OGH 5Ob137/98b

OGH5Ob137/98b12.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Vesna S*****, vertreten durch Michaela Schinnagl, MVÖ, 1110 Wien, Strindberggasse 2, wider die Antragsgegnerinnen 1) Erika N*****, und 2) Renate N*****, diese vertreten durch Dr.Brigitte Weiser und Dr.Hellmut Weiser, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Zweitantragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30.Dezember 1997, GZ 40 R 787/97z-6, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22.September 1997, GZ 48 Msch 41/97f-2, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Es wird der Beschluß des Rekursgerichtes aufgehoben und in der Sache selbst dahin entschieden, daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den am 22.April 1997 - zunächst bei der Schlichtungsstelle - gestellten Antrag auf Feststellung der Höhe der Mietzinsüberschreitung für die Zeit vom 1.5.1994 bis 30.4.1997 bezüglich der von der Antragstellerin (im Jahre 1987) gemieteten Wohnung top Nr.25 im Hause Wien 11, Fuchsröhrenstraße 38, ab.

Das Erstgericht ging davon aus, daß das Feststellungsbegehren wegen Ablaufes der in § 16 Abs 8 MRG idF des 3.WÄG normierten dreijährigen Frist nicht mehr gestellt werden könne.

Das Rekursgericht hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nF nur auf die Unwirksamkeit solcher Mietzinsvereinbarungen abstelle, welche den Vorschriften des § 16 Abs 1 bis 7 MRG nF widersprechen. § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nF sei daher grundsätzlich nur auf sogenannte Neuverträge anzuwenden (vgl WoBl 1996/57). Wegen der bei der Auslegung bestandrechtlicher Vorschriften gebotenen engen Anlehnung an den Wortlaut des Gesetzes, weil sich diesem kaum einheitliche Wertungsprinzipien entnehmen ließen (vgl 5 Ob 2329/96b und 5 Ob 16/97z mwN) komme eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nF im Wege der Analogie nicht in Betracht.

Dazu komme, daß der Gesetzgeber, hätte er eine Verkürzung der Anfechtungsfrist auch für Altmietzinsvereinbarungen auf drei Jahre gewollt, eine entsprechend anders formulierte Regelung, auch in bezug auf den Beginn des Fristenlaufes ab dem Inkrafttreten (etwa im Sinne des Abs 6 letzter Satz des Kundmachungspatentes zum ABGB) geschaffen hätte. Dies werde durch den ausdrücklichen Verweis in § 15 Abs 4 MRG nF auf § 16 Abs 8 MRG nF bekräftigt. Eines ausdrücklichen Hinweises in den Übergangs- bestimmungen, daß die Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG nF nur auf die nach Inkrafttreten des 3.WÄG abgeschlossene Mietzinsvereinbarungen anwendbar sei, wie es Art II Abschnitt II Z 8 in bezug auf die in § 27 Abs 3 MRG neu geschaffene Verjährungsfrist von 10 Jahre hält, habe es deshalb nicht bedurft, weil sich die Nichtanwendbarkeit des § 16 Abs 8 MRG nF auf Altmietzinsvereinbarungen bereits aus dessen Wortlaut ergebe.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nF auch auf vor Inkrafttreten des 3.WÄG abgeschlossene Mietzinsvereinbarungen noch nicht existiere.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin mit dem Antrag, den Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21.April 1998, 5 Ob 94/98d, zur hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage folgendes ausgeführt, wovon abzugehen kein Anlaß ist:

In der vor allem die Rügepflicht eines Unternehmers nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG betreffenden Entscheidung 5 Ob 2056/96f wurde unter Bezugnahme auf die Entscheidung 5 Ob 6/96, die ihrerseits wiederum die Entscheidung 5 Ob 149/95 ausführlich zustimmend zitierte, generell auch zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG idF des 3.WÄG unter Bedachtnahme auf seine Übergangsbestimmungen auf vor dessen Inkrafttreten abgeschlossene Mietverträge mit dem Ergebnis Stellung genommen, daß § 16 Abs 8 Satz 2 nF MRG grundsätzlich nur für die nach Maßgabe des neuen § 16 MRG abgeschlossenen Neuverträge gelte. Es wäre allenfalls zu bedenken, ob alte Mietzinsvereinbarungen binnen drei bzw dreieinhalb Jahren ab Inkrafttreten des 3.WÄG angefochten werden müßten, wobei dies damals nicht zu entscheiden war, weil der Mieter die Unzulässigkeit des ihm vorgeschriebenen Hauptmietzinses ohnedies noch im Jahre 1994 geltend gemacht hatte.

In der Besprechung der Entscheidung 5 Ob 149/95 (WoBl 1996/57) kamen Vonkilch (WoBl 1996, 159 f), Dirnbacher (WoBl 1996, 159) und Würth (WoBl 1996, 158) zur Ansicht, daß § 16 Abs 8 Satz 2 MRG idF des 3.WÄG auch auf Mietzinsvereinbarungen vor dem 1.3.1994 dergestalt anzuwenden sei, daß die in der letztgenannten Gesetzesstelle normierte Präklusivfrist am 1.3.1994 zu laufen beginne. Vonkilch stützte diese Ansicht - zusammengefaßt - im wesentlichen auf folgende Begründung, die vom erkennenden Senat geteilt wird:

Aus der knappen Textierung des Art II Abschnitt II Z 5 des 3.WÄG, wonach rechtsunwirksame Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses rechtsunwirksam bleiben, folgt, daß lediglich eine Sanierung alter Mietzinsvereinbarung ausgeschlossen werden sollte. Eine "Weitergeltung" der alten Rechtslage ist daher auf jene Vorschriften zu beschränken, die für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung zu deren Abschlußzeitpunkt präjudiziell sind. Hinsichtlich sonstiger "Rechtsfolgen", wie zB Verjährung oder Präklusion, ist gemäß der grundsätzlichen Anordnung des Art II Abschnitt II Z 1 des 3.WÄG, wonach dessen Vorschriften auch für vor seinem Inkrafttreten abgeschlossene Miet- und Nutzungsverträge gelten, im Einklang mit dem allgemeinen Gedanken des Abs 6 KdmPat z ABGB, davon auszugehen, daß das neue Recht mit seinem Inkrafttreten ex nunc auch Altvereinbarungen erfaßt. Nach Abs 6 KdmPat z ABGB werden nämlich von einer Verkürzung von Verjährungs- und analog auch Präklusivfristen - und eine solche stellt auch eine Neueinführung derartiger Fristen (wie hier) dar - auch Rechte erfaßt, die in der Zeit der Geltung des alten Rechtes ihren Ursprung haben. Soll allerdings die Verjährung (oder Präklusion) auf Grund der neuen Vorschrift eintreten, beginnt die Frist erst mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift zu laufen. Nach diesem allgemeinen Grundsatz begann demnach die dreijährige Frist des § 16 Abs 8 MRG mit dem Inkrafttreten des 3.WÄG (1.3.1994) auch für alte Mietzinsvereinbarungen zu laufen. Hätte der Gesetzgeber alte Mietzinsvereinbarungen von der neuen Präklusivfrist ausnehmen wollen, so hätte er dies in Z 5 des Art II Abschnitt II ebenso ausdrücklich angeordnet, wie er es in Art II Abschnitt II Z 8 (bezüglich Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach § 27 Abs 3 MRG) getan hat. Dies ergibt überdies das sachgerechte Ergebnis, daß einerseits umsichtigen Mietern die Möglichkeit gegeben wird, die Unwirksamkeit noch geltend zu machen, und andererseits ein uferloses Anwachsen der Beweisprobleme pro futuro vermieden wird, wie es der Zielsetzung des Gesetzgebers bei Einführung dieser Präklusivfrist entspricht.

Auch diese Gesetzesauslegung hält sich eng an den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen, allerdings aller maßgebenden, wie es gerade bei Auslegung mietrechtlicher Vorschriften erforderlich ist, denen keineswegs einheitliche Wertungsprinzipien zu Grunde liegen.

Da nach dem festgestellten Sachverhalt die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Schlichtungsstelle schon abgelaufen war, wurde der Antrag der Antragstellerin vom Erstgericht zutreffend abgewiesen, sodaß dessen Sachbeschluß in Stattgebung des von den Antragsgegnern gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobenen Revisionsrekurses wieder herzustellen war.

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