Spruch:
Ein Vermieter, der ein Benützungsverbot der Verwaltungsbehörde allein dadurch provozierte, daß er es unterließ, um die erforderliche baupolizeiliche Genehmigung anzusuchen, kann sich nicht dem Mieter gegenüber auf dieses Benützungsverbot berufen, um aus den Verpflichtungen des Mietvertrages herauszukommen.
Entscheidung vom 7. Juli 1967, 5 Ob 134/67.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Beklagte ist Mieter einer aus zwei Räumen und einem Kellerabteil bestehenden Wohnung im Hofe des Hauses der Kläger. Da für diese Wohnung niemals ein Wohnkonsens der zuständigen Verwaltungsbehörde erteilt worden war und die Hauseigentümer entgegen einer Aufforderung des Baupolizeiamtes G. um die nachträgliche Erteilung der Benützungsbewilligung für diese Räume nicht nachsuchten, untersagte das Baupolizeiamt mit Bescheid vom 13. Juni 1966 auf Grund der §§ 73 und 81 der Grazer Bauordnung die weitere konsenswidrige Benützung dieser Räume. Mit der Begründung, daß durch diesen Bescheid der Verwaltungsbehörde der Mietvertrag sich gemäß § 1112 ABGB. aufgelöst habe, begehrten die Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Räumung seiner Wohnung.
Der Beklagte wendete ein, daß der in der Klage genannte Bescheid nicht rechtskräftig sei. Außerdem sei der Räumungsanspruch der Kläger nicht fällig, weil nach dem genannten Bescheid die weitere Verwendung der Räume zu Wohnzwecken erst innerhalb eines Jahres untersagt werde.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte fest, daß der Bescheid des Baupolizeiamtes, nach dem die beiden dem Beklagten vermieteten Räume nach ihrem Freiwerden, längstens jedoch innerhalb eines Jahres, für Wohnzwecke nicht mehr verwendet werden dürfen, unangefochten geblieben sei. Dieser Bescheid sei ergangen, weil der Erstkläger dem ihm erteilten Auftrag vom 21. Mai 1965, innerhalb einer Frist von sechs Monaten um die nachträgliche Erteilung der Benützungsbewilligung nachzusuchen, nicht entsprochen habe. Das behördliche Verbot, eine gemietete Wohnung weiterhin als solche zu benützen, komme der Zerstörung der Bestandsache nach § 1112 ABGB. gleich, das Gericht sei an den formal rechtskräftigen Bescheid gebunden. An der den Mietvertrag auflösenden Wirkung des Bescheides werde auch dadurch nichts geändert, daß der Bescheid auf das Verhalten der Kläger zurückzuführen sei.
Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das Urteil in Klagsabweisung ab. Es stellte ergänzend fest, daß das Verwaltungsverfahren durch ein Schreiben des Erstklägers vom 2. Juni 1964 eingeleitet wurde. Darin habe der Erstkläger bei der Baupolizei angefragt, ob für die dem Beklagten vermieteten Räume ein Benützungskonsens erteilt worden sei. Nach Überprüfung des Wohnobjektes sei an den Erstkläger die Mitteilung vom 21. Mai 1965 ergangen, wonach für die Räume niemals ein Wohnkonsens erteilt wurde. Der Erstkläger habe deshalb innerhalb von sechs Monaten darum anzusuchen, widrigens das Wohnverbot bescheidmäßig ausgesprochen werde. Darauf habe der Erstkläger mit Schreiben vom 22. Juni 1965 der Baupolizei mitgeteilt, daß er ein solches Ansuchen nicht stellen werde, er beantrage aber, das Wohnverbot bescheidmäßig auszusprechen und ihm die Räumung der Wohnung aufzutragen.
Mit Eingaben vom 14. Jänner 1966 und 9. März 1966 habe der Klagevertreter die Ausstellung des angekundigten Bescheides der Baupolizei betrieben, worauf schließlich der Bescheid vom 13. Juni 1966 ergangen sei. Daß ein Baugebrechen den Bescheid veranlaßt habe, könne aus den Akten nicht entnommen werden. In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes führte das Berufungsgericht aus: Es komme zwar dem Umstand, daß die im Bescheid genannte Jahresfrist noch nicht abgelaufen sei, keine Bedeutung zu, weil das Benützungsverbot für die Kläger schon mit der Rechtskraft des Bescheides wirksam geworden sei. Innerhalb dieser Jahresfrist hätten sie die zur Räumung erforderlichen Schritte veranlassen müssen, um dem Bescheid nachzukommen. Von einer mangelnden Fälligkeit des Klagsanspruches könne deshalb nicht gesprochen werden. Der Erstrichter habe sich auch zu Recht an den Bescheid gebunden erachtet und den Entzug der Benützungsbewilligung einer Zerstörung der Bestandsache gleichgestellt. Der Vermieter sei jedoch gemäß § 1096 ABGB. verpflichtet, dem Mieter den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu ermöglichen. Er habe deshalb alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um dem Mieter den Gebrauch der Bestandsache zu erhalten. Solange nicht feststehe, daß eine baubehördliche Genehmigung unter keinen Umständen erteilt werden könne, sei der Vermieter auch nicht berechtigt, den verwaltungsbehördlichen Bescheid dem Mieter gegenüber geltend zu machen. Im vorliegenden Falle stehe nur der Mangel eines Ansuchens der Hauseigentümer der nachträglichen Erteilung der Benützungsbewilligung entgegen. Keinesfalls könne gesagt werden, daß ein solches Ansuchen der Hauseigentümer abschlägig beschieden werden würde. Da die Kläger somit nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um dem Beklagten den bedungenen Gebrauch des Mietgegenstandes zu sichern, sei das lediglich auf den Bescheid vom 13. Juni 1966 gestützte Räumungsbegehren abzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Vermieter, der selbst das Bestandobjekt zu einem widmungswidrigen Gebrauch vermietet hat, nicht ohne weiteres berechtigt, den Auftrag der Verwaltungsbehörde, die widmungswidrige Benützung des Bestandobjektes aufzulassen, dem Mieter gegenüber im Rahmen einer entsprechenden Unterlassungsklage geltend zu machen (MietSlg. 8671, 9417, 16.111 u. a.). Da der Bestandgeber verpflichtet ist, dem Bestandnehmer den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu verschaffen und zu sichern (§ 1096 ABGB.), ist er auch verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Bewilligung der Baubehörde zur Benützung des Bestandobjektes in der vereinbarten Weise zu erreichen. Selbst wenn die behördliche Bewilligung von einem entsprechenden Umbau abhängt, ist der Bestandgeber auf Grund des Bestandvertrages zur Durchführung eines solchen Umbaues im Rahmen seiner Möglichkeiten verpflichtet. Umsoweniger kann aber der Vermieter, der ein Benützungsverbot der Verwaltungsbehörde allein dadurch provozierte, daß er es unterließ, um die erforderliche baupolizeiliche Genehmigung anzusuchen, sich mit Erfolg dem Mieter gegenüber auf das Benützungsverbot der Verwaltungsbehörde berufen, um aus der ihm lästig gewordenen Verpflichtung des Mietvertrages herauszukommen (ebenso 8 Ob 102/63 = MietSlg. XV 15, 5 Ob 18/67 u. a.).
Von diesen Grundsätzen abzugehen, besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlaß.
Auch der Hinweis der Revisionswerber darauf, daß der Untersagungsbescheid der Verwaltungsbehörde ihnen gegenüber durch Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könnte, vermag zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes zu führen. Eine solche Zwangsvollstreckung hätten sich die Liegenschaftseigentümer selbst zuzuschreiben, da es in ihrer Hand lag den erforderlichen Bernützungskonsens zu erwirken. Da das Berufungsgericht somit die Rechtslage richtig erkannte, war der Revision keine Folge zu geben.
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