Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Parteien dieses Verfahrens sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus G*****gasse *****. Die Mehrheit von ihnen - zusammengerechnet 79,18 % der Anteile - beschloss am 10. 11. 2000 eine (neue) Gartenbenützungsordnung. Bisher wurden die Gartenflächen von den Wohnungseigentümern der im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen top 1 der Stiege 1, top 1 der Stiege 2, top 2/3 der Stiege 2, top 1 der Stiege 3 und top 2 der Stiege 3 unentgeltlich allein genützt.
Die Erstantragstellerin, der mit einem Schreiben der Hausverwaltung vom 23. 1. 2001 der Mehrheitsbeschluss für eine Garagen- und Gartenbenützungsvereinbarung mitgeteilt wurde, und dazu noch die Zweitantragstellerin haben am 16. 8. 2001 beim Erstgericht den Antrag gestellt, den ihnen bekannt gegebenen Mehrheitsbeschluss aufzuheben. Ohne auf die von der Hausverwaltung erwähnte Garagenordnung einzugehen, wies das Erstgericht den Sachantrag der Antragstellerinnen ab, den Beschluss aufzuheben, mit dem von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer die (dem erstinstanzlichen Sachbeschluss angeschlossene) “Gartenbenützungsordnung" festgelegt wurde. Es sah darin eine vorläufige Benützungsregelung iSd § 15 Satz 2 WEG, die von 3/4 der Miteigentümer der Liegenschaft auch außerhalb eines Verfahrens nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG rechtswirksam beschlossen werden konnte. Die jahrelange Nutzungsart des Gartens durch fünf Wohnungseigentümer sei als Dauerrechtsverhältnis aus wichtigem Grund kündbar gewesen, was durch den Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer auch geschehen sei. Ob ein ausreichender Grund für die Kündigung der bisherigen Gebrauchsordnung bestand, könne nur im Zuge eines Verfahrens zur gerichtlichen Regelung über die Benützung des Gartens der Liegenschaft geprüft werden, das nach § 15 WEG jeder Miteigentümer beantragen könne.
Das von den Antragstellerinnen angerufene Rekursgericht erkannte darin eine unvollständige Erledigung des Sachantrags, weil nicht über die Garagenbenützung abgesprochen wurde. Es entschied mit Teil-Sachbeschluss, dass “der mit Schreiben vom 23. 1. 2001 bekannt gegebenen Mehrheitsbeschluss der Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****, mit welchem eine schriftliche Garagen- und Gartenbenützungsordnung festgelegt wurde, hinsichtlich der Gartenbenützung rechtsunwirksam sei" und behielt die Entscheidung über die Garagenbenützung einer erst zu fällenden Endentscheidung des Erstgerichtes vor.
Strittig ist im derzeitigen Verfahrensstadium nur die Rechtswirksamkeit der Gartenbenützungsordnung als “vorläufige Benützungsregelung". Auf Details dieser Regelung und ihres Zustandekommens ist daher nicht einzugehen. Seine Rechtsansicht über die Unwirksamkeit des betreffenden Mehrheitsbeschlusses begründete das Rekursgericht wie folgt:
Die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Zulässigkeit einer vorläufigen Benützungsvereinbarung bereits vor einer Antragstellung auf gerichtliche Benützungsregelung sei nicht zu billigen. Sie könne sich zwar auf Zingher in Würth/Zingher20, Rz 3 zu § 15 WEG zu stützen und werde auch von Illedits (Das Wohnungseigentum, Rz 454) und Dirnbacher (Das WEG in der Fassung des 3. WÄG, 73) geteilt, doch seien Palten (Wohnungseigentum2, Rz 160), Tades/Stabentheiner (Das 3. WÄG, ÖJZ 1994, Sonderheft, 32), Spruzina (in Schwimann2, Rz 10 zu § 15 WEG) und Feil (Wohnungseigentum4, Rz 2 und 9) anderer Meinung. Letztere deuteten § 15 Satz 2 WEG trotz seiner unscharfen Textierung “bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über einen solchen Antrag" so, dass eine vorläufige Benützungsvereinbarung nur zwischen Antragstellung und Rechtskraft der Entscheidung über eine beantragte Benützungsregelung getroffen werden könne. Die Richtigkeit der zweiten Rechtsansicht ergebe sich aus einer systematischen Interpretation der erst durch das 3. WÄG geschaffenen Norm. Sie lautet: “Jeder Miteigentümer kann eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft begehren. Bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über einen solchen Antrag kann mit einer Mehrheit von 3/4 der Anteile eine vorläufige Benützungsregelung beschlossen werden ...".
Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht übergehe den logischen Zusammenhang zwischen dem 1. und 2. Satz des § 15 WEG. Der 1. Satz spreche von einem “begehren" eines Miteigentümers, somit von einer Antragstellung an das Gericht. Der 2. Satz regle daher nur das zeitliche Ende der Zulässigkeit einer vorläufigen Benützungsvereinbarung (“bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über einen solchen Antrag").
Hervorzuheben sei auch, dass bereits im (nicht Gesetz gewordenen) Entwurf des Bundeswohnrechtsgesetzes (BWRG) in dessen § 90 Abs 2 eine wörtlich idente Regelung vorgesehen war. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass das Rechtsinstitut der provisorischen Benützungsregelung geschaffen werde, “da ein gerichtliches Verfahren über einen solchen Antrag bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss unter Umständen längere Zeit in Anspruch nehmen kann." Die gleiche Argumentation finde sich noch in Würth/Zingher, WohnR 94, Anm 3 zu § 15 WEG.
Für das vom Rekursgericht vertretene Interpretationsergebnis sprächen auch die legistischen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem WEG 2002. Dessen § 17 lautet: “Jeder Miteigentümer kann eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft oder die gerichtliche Abänderung einer bestehenden Regelung aus wichtigen Gründen beantragen. Im erstgenannten Fall kann während des Verfahrens über den Antrag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anteile eine vorläufige Benützungsregelung beschlossen werden. ..."
Die bezughabenden Erläuterungen lauten: “Im Satz 2 wird die im früheren Recht gebrauchte Wortfolge ]]bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung[[ durch die Wortfolge ]]während des Verfahrens[[ ersetzt. Damit soll klargestellt werden, dass die Miteigentümer (mit einer Mehrheit von zwei Dritteln) erst ab Gerichtsanhängigkeit eines Benützungsregelungsverfahrens und nur bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung eine vorläufige Benützungsregelung beschließen können. Auch besteht diese Möglichkeit nur bei einem Antrag auf gerichtliche Benützungsregelung (Satz 1 1. Fall), nicht bei einem Antrag auf gerichtliche Abänderung einer bestehenden Benützungsregelung (Satz 1 2. Fall). ..."
Damit habe der Gesetzgeber offengelegt, dass - für die hier interessierende Problematik - lediglich eine Klarstellung, nicht aber eine (inhaltliche) Änderung der bisherigen Regelung durch das WEG 2002 erfolgen soll.
Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, dass eine vorläufige Benützungsvereinbarung iSd § 15 Satz 2 WEG vor einer gerichtlichen Antragstellung auf Benützungsregelung unzulässig ist, weil sonst eine Umgehung des zwingenden Einstimmigkeitserfordernisses einer Benützungsvereinbarung (vgl Gamerith in Rummel3, Rz 3 zu § 834 ABGB) allzu leicht möglich wäre und der Gesetzgeber hier kein dem § 14 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG vergleichbares Szenario vorgesehen hat. Die von den Antragstellern bekämpfte vorläufige Benützungsregelung sei daher schon deshalb als unzulässig festzustellen, ohne dass auf den konkreten Inhalt der Vereinbarung eingegangen werden müsse. Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle nämlich höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob eine vorläufige Benützungsregelung schon vor einer Antragstellung nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG mehrheitlich beschlossen werden kann.
Mit dem jetzt vorliegenden Revisionsrekurs streben die Antragsgegner die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an; hilfsweise soll der Antrag auf Feststellung der Ungültigkeit des Mehrheitsbeschlusses abgewiesen werden. Sie beschäftigen sich in diesem Rechtsmittel ausschließlich mit der strittigen Rechtsfrage, ob mit qualifizierter Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer schon vor bzw unabhängig von einem Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG eine vorläufige Benützungsregelung beschlossen werden kann und vertreten dazu im Wesentlichen den Rechtsstandpunkt des Erstgerichtes. Als Maßnahme der Verwaltung sei eine vorläufige Benützungsregelung grundsätzlich mehrheitsfähig. Die im WEG 2002 diesbezüglich vorgesehen Veränderungen ließen keine Rückschlüsse auf den normativen Gehalt des § 15 WEG aF zu, weil der Problemkreis der Benützungsvereinbarung bzw -änderung und -regelung unter Einschluss der dinglichen Wirkungen völlig neu geregelt worden sei. Die Antragstellerinnen wiederum sind der Auffassung des Rekursgerichtes. Sie haben in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Antragsgegner nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Der erkennende Senat teilt die überzeugend begründete Rechtsansicht des Rekursgerichtes und sieht sie auch durch die im Revisionsrekurs vorgebrachten Gegenargumente nicht stichhältig widerlegt. ISd § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO (iVm § 26 Abs 2 WEG, § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 528a ZPO) ist daher nur nochmals darauf hinzuweisen, dass schon der Wortlaut des § 15 Satz 2 WEG 1975 (idF des 3. WÄG) eine konditionelle Verknüpfung der “vorläufigen Benützungsregelung" mit einem Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG 1975 nahe legt. Es sollte offenbar Rechtssicherheit für die Dauer dieses Verfahrens geschaffen werden (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht 94, Rz 3 zu § 15 WEG). An eine “vorläufige" Benützungsregelung von unbestimmter, bis zur Anrufung des Gerichtes durch einen mit der Regelung unzufriedenen Mit- und Wohnungseigentümer währender Dauer (die wegen des fehlenden Zwangs zur Anrufung des Gerichtes gar nicht absehbar wäre) hat der Gesetzgeber des 3. WÄG wohl nicht gedacht. Dazu kommt, dass die Zulassung einer Mehrheitsentscheidung in diesem Bereich eine Ausnahme vom sonst geltenden Prinzip der Einstimmigkeit schafft (vgl Würth/Zingher aaO; Gamerith in Rummel3, Rz 3 zu § 834; Hofmeister/Egglmeier in Schwimann2, Rz 12 zu § 834 ua). Dementsprechend eng sind die Grenzen der Auslegung zu ziehen. Zu Recht hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass das Einstimmigkeitsprinzip durch die Zulassung einer jederzeit möglichen, von einem Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG 1975 unabhängigen Anordnung der qualifizierten Mehrheit, von wem und wie die allgemeinen Teile der Liegenschaft benützt werden dürfen, allzu leicht umgangen werden könnte.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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