OGH 5Ob158/99t

OGH5Ob158/99t14.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Elisabeth G*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin A***** AG, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Mag. Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 1998, GZ 41 R 290/97v-53, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26. September 1996, GZ 6 Msch 26/95w-41, als Teilsachbeschluß bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird im Umfang der Abweisung des Antrags, aufgrund der vorliegenden Kategorie B sei von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin für die Wohnung E*****gasse *****nur ein Hauptmietzins gemäß der Kategorie B zu entrichten, aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist seit 1. 5. 1993 Hauptmieterin der Wohnung top Nr 4 im Haus E*****gasse*****. Vereinbart wurde ein Hauptmietzins von S 8.000 monatlich, wertgesichert zuzüglich Betriebskosten und USt, wobei im Mietvertrag von einer Zuordnung der Wohnung in die Ausstattungskategorie A ausgegangen wurde.

Nicht mehr strittig ist zwischen den Parteien des Bestandvertrages, daß der Antragsgegnerin der Belohnungstatbestand des § 16 Abs 1 Z 5 aF MRG zugute kommt und daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die Vereinbarung eines im Sinn des § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses zulässig war.

Mit ihrem am 19. Juni 1995 bei der Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt W***** eingebrachten Antrag begehrte die Antragstellerin, soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung, festzustellen, daß sie aufgrund der vorliegenden Kategorie B für die Wohnung E*****gasse ***** nur einen Hauptmietzins gemäß der Kategorie B an die Antragsgegnerin zu entrichten habe. Ein dem angefügtes Rückzahlungsbegehren ist als Anregung nach § 37 Abs 4 MRG vorzugehen, zu bewerten.

Nachdem sich die von der Antragsgegnerin im Verfahren aufgestellte Behauptung, es sei die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses (§ 16 Abs 1 MRG) infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 16 Abs 5 MRG idF vor dem 3. WÄG zulässig gewesen (Standardanhebung durch den Vermieter), als zutreffend erwiesen hatte, wies das Gericht erster Instanz den Mietzinsüberprüfungsantrag mit der Begründung ab, daß die fehlende Angemessenheit des Hauptmietzinses von der Antragstellerin nicht behauptet worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Abweisung und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine Angemessenheitsprüfung infolge unterlassener Bestreitung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses entbehrlich gewesen sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung an die erste oder zweite Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin macht im wesentlichen geltend, daß vom Umfang des oben wörtlich wiedergegebenen Antrags auf Mietzinsüberprüfung bei richtigem Verständnis auch die Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 MRG umfaßt gewesen sei. Ein solches Verständnis sei vor allem in Anbetracht der in § 16 Abs 8 MRG enthaltenen Befristung einer möglichen Mietzinsüberprüfung angebracht. Daß der Antragsgegnerin der Belohnungstatbestand der Standardanhebung, wie er nach altem Recht gegolten habe, zugute kommen könnte, habe ihr bei Einleitung des Verfahrens nicht bekannt sein können.

Durch die unterlassene Prüfung der Angemessenheit des mit der Antragstellerin vereinbarten Hauptmietzinses sei von den Vorinstanzen ein sekundärer Verfahrensmangel bewirkt worden. Der Antrag der Antragstellerin sei insofern nicht vollständig erledigt worden.

In der unrichtigen Auslegung des Umfangs des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin liege eine bedeutende Rechtsfrage des Verfahrensrechts im Sinn des § 502 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Obwohl es sich bei der Beurteilung des Umfangs eines Feststellungsbegehrens im Verfahren außer Streit um eine Auslegungsfrage im Einzelfall handelt, liegt doch in Anbetracht der durch das 3. WÄG eingeführten Regelung des § 16 Abs 8 MRG, die den Mieter von jeder weiteren Überprüfungsmöglichkeit nach Ablauf von drei Jahren ausschließt, ein Gesichtspunkt vor, der eine Befassung des Obersten Gerichtshofs mit der grundsätzlichen Frage des Umfangs der Überprüfungspflicht durch die Gerichte gebietet.

§ 37 Abs 1 Z 8 MRG verweist Angelegenheiten betreffend die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses in das Verfahren außer Streit, ohne die Möglichkeiten einzelner Feststellungsansprüche beispielshaft oder taxativ aufzuzählen. Zunächst hat die Rechtsprechung klargestellt, daß eine berichtigende Auslegung insofern vorzunehmen ist, als die im Gesetz angeführte "Angemessenheit" stets als "Zulässigkeit" des vereinbarten Hauptmietzinses anzusehen ist (vgl SZ 52/2 = MietSlg 36.503; 35.420, 36.492/40, 36.496, 43.309 ua). Gegenstand dieses besonderen Verfahrens außer Streit ist daher primär die Feststellung der gesetzlichen (Un)Zulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses.

Gleichzeitig ist aber bei voller Dispositionsmaxime der Parteien das Gericht an den Sachantrag des Antragstellers gebunden (§ 405 ZPO) und kann nur in dessen Rahmen entscheiden (WoBl 1991/102 = MietSlg 43.302 zu Eingriffen in das Mietrecht). Dazu kommt weiters, daß die Anrufung der Schlichtungsstelle zwingende Prozeßvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren ist und daher der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag bei Gericht nicht mehr geändert oder erweitert werden darf, auch die Unbestimmtheit eines Antrags bei Gericht nicht mehr beseitigt werden kann (vgl dazu Würth in Würth-Zingher20 Rz 3 zu § 39 MRG).

Die hier vorliegende Problematik bietet Anlaß zu grundsätzlichen Erwägungen:

Die Anwendung der dargestellten Verfahrensgrundsätze hat sich nach Einführung des § 16 Abs 8 MRG durch das 3. WÄG auch daran zu orientieren, daß ein Mieter nach Ablauf der dreijährigen Frist von jeder weiteren Möglichkeit, einen Mietzinsüberprüfungsantrag zu stellen, ausgeschlossen ist. Gerade dadurch ergibt sich aber die Notwendigkeit, innerhalb der dreijährigen Frist gestellte Mietzinsüberprüfungsanträge nicht kleinlich nach ihrem Wortlaut, sondern so auszulegen, daß nach Möglichkeit - im Rahmen des äußersten Wort- und Bedeutungssinns des Begehrens - eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses im sachlich notwendigen Umfang gewährleistet werden kann. Der vorliegende Fall zeigt diese Notwendigkeit klar auf: Hat ein Mieter im Zeitpunkt der Formulierung seines verfahrenseinleitenden Antrags keine Kenntnis von einem dem Vermieter zugute kommenden Ausnahmetatbestand, so besteht für ihn keinerlei Möglichkeit, auf die "Angemessenheit" im Sinn des § 16 Abs 1 MRG in seinem Antrag Bezug zu nehmen. Gibt er also in seinem Antrag zu erkennen, daß er jeglichen, über den nach der Ausstattungskategorie B zu berechnenden Hauptmietzins hinausgehenden Hauptmietzins für unzulässig hält, so gibt er damit zu erkennen, daß er eine Hauptmietzinsüberprüfung im Umfang jenes Betrages anstrebt, der zwischen dem vereinbarten und dem sich unter Zugrundelegung der Ausstattungskategorie B ergebenden Hauptmietzins liegt. Ergibt sich danach im Verfahren die gesetzliche Zulässigkeit eines angemessenen Hauptmietzinses, so steht auch dieser mangels Zugeständnisses in Frage. Ohne Erörterung mit den Parteien darf das Gericht daher die Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses seiner Entscheidung nicht zugrundelegen. Eine solche Erörterung ist im vorliegenden Fall unterblieben.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit der Antragstellerin zu erörtern haben, ob von ihr die Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses im Sinn des § 16 Abs 1 MRG zugestanden wird bzw im Bestreitungsfall diesen zu ermitteln zu haben.

Erst danach kann das Mietzinsüberprüfungsbegehren der Antragstellerin einer Entscheidung zugeführt werden.

Der Revisionsrekurs war in diesem Sinn berechtigt.

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