European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00118.22X.0719.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wirdnicht Folge gegeben.
Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin die mit 585,28 EUR (darin 97,55 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus sechs Wohnungen und acht KFZ‑Abstellplätzen in einer Tiefgarage. Mit den unter B-LNR 15 einverleibten 102/1.584 Anteilen der Antragsgegnerin ist das ausschließliche Nutzungsrecht am KFZ‑Abstellplatz P 8 mit einer Fläche von 12,95 m² verbunden. Diesem Wohnungseigentumsobjekt ist der Gartenanteil 3 als Zubehör-Wohnungseigentum zugeordnet. Dieser Garten ist 443 m² groß und nur von allgemeinen Teilen der Liegenschaft aus begehbar. Er ist mit einem Zaun von einer anderen Gartenfläche abgetrennt. Die Verbindung des Gartens als Zubehörobjekt mit dem Stellplatz P 8 entspricht der von den Wohnungseigentümern vorgenommenen Widmung.
[2] Die Antragsteller begehrten die Neufestsetzung der Nutzwerte für die Liegenschaft, weil die Begründung von Zubehör-Wohnungseigentum durch Verbindung des Eigengartens 3 mit dem KFZ‑Stellplatz P 8 der Antragsgegnerin im Sinn des § 9 Abs 2 Z 1 WEG gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung verstoße.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Unstrittig sei, dass es sich bei dem Garten um ein Objekt handle, an dem Zubehör-Wohnungseigentum begründet werden könne. Es sei daher allein die Frage zu klären, ob einem Autoabstellplatz ein Garten als Zubehör-Wohnungseigentum zugeordnet werden könne. Aus dem Gesetz ablesbar sei einzig die Voraussetzung, dass das Zubehörobjekt ohne Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte zugänglich und deutlich abgegrenzt sein müsse. Das sei der Fall; die Zuordnung entspreche auch der Widmung der Parteien des Wohnungseigentumsvertrags.
[4] Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluss des Erstgerichts. Die Begründung von Zubehör-Wohnungseigentum setze neben einer entsprechenden Widmung durch die Wohnungseigentümer nur voraus, dass das Zubehörobjekt mit dem Wohnungseigentumsobjekt selbst nicht verbunden und ohne Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte zugänglich und deutlich abgegrenzt sei. Ein zwingendes Erfordernis, dass ein Zubehörobjekt der Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts diene und ihmeine geringere wirtschaftliche Bedeutung zukomme als dem Wohnungseigentumsobjekt selbst, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Ebenso wenig ergebe sich daraus, dass bestimmte Größenverhältnisse eine Rolle spielten. Dass ein Gartenanteil als Zubehör zu einem im Wohnungseigentum stehenden Stellplatz gewidmet sei, möge zwar nicht jener Anwendungsfall sein, an den der Gesetzgeber primär gedacht habe, ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung im Sinn des § 9 Abs 2 Z 1 WEG könne daraus jedoch nicht abgeleitet werden.
[5] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu, weil zur Frage, ob für die Begründung von Zubehör-Wohnungseigentum an einem Objekt nach dem WEG noch zusätzliche, im Gesetz ausdrücklich nicht genannte Voraussetzungen vorliegen müssen, insbesondere ob das Zubehörobjekt eine dem Wohnungseigentumsobjekt untergeordnete bzw dienende Sache sein müsse und welche Abgrenzungskriterien heranzuziehen seien, Judikatur des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der von der Antragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs ist zur Klarstellung zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[7] 1. Die Nutzwertfestsetzung hat zwingenden Grundsätzen der Nutzwertberechnung zu entsprechen (§ 9 Abs 2 Z 1 WEG). Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung sind daher die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die – der Rechtslage entsprechende – Widmung (RIS‑Justiz RS0083252 [T18]). Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist die privatrechtliche Einigung (der Widmungsakt) der Wohnungseigentümer (idR im Wohnungseigentumsvertrag) maßgeblich. Die falsche Einordnung in eine der wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (dazu § 2 Abs 2 bis Abs 4 WEG) begründet einenVerstoß im Sinn des § 9 Abs 2 Z 1 WEG (RS0117710 [T3]; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 9 WEG Rz 10; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 9 WEG Rz 32 je mwN).
[8] Indem die Antragsteller die Eignung der Gartenfläche zur Verbindung als Zubehör-Wohnungseigentum mit der Abstellfläche P 8 der Antragsgegnerin in Frage stellen, machen sie einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze im Sinn des § 9 Abs 2 Z 1 WEG geltend. In einem solchen Fall kann nach § 10 WEG jeder Miteigentümer die gerichtliche Nutzwert‑(neu‑)festsetzung unbefristet beantragen (RS0117708 [T2]).
[9] 2. Nach § 2 Abs 3 WEG ist Zubehör-Wohnungseigentum das mit dem Wohnungseigentum verbundene Recht, andere, mit dem Wohnungseigentumsobjekt baulich nicht verbundene Teile der Liegenschaft, wie etwa Keller- oder Dachbodenräume, Hausgärten oder Lagerplätze, ausschließlich zu nutzen. Diese rechtliche Verbindung setzt voraus, dass das Zubehörobjekt ohne Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte zugänglich und deutlich abgegrenzt ist.
[10] Voraussetzung für die Schaffung von Zubehör-Wohnungseigentum ist neben der „Zubehörstauglichkeit", die für einen Gartenteil schon aufgrund der Nennung in der beispielhaften Aufzählung des § 2 Abs 3 WEG nicht zweifelhaft sein kann, eine entsprechende Widmung durch die Wohnungseigentümer sowie die Erfassung des Zubehörs im Rahmen der Nutzwertfestsetzung. Seit der Neufassung des § 5 Abs 3 WEG durch die WRN 2015 ist für die sachenrechtlich wirksame Begründung und Existenz von Zubehör-Wohnungseigentum an solchen Objekten die eigene Eintragung der Zubehörobjekte in das Grundbuch nicht mehr erforderlich (5 Ob 162/16h). Die Erstreckung der Eintragung des Wohnungseigentums an einem Wohnungseigentumsobjekt auch auf die diesem Objekt zugeordneten Zubehörobjekte setzt lediglich voraus, dass sich dieses aus den der Eintragung zugrunde liegenden Urkunden eindeutig ergibt.
3. An Kfz-Abstellplätzen kann seit dem Inkrafttreten des WEG 2002 nur noch selbständiges Wohnungseigentum begründet werden. Sie sind wohnungseigentumstaugliche Objekte. Dass mit ihnen auch Zubehör-Wohnungseigentum verbunden werden kann, folgt schon aus § 8 WEG, der die Berechnung des Nutzwerts regelt. Nach § 8 Abs 3 erster Satz WEG darf der Nutzwert eines Abstellplatzes für ein Kraftfahrzeug dessen Nutzfläche – außer zur Berücksichtigung von Zubehörobjekten – rechnerisch nicht übersteigen. Damit wird eine Höchstgrenze für den Nutzwert eines Kraftfahrzeug-Abstellplatzes festgesetzt, die nur überschritten werden darf, um den aus der Ausstattung mit einem oder mehreren Zubehörobjekten resultierenden Mehrwert des KFZ-Abstellplatzes zu berücksichtigen (RV 989 BlgNR 21. GP 42; Ofner in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht II, § 8 WEG Rz 11). Die Berechnung der Nutzwerte für den in Rede stehenden KFZ-Abstellplatz entspricht diesen Grundsätzen. Soweit die Antragsteller geltend machen, der „Mindestanteil des Zubehörobjekts [würde] den Mindestanteil am Hauptobjekt um das siebenfache übersteigen“, übersehen sie, dass die Nutzwertfestsetzung dem Gartenanteil keinen Mindestanteil zuordnen, sondern die Ausstattung des Abstellplatzes mit diesem Zubehörobjekt als Zuschlag bei der Ermittlung von dessen Nutzwert berücksichtigt.
[11] 4. Die Antragsteller vertreten – zusammen-gefasst – den Standpunkt, für die Eignung als Zubehör sei auf die Zweckdienlichkeit des Zubehör-Objekts für das Wohnungseigentumsobjekt im Sinn einer Unter-/Überordnung abzustellen; Zubehörobjekten müsse im Verhältnis zum Hauptobjekt eine dienende Funktion zukommen, was bei einem 12,95 m² großen Abstellplatz im Vergleich zu einem Garten mit einer Fläche von 443 m² nicht der Fall sei. Dazu beziehen sie sich unter anderem auf die Entscheidung zu 5 Ob 4/17z. Darin hat der Fachsenat aber lediglich zum Vorbringen der dortigen Revisionsrekurswerberin repliziert und zu Fragen der Zuordnung des Zubehörobjekts zum Wohnungseigentumsobjekt im Sinn des § 5 Abs 3 WEG Stellung genommen.
[12] Auf Rechtsprechung können die Antragsteller ihre Ansicht daher nicht stützen. Auch aus dem Gesetz ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte:
[13] 4.1 Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Wohnungseigentumsgesetz in § 2 Abs 3 die Zubehörstauglichkeit lediglich daran knüpft, dass das Zubehörobjekt ohne Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte zugänglich und deutlich abgegrenzt ist. Hinweise auf die von den Antragstellern geforderte Über-/Unterordnung im Sinn einer dienenden Funktion oder eines bestimmten Verhältnisses der Flächen von Zubehör- und Wohnungseigentumsobjekt lassen sich daraus nicht ableiten. Die Gesetzesmaterialien (RV 989 BlgNR 21. GP 42) erläutern zwar zu § 8 Abs 3 erster Satz WEG, dass bei der Ermittlung des Nutzwerts für einen KFZ-Abstellplatz auch Fragen der Ausstattung von Belang sein können und führen dazu die Verbindung von Zubehör-Wohnungseigentum etwa an einem Kellerraum (zB zum Zweck der Lagerung von Reifen oder Autozubehör) an. Aus dieser beispielhaften Aufzählung lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass es Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, Zubehörobjekte, die mit dem Wohnungseigentumsobjekt KFZ-Abstellplatz verbunden werden können, der Art oder ihrer Größe nach einzuschränken.
[14] 4.2 In der Literatur vertrittT. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichsches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 31) die Ansicht, dass der Kreis der zubehörstauglichen Teile einer Liegenschaft […] an sich weit gesteckt sei, wobei der Charakter des Zubehörs als Neben- bzw untergeordnete Sache, welche der Hauptsache diene, gewahrt bleiben müsse, sodass hier auch Größenverhältnisse (Fläche der Haupt- zur Fläche der Nebensache) eine gewisse Rolle spielten, die letztlich aber nur einen Teilaspekt im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung bilden. Das Kriterium der Unter-/Überordnung ergebe sich nicht nur aus der Bezeichnung als „Zubehör“ und der [Anm.: im Gesetz] genannten demonstrativen Aufzählung, sondern auch aus systematischen Überlegungen bzw der Notwendigkeit der Kategoriebildung und der damit verbundenen Ordnungsfunktion sowie der erklärten Absicht des Gesetzgebers. Nach Ofner (in GeKo Wohnrecht II § 2 Rz 31) folge aus der Bezeichnung „Zubehör“ und der bewussten Abgrenzung von der Kategorie der Wohnungseigentums-Objekte, dass Zubehörobjekten lediglich eine untergeordnete, dienende Funktion zukommen solle. Beide Autoren berufen sich als Belegstelle für ihre Annahmen auf die Gesetzesmaterialien (RV 989 BlgNR 21. GP 35). Eine konkrete Aussage zu diesen Annahmen findet sich dort jedoch nicht.
[15] Richter, Zubehörwohnungseigentum lexis briefings (in lexis 360.at [Stand Februar 2022]), geht ebenfalls davon aus, dass das Zubehörobjekt eine Neben- bzw untergeordnete Sache im Verhältnis zum Wohnungseigentumsobjekt sein müsse. Die Autorin beruft sich zur Begründung ihrer Ansicht auf T. Hausmann aaO § 2 WEG Rz 31.
4.3 Stellungnahme:
[16] Ob ein Wohnungseigentumsobjekt, ein Zubehör-Wohnungseigentumsobjekt oder allgemeine Teile vorliegen, entscheidet sich nach der privatrechtlichen Einigung (der Widmung) der Wohnungseigentümer (RS0120725). Zubehör-Wohnungseigentum kann an allen Teilen der Liegenschaft begründet werden, sofern sie nicht wohnungseigentums-tauglich im Sinn des § 2 Abs 2 WEG oder notwendige allgemeine Teile der Liegenschaft sind. Ab Einverleibung des Wohnungseigentums im Grundbuch teilt das Zubehör notwendig das rechtliche Schicksal des Wohnungseigentumsobjekts, mit dem es verbunden ist (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 2 WEG Rz 21). Für das Zubehör-Wohnungseigentum ist auch kein selbständiger Nutzwert festzusetzen; es kann nach § 8 Abs 3 WEG nur bei der Nutzwertfestsetzung für das Wohnungseigentumsobjekt als Zuschlag berücksichtigt werden.
[17] Aus der gesetzlichen Kategorisierung als wohnungseigentumstaugliche Objekte und solche Teile der Liegenschaft, an denen „nur“ Zubehör-Wohnungseigentum begründet werden kann, folgt zunächst, dass Zubehörobjekte ohne Verbindung mit einem Wohnungseigentumsobjekt rechtlich nicht existent sind. Zubehör-Wohnungseigentum entsteht erst durch die eindeutige Zuordnung zum Wohnungseigentumsobjekt und dessen Einverleibung im Grundbuch. Nur insoweit kann von einer Über- und Unterordnung gesprochen werden. Diese bezieht sich aber ausschließlich auf die rechtliche Selbständigkeit, die nur dem Wohnungseigentumsobjekt zukommt. Daraus lässt sich weder ableiten, dass das Zubehör-Wohnungseigentum eine im Vergleich zum Hauptobjekt dienende Funktion aufweisen muss, um als solches tauglich zu sein, noch dass es dazu eines bestimmten Verhältnisses zur Größe des Hauptobjekts bedürfte. Für eine wertende Gesamtbetrachtung in diesem Zusammenhang, um die Zubehörstauglichkeit erst festzulegen, wie sie etwa T. Hausmann (aaO § 2 WEG Rz 31) fordert, bleibt dabei kein Raum. Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut sind die Grenzen der Zubehörstauglichkeit grundsätzlich weit gefasst; innerhalb dieser Grenzen bildet der Widmungsakt das bestimmende Moment, ob ein sonst den allgemeinen Teilen zuzuordnender Bestandteil der Liegenschaft Zubehör-Wohnungseigentum werden soll. Die Wertung erfolgt durch den Widmungsakt selbst und bleibt damit den Wohnungseigentümern überlassen. Diesen Überlegungen steht auch der in § 294 ABGB definierte Begriff des Zubehörs („Zugehör“) nicht entgegen. Das Wohnungseigentumsgesetz definiert das Zubehörs-Wohnungseigentum autonom, dieses ist damit nach dem Verständnis dieses Gesetzes auszulegen.
5. Ergebnis:
[18] Das Gesetz fordert in § 2 Abs 3 WEG für die rechtliche Verbindung des Zubehör-Wohnungseigentums lediglich, dass das Zubehörobjekt mit dem Wohnungseigentumsobjekt baulich nicht verbunden ist und ohne Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte zugänglich und deutlich abgegrenzt ist. Weder ein bestimmtes Verhältnis der Flächen zueinander noch ein Über- oder Unterordnungsverhältnis sind für die Zubehörstauglichkeit tatbestandsmäßig. Damit verstößt es auch nicht gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung im Sinn des § 9 Abs 2 Z 1 WEG, wenn mit einem im Wohnungseigentum stehenden KFZ-Abstellplatz ein dessen Fläche bei weitem übersteigender Gartenanteil – der Widmung entsprechend – als Zubehör rechtlich verbunden ist. Dem Revisionsrekurs ist damit ein Erfolg zu versagen.
[19] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
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