OGH 5Ob146/65

OGH5Ob146/656.7.1965

SZ 38/117

Normen

AO §20a (2)
KO §21 (4)
AO §20a (2)
KO §21 (4)

 

Spruch:

Der Entgeltsanspruch aus einem Stromlieferungsvertrag aus der Zeit bis zur Konkurseröffnung ist als teilbare Leistung im Sinne des § 21

(4) KO. anzusehen

Entscheidung vom 6. Juli 1965, 5 Ob 146/65

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz

Text

Aus dem Akteninhalt ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die klagende Kraftwerke-AG. lieferte der protokollierten Firma Papierfabrik X & Co. (im folgenden kurz als Papierfabrik bezeichnet) elektrischen Strom. Zur Abstattung der Stromrechnung vom 18. Jänner 1962 in der Höhe von 129.012.49 S überreichte die Papierfabrik der Klägerin mit Schreiben vom 25. Jänner 1962 drei Wechsel, deren Summe den Betrag von 129.012.49 S ergab. Von den Wechseln wurde einer über den Betrag von 40.000 S mit dem Fälligkeitsdatum 4. Mai 1962 und ein anderer über 59.012.49 S mit dem Fälligkeitstag 8. Mai 1962 nicht eingelöst. Die Klägerin erwirkte am 14. Mai 1962 gegen die Papierfabrik einen in Rechtskraft erwachsenen Wechselzahlungsauftrag über den Betrag von 89.012.49 S samt 6% Zinsen aus 49.012.49 S seit 9. Mai 1962 und aus 40.000 S seit 5. Mai 1962 ein Drittel Prozent Provision und die Kosten von 532.62 S.

Über das Vermögen der Papierfabrik wurde am 25. April 1962 das Ausgleichsverfahren und am 22. Mai 1962 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Grundlage der Stromlieferung der klagenden Partei war ein im Februar 1961 auf fünf Jahre geschlossenes Übereinkommen. Es war eine Normalleistung von 400 Kilowatt vorgesehen, aber die abzunehmende Strommenge nicht begrenzt. Der Strompreis setzt sich aus einem Grundpreis und einem Arbeitspreis zusammen. Die Abrechnung sollte monatlich durch eine vorläufige Verrechnung und jährlich durch eine endgültige Abrechnung erfolgen. Nach den Bedingungen für die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Arbeit, die als Bestandteil des getroffenen Übereinkommens galten, war die klagende Partei berechtigt, u. a. die Stromzufuhr dann einzustellen, wenn fällige Rechnungen trotz Mahnung nicht bezahlt wurden. Bei der erwähnten Stromrechnung vom 18. Jänner 1962 handelt es sich um die Endabrechnung für das Jahr 1961.

Mit Rücksicht auf die Nichteinlösung der beiden Wechsel und das Auflaufen weiterer Rückstände drohte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 1962 der Papierfabrik die Einstellung der Stromlieferung an. In der Folge wurde die Stromlieferung auch tatsächlich eingestellt. In einem Schreiben vom 12. Juli 1962 machte die Klägerin die weitere Stromlieferung "laut bestehendem Vertrag" an die Papierfabrik von einer wöchentlichen Vorauszahlung von 7000 S abhängig. Damit war die Papierfabrik einverstanden, so daß in der Folge die Stromlieferung wieder aufgenommen wurde. Hinsichtlich der Rückstände vertrat die klagende Partei in einem Schreiben ihres Vertreters vom 2. August 1962 an den Ausgleichsverwalter die Auffassung, daß es sich bei diesen Forderungen um Geschäftsführungsforderungen im Sinne des § 10

(4) AO. handle, so daß sie vom Ausgleich nicht berührt werden. Der Ausgleichsverwalter teilte in seinem Antwortschreiben diese Ansicht, bat aber um Geduld, weil noch nicht alles geregelt werden könne.

Die klagende Partei führte auf Grund des Wechselzahlungsauftrages vom 14. Mai 1962 Exekution. Ihr Antrag wurde aber mit der Begründung abgewiesen, daß weder aus dem Exekutionstitel noch aus einer sonstigen vorgelegten öffentlichen Urkunde oder gerichtlichen Entscheidung hervorgehe, daß die vollstreckbare Forderung nicht unter den Ausgleich falle.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß es sich bei ihrer Forderung gegen die Papierfabrik X & Co. aus dem Wechselzahlungsauftrag vom 14. Mai 1962. auf Zahlung eines Betrages von 89.012.49 S um eine Masseforderung im Anschlußkonkurs über das Vermögen der Firma handle.

Das Erstgericht wies das Klagsbegehren ab. Es erachtete die Feststellungsklage für zulässig, weil das Begehren von der Leistungsverpflichtung auf Grund des Wechselzahlungsauftrages verschieden sei. Das Klagebegehren sei aber nicht berechtigt, weil es sich bei den Stromgebühren nicht um Geschäftsführungsschulden der Ausgleichsschuldnerin handle. Die Schuld beziehe sich auf Stromlieferungen "vor" der Eröffnung des Verfahrens. Es sei daher die Bestimmung des § 20a (2) AO. anzuwenden, wonach der Gläubiger bei teilbaren Leistungen mit dem seiner bereits erbrachten Teilleistung entsprechenden Betrag seiner Forderung am Ausgleichsverfahren teilnehme. Der Stromlieferungsvertrag sei ein Vertrag eigener Art, bei dem die Merkmale eines Kaufvertrages überwiegen. Da beim Stromlieferungsvertrag keine feste vorausbestimmte Menge des abzunehmenden Stromes vereinbart gewesen sei, handle es sich um ein sogenanntes Wiederkehrschuldverhältnis, auf das die Bestimmung des § 20a (2) AO. anzuwenden sei. Überdies sei eine ausdrückliche Verpflichtung zur Zahlung des rückständigen Stromes nicht als Bedingung für die Wiederaufnahme der Stromlieferung durch die Klägerin gesetzt worden. Die weitere Stromlieferung sei nur von einer wöchentlichen Vorauszahlung im Betrag von 7000 S abhängig gemacht worden. Die Erklärung des Ausgleichsverwalters in seinem Antwortschreiben an den Vertreter der klagenden Partei sei bedeutungslos, weil es sich bei der Vorschrift des § 20a (2) AO. um zwingendes Recht handle. Da es sich somit bei der strittigen Forderung um keine Geschäftsführungsschuld nach § 10 AO. handle, sei sie auch nicht als Masseforderung im Sinne des § 46 KO. anzusehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dafür, ob die im Konkurs der Gemeinschuldnerin angemeldete Forderung für gelieferten Strom bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung als Masseforderung im Sinne des § 46 (1) Z. 1 und 2 KO. oder als Konkursforderung dritter Klasse (§ 53 KO.) anzusehen ist, ist es von Belang, ob die Voraussetzungen des § 21 (4) KO. vorliegen. Nach § 21

(4) KO. ist der Gläubiger, falls die geschuldeten Leistungen teilbar sind und er die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Konkurseröffnung bereits teilweise erbracht hat, mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seiner Forderung auf die Gegenleistung Konkursgläubiger.

In ihrer Rechtsrüge wendet sich die klagende Partei gegen die Auffassung, daß die Leistungen des zwischen den Streitteilen bestandenen Stromlieferungsvertrages als teilbar anzusehen seien. Der Abschluß eines Vertrages für Sonderabnehmer mit seiner gegenüber dem allgemeinen Tarif günstigeren Preisgestaltung komme nur in Betracht, wenn er für eine größere Anzahl von Jahren abgeschlossen werde, da damit in der Regel Auslagen für Leitungsanlagen und Transformatorenstationen verbunden seien, für die das Stromlieferungsunternehmen wenigstens zum Teil aufkommen müsse.

Es trifft zu, daß Stromlieferungsunternehmungen auf Grund des Stromlieferungsvertrages auch die Verbindlichkeit zur Unterhaltung eines Kraftwerkes zur Erzeugung von elektrischer Energie, zur Errichtung und Unterhaltung von Freileitungen und Anlagen zur Weiterlieferung und Verteilung des Stromes, zur Herstellung und Unterhaltung eines Anschlusses der Anlage des Abnehmers an das Netz sowie die Bereitschaft, den Abnehmer mit Strom zu versorgen, trifft, wogegen dem Abnehmer die Verpflichtung zur Einrichtung eines Baukostenbeitrages, des Jahresgrundpreises für die Bereitstellung der Anlagen sowie des Arbeitspreises für die bezogene Energie obliegt (Eggeler, Elektrizitäts-Privatrecht, ÖJZ. 1954, S. 2). Da dem Elektrizitätswerk neben der Lieferung von Strom auch weitere Verbindlichkeiten obliegen, wird zum Teil die Auffassung vertreten (Eggeler, Behandlung von Forderungen der Elektrizitätswerke und Gaswerke bei Ausgleich und Konkurs, ÖJZ. 1954, S. 525; Eggeler, Forderungen der E-Werke in Konkurs- und Ausgleichsfällen ÖJZ. 1957, S. 175, und die dort in der Anm. 5 bezogene Literatur und Judikatur), daß mit den teilbaren Leistungen unteilbare Leistungen verbunden sind und beide Leistungsarten voneinander nicht getrennt werden können, so daß der Stromlieferungsvertrag im Ergebnis unteilbare Ansprüche und Verbindlichkeiten zum Gegenstand hat.

Der Standpunkt, daß der Stromlieferungsvertrag unteilbare Leistungen zum Gegenstand hat, ist aber nicht unwidersprochen geblieben. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Errichtung und Erhaltung der Produktionsstätte und der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsanlagen gegenüber der Verpflichtung zur Lieferung des Stromes soweit zurücktreten, daß als primäre Leistung und Gegenleistung die Lieferung von Strom gegen Entgelt in den Vordergrund tritt. Diese beiden, den vornehmlichen Zweck und Gegenstand des Stromlieferungsvertrages bildenden Leistungen seien aber teilbar (Hartig, Forderungen der E-Werke in Konkurs- und Ausgleichsfällen, ÖJZ. 1957, S. 8; Schreiber, Der Vertrag der elektrischen Stromlieferung beim Konkurs des Abnehmers, JBl. 1915, S. 219).

Das Revisionsgericht meint, daß es auf sich beruhen könne, ob der Stromlieferungsvertrag als Sukzessivlieferungsvertrag anzusehen ist, bei dem eine festbegrenzte Warenmenge in Teilleistungen zu erbringen ist, die zu verschiedenen Zeiten fällig und besonders vergütet werden, oder als Dauerschuldverhältnis, bei dem die Leistung eines Teiles ohne Unterbrechung in Einzelleistungen in "einem" durch längere Zeit erbracht wird, oder als Wiederkehrschuldverhältnis, bei dem Quantitäten geliefert werden, die Abnahme während der Dauer des Vertragsverhältnisses aber dem Lieferungsempfänger völlig freigestellt wird, so daß er jederzeit nach Belieben Mengen abnehmen kann, das Entgelt hiefür aber jeweils nach Ablauf bestimmter Zeiträume berechnet und fällig wird (vgl. hiezu Eggeler, Behandlung von Forderungen der Elektrizitätswerke und Gaswerke bei Ausgleich und Konkurs, ÖJZ. 1954, S. 525; Bartsch - Pollak, AO.[3] II 230 - 231; Schreiber, Der Vertrag der elektrischen Stromlieferung beim Konkurs des Abnehmers, JBl. 1915, S. 219; SZ. XXIV 168).

Maßgebend ist, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, ob beim Stromlieferungsvertrag eine Teilbarkeit der Leistungen im Sinne des § 20a (2) AO. und § 21 (4) KO. gegeben ist. Durch das Bundesgesetz vom 20. Juli 1934, betreffend Änderung und Ergänzung der Ausgleichs- und Konkursordnung (Ausgleichsnovelle 1934), BGBl. Nr. 178/1934, erhielt § 21 KO. den Absatz 4 in seiner geltenden Fassung (Art. II Z. 4 der Ausgleichsnovelle 1934) und wurde ferner § 20a AO. eingeschaltet (Art. 1 Z. 10 der Novelle). Daß der Novellengesetzgeber unter den teilbaren Leistungen im Sinne des § 21

(4) KO. auch die üblichen Ansprüche aus Stromlieferungsverträgen verstand und geregelt wissen wollte, ergibt ergibt sich aus den Erläuterungen zur Ausgleichsnovelle 1934, JABl. 1934, S. 95. Danach soll bei Verträgen, die auf eine teilbare Leistung gerichtet sind, der Gläubiger, wenn er vor der Eröffnung des Verfahrens bereits teilweise geleistet hat, mit der seiner Teilleistung entsprechenden Forderung auf die Gegenleistung unter allen Umständen am Ausgleich teilnehmen. Das Ablehnungsrecht des Schuldners kommt nur für den Teil in Frage, der bei der Eröffnung des Verfahrens auch vom Gläubiger noch nicht erbracht ist. Diese Regelung macht für den Bereich des Insolvenzrechtes die Frage bedeutungslos, ob die auf Lieferung von Gas, Wasser oder elektrischer Energie gerichteten Verträge als Sukzessivlieferungsverträge oder als Wiederkehrschuldverhältnisse anzusehen sind. Daraus folgt, daß die Leistungen aus den angeführten Verträgen gleich teilbaren Leistungen behandelt werden sollten. Auch das Schrifttum (Bartsch - Pollak[3] I 128, Anm. 31, 32 zu § 21 (4) KO.; II 230 - 231, Anm. 32; Schreiber,

Der Vertrag der elektrischen Stromlieferung beim Konkurs des Abnehmers; Hartig, Forderungen der E-Werke in Konkurs- und Ausgleichsfällen, ÖJZ. 1957, S. 8) und die allerdings Fernsprechgebühren betreffende Entscheidung SZ. XXX 49 bringen diese Auffassung zum Ausdruck.

Daß die Leistungen aus dem Stromlieferungsvertrag teilbar sind, ergibt sich auch daraus, daß die primären Ansprüche auf Lieferung von elektrischer Energie gegen Entgelt gerichtet sind. Daß das Stromlieferungsunternehmen seine Produktionsstätte und gewisse Anlagen zu erhalten hat, kann nicht als der vornehmliche Vertragsgegenstand angesehen werden. Es ändert daher die einheitliche Vertragsgrundlage nichts daran, daß auf beiden Seiten Teilleistungen zu erbringen sind, die nur in der Größe, nicht aber in der Art von der Gesamtleistung verschieden sind, und daß jeweils eine bestimmt erbrachte Leistung durch eine bestimmte Gegenleistung vergütet wird. Es ist daher entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrer Rechtsrüge auch dann von einer Teilbarkeit der Leistung auszugehen, wenn sie für die Auslagen aus eigenem aufkam, welche die Errichtung von Anlagen betroffen haben, die zur Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit auf Lieferung von Strom notwendig waren.

Für die durch die Konkursordnung getroffene Regelung, die eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger ausschließt, ist es auch nicht von Belang, welche Absichten die Parteien mit einem einzelnen Stromlieferungsvertrag verbunden haben. Der Anspruch der Klägerin auf Leistung eines Entgeltes für Stromlieferungen bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung ist also zufolge der Regelung des § 21 (4) KO. nicht als Masseforderung, sondern als Konkursforderung dritter Klasse anzusehen.

Dem steht auch nicht entgegen, daß der Masseverwalter eine Zusage abgab, die Forderungen der Klägerin aus der Zeit bis zur Konkurseröffnung anzuerkennen und zu befriedigen. Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die außerhalb seiner Amtsgrenzen liegen, zieht keine Rechtsfolgen nach sich (Bartsch - Pollak Komm. zur KO.[3] I 409 - 410, Anm. 32, 33).

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

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