorliege. Auch sei die rechtliche Konstellation der in MietSlg 41.495 zugrundeliegenden nicht völlig gleichzuhalten, überdies sei durch das

3. WÄG die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Trägerin des Sondervermögens Rücklage geworden. In 5 Ob 96/01f habe der Oberste Gerichtshof allerdings eine Übernahme der Rücklagenverrechnung aus einer Zeit vor Wohnungseigentumsbegründung in die Zeit danach durch stillschweigende Billigung aller Beteiligten für rechtlich zulässig erachtet. Es liege daher eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Begehren auf Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und Auftrag an das Erstgericht zur Durchführung eines Ergänzungsverfahrens und neuerlichen Entscheidung.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist auch berechtigt.

Zunächst trifft es zu, dass § 23 Abs 4 WEG, durch Art III Z 8 lit b WRN 1999 angefügt, erst mit 1. 9. 1999 in Kraft getreten ist und keine Rückwirkung dieser Bestimmung gesetzlich angeordnet wurde. Art IX Z 11 der WRN 1999 lautet: Im Übrigen sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ab dem jeweiligen Zeitpunkt ihres Inkrafttreten auch auf Verträge anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen worden sind. Damit ist die ständige Rechtsprechung zu gleichartigen Übergangsregelungen seit § 43 MRG anzuwenden (vgl Würth/Zingher Wohnrecht 2000 Anm 5 zu WRN 1999, S 368).

Zutreffend ist auch, dass die Vereinbarung der Zuständigkeit des Außerstreitverfahrens absolut unwirksam ist (vgl Ballon in Fasching Rz 78 zu § 1 JN; JBl 1950, 384). Auf eine solche prozessrechtliche Vereinbarung hat sich die Antragstellerin aber nicht berufen. Schon vor Inkrafttreten des § 23 Abs 4 WEG durch die WRN 1999 hat sich die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die analoge Anwendung von wohnungseigentumsrechtlichen Verwaltungsbestimmungen für das Vorstadium des Wohnungseigentums ausgesprochen (immolex 1999, 16; WoBl 1999/12 [zust Call]); was zuletzt noch in jüngeren Entscheidungen, etwa 5 Ob 38/01a oder 5 Ob 96/01f bekräftigt wurde. Das bedeutet, dass schon bisher Wohnungseigentumsbewerbern, für die eine Zusage über die Einräumung des Wohnungseigentums grundbücherlich angemerkt war, der außerstreitige Rechtswegs nach § 26 WEG offen stand (vgl zuletzt 5 Ob 38/01a; implizite 5 Ob 96/01f; WoBl 1999/12). Abweichend von früherer Rechtsprechung schon ausgesprochen, dass dann, wenn im Vorstadium des Wohnungseigentums (offenbar auf vertraglicher Grundlage) “Wohnbeiträge" eingehoben wurden und daraus eine Rücklage gebildet wurde, zugrunde zu legen ist, dass es dadurch zu einer (zumindest wirtschaftlich vergleichbaren) Rücklagenbildung gekommen sein kann (vgl 5 Ob 96/01f; Call in Glosse zu WoBl 1999/12).

Kam es also im vorliegenden Fall - wie bisher nicht geprüft - zu einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung, dass analog § 16 WEG eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für Aufwendungen zu bilden sei, wurde eine solche daraufhin tatsächlich gebildet und bei Beendigung der Verwaltung sogar als solche abgerechnet, führt dies im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 26 Abs 1 Z 5 WEG (nunmehr § 52 Abs 1 Z 6 WEG), auch wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Verwaltung und Fälligkeit des Herausgabeanspruchs weder Wohnungseigentum begründet war, noch § 23 Abs 4 WEG in Geltung stand.

Zur Aktivlegitimation:

§ 16 Abs 2 WEG (nunmehr § 31 Abs 2 WEG) regelt, dass die Rücklage ein gebundenes Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Hier ist die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtlich erst nach Beendigung der Verwaltungstätigkeit und somit erst nach Fälligwerden des Anspruchs auf Herausgabe der Rücklage entstanden ist. Wie der erkennende Senat bereits grundsätzlich in 5 Ob 96/01f ausgesprochen hat, steht nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft nur noch dieser, nicht aber den einzelnen Mit- und Wonungseigentümern der Anspruch auf Herausgabe einer rechtlich einer Rücklage gleichzuhaltenden, auf vertraglicher Grundlage im WE-Vorstadium gebildeten Vermögensmasse an den neuen Verwalter zu.

Unter den noch zu prüfenden Voraussetzungen (vertragliche, auch stillschweigende Vereinbarung einer “Rücklage" im WE-Vorstadium und Bildung einer solchen) ist die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu bejahen.

Im Weiteren fehlen dann noch Feststellungen über die Höhe des behaupteten (abgerechneten?) Überschusses.

Eine Aufhebung erweist sich damit als unumgänglich.

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