OGH 5Ob11/19g

OGH5Ob11/19g25.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin V***** K*****, geboren am *****, vertreten durch die GRUNER & POHLE RECHTSANWÄLTE OG in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. November 2018, AZ 47 R 282/18w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 19. Juli 2018, TZ 3311/2018, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00011.19G.0425.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

Aufgrund des Kaufvertrags vom 2. 7. 2018 und des Reisepasses vom 27. 6. 2018 wird ob der der E***** J*****, geboren *****, gehörenden 21/1625‑Anteile an der Liegenschaft EZ ***** KG *****, B‑LNR 4, die Einverleibung des Eigentumsrechts für V***** K*****, geboren *****, bewilligt.

Verständigt werden:

1.  GRUNER & POHLE RECHTSANWÄLTE OG, Kirchengasse 19/11, 1070 Wien

2.  V***** K*****,

*****

3.  E***** J*****,

*****

4.  Finanzamt ***** *****

5.  Magistrat ***** ***** *****.

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

Aufgrund des Kaufvertrags vom 2. 7. 2018 und des Reisepasses vom 27. 6. 2018 beantragte die Antragstellerin (Käuferin) die Einverleibung des Eigentumsrechts ob der der E***** J***** (Verkäuferin) gehörenden 21/1625-Anteile an der Liegenschaft EZ ***** KG *****, B‑LNR 4.

Das Erstgericht trug der Antragstellerin (im Hinblick auf § 1 Abs 1, § 5 Abs 3 Satz 1 WrAuslGEG) die Verbesserung des Antrags durch Vorlage des Reisepasses als beglaubigte Kopie auf. Die Antragstellerin beantragte daraufhin gemäß § 82a Abs 6 GBG eine Entscheidung in der Sache. Sie wies darauf hin, dass die Antragstellervertreterin das Original des Reisepasses gemäß § 10 Abs 2 ERV im ARCHIVIUM (sohin einem Urkundenarchiv einer Körperschaft öffentlichen Rechts gem § 91c GOG) eingestellt, im Grundbuchsgesuch darauf hingewiesen und unter Bekanntgabe des Urkundenidentifizierungsbegriffs wirksam die Ermächtigung zum Zugang zu den Daten der gespeicherten Urkunde erteilt habe. Diese Übermittlung ersetze die Vorlage des Originals. Die zusätzliche Vorlage einer beglaubigten Kopie des bereits im Original vorgelegten Reisepasses sei nicht erforderlich.

Das Erstgericht wies das Grundbuchgesuch mit der Begründung ab, dass weder ein Staatsbürgerschaftsnachweis noch eine beglaubigte Kopie eines Auszugs aus dem gültigen Reisepass der Antragstellerin vorgelegt worden sei, obwohl dies nach dem WrAuslGEG erforderlich sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und bewilligte (nur) die Vormerkung des Eigentumsrechts. Das Mehrbegehren auf dessen Einverleibung wies das Rekursgericht ab.

Der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund treffe nicht zu. Aus dem Grundbuchregister ergebe sich, dass die Antragstellerin den im elektronischen Urkundenarchiv der österreichischen Rechtsanwälte, ARCHIVIUM, gespeicherten Auszug aus dem bulgarischen Reisepass der Antragstellerin unter Angabe der Dokumentenidentifizierungsnummer iSd § 10 Abs 2 ERV elektronisch übermittelt habe. Damit sei die nach § 5 Abs 3 Satz 1 WrAuslGEG erforderliche Vorlage des Originals bzw einer beglaubigten Abschrift ersetzt.

Dem Begehren auf Einverleibung des Eigentumsrechts stehe allerdings ein anderer Hinderungsgrund entgegen. Eine Selbstberechnungserklärung iSd §§ 11 ff GrEStG ersetze zwar die nach § 160 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) für Eintragungen in das Grundbuch erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Diese Selbstberechnungserklärung habe aber betreffend die Form, den Inhalt und den elektronischen Übermittlungsweg den Vorgaben der Grunderwerbsteuer-Selbstberechnungsverordnung (GrESt‑SBV BGBl II 2015/156) zu entsprechen. Danach erfolge die Selbstberechnungserklärung im Elektronischen Rechtsverkehr durch Bekanntgabe einer Vorgangsnummer durch den Parteienvertreter (§ 6 GrESt‑SBV). Diese Vorgangsnummer sei nach § 1 Abs 2 GrESt‑SBV bei jedem im Zug einer Selbstberechnung über FinanzOnline erfassten Erwerbsvorgang pro Erwerber als Schlüssel für die nach § 1 Abs 1 GrESt-SBV der Justiz zu übermittelnden Daten zu generieren und dem Parteienvertreter ersichtlich zu machen. Sollte die in der Selbstberechnungserklärung durch den Parteienvertreter bekanntgegebene Vorgangsnummer keinen Zugriff auf die Daten ermöglichen, so sei die Selbstberechnungserklärung (Berufung auf die Vorgangsnummer) unwirksam. Sowohl im ursprünglichen Antrag als auch in der Verbesserungseingabe sei die Selbstberechnung erklärt und eine Vorgangsnummer angeführt. Im ursprünglichen Antrag finde sich unter der Rubrik „Fehler/Hinweis“ aber der Hinweis, dass die „Rückmeldung Finanzamt nicht eingetroffen“ und in der Verbesserungseingabe der Hinweis, dass die „Anmeldung Finanz noch offen“ sei. Eine ordnungsgemäße Selbstberechnungserklärung liege damit nicht vor. Das Fehlen einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung oder ordnungsgemäßen Selbstberechnungserklärung stehe der Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin entgegen und führe zu deren Vormerkung.

Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens auf Einverleibung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts abzuändern und die Einverleibung ihres Eigentumsrechts zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil dem Rekursgericht in Bezug auf die Wirksamkeit der Selbstberechnungserklärung eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

1.1. AuchGrundbuchsbeschlüsse erwachsen formell und materiell in Rechtskraft. Werden sie nur teilweise angefochten, ist ihre Teilrechtskraft zu beachten (5 Ob 187/01p = RIS‑Justiz RS0041483 [T3]).

1.2. Die Antragstellerin ficht den Beschluss des Rekursgerichts lediglich insofern an, dass ihr an Stelle der Vormerkung des beanspruchten Eigentumsrechts nicht sogleich die Einverleibung bewilligt wurde. Sie hat also die Vormerkung, die mangels ausdrücklicher Ausschlusserklärung ein Teil ihres Einverleibungsbegehrens war (§ 85 Abs 3 GBG), unangefochten gelassen und nur das darüber hinausgehende Begehren zum Gegenstand ihres Rechtsmittelantrags und damit des Revisionsrekursverfahrens gemacht. Nach den Entscheidungsgründen des Rekursgerichts ist nur offen geblieben, ob eine ausreichende Selbstberechnungserklärung vorliegt, die die nach § 160 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) für Eintragungen in das Grundbuch erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ersetzt. Auf eben diese Frage hat sich wegen der Teilrechtskraft der Vormerkungsbewilligung die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses zu beschränken (5 Ob 187/01p; vgl auch RS0060736).

2.1. Nach § 11 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG) sind Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 GrEStG befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Gesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung (§ 10 GrEStG) erfolgt. § 12 GrEStG berechtigt den Parteienvertreter, gegenüber dem Grundbuchgericht je Erwerbsvorgang elektronisch zu erklären, dass eine solche Selbstberechnung gemäß § 11 GrEStG vorgenommen worden ist und die Grunderwerbsteuer sowie die Eintragungsgebühr nach dem Gerichtsgebührengesetz – GGG, BGBl Nr 501/1984 in der jeweils geltenden Fassung, soweit das GGG die gemeinsame Entrichtung mit der Grunderwerbsteuer vorsieht, gemäß § 13 GrEStG abgeführt werden. Eine solche Selbstberechnungserklärung des Notars oder Rechtsanwalts ersetzt die nach § 160 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) für Eintragungen in das Grundbuch erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (5 Ob 169/16p mwN).

2.2. Die Selbstberechnungserklärung iSd §§ 11 ff GrEStG hat betreffend die Form, den Inhalt und den elektronischen Übermittlungsweg den Vorgaben der Grunderwerbsteuer-Selbstberechnungsverordnung (GrESt‑SBV BGBl II 2015/156) zu entsprechen. Danach erfolgt die Selbstberechnungserklärung im Elektronischen Rechtsverkehr durch Bekanntgabe einer Vorgangsnummer durch den Parteienvertreter (§ 6 GrESt‑SBV). Diese Vorgangsnummer ist nach § 1 Abs 2 GrESt‑SBV bei jedem im Zug einer Selbstberechnung über FinanzOnline erfassten Erwerbsvorgang pro Erwerber als Schlüssel für die nach § 1 Abs 1 GrESt‑SBV der Justiz zu übermittelnden Daten zu generieren und dem Parteienvertreter ersichtlich zu machen. Sollte die in der Selbstberechnungserklärung nach § 12 GrEStG durch den Parteienvertreter gemäß § 6 GrESt‑SBV bekanntgegebene Vorgangsnummer keinen Zugriff auf die Daten ermöglichen, so ist die Selbstberechnungserklärung (Berufung auf die Vorgangsnummer) unwirksam. Der Mangel ist nach § 82a GBG sowie im Vorschreibungsverfahren einer Verbesserung zugänglich (§ 10a Abs 2 Grundbuchsgebührenverordnung [GGV BGBl 2015/157]). Das Begehren um Einverleibung begreift jedoch jenes um Vormerkung stillschweigend in sich, wenn der Antragsteller die Vormerkung nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat (§ 85 Abs 3 GBG). Diese Vormerkung ist auch bei Fehlen der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung oder Selbstberechnungserklärung zulässig (5 Ob 169/16p mwN).

2.3. Die in § 10a Abs 2 GGV angeordnete Unwirksamkeit der Selbstberechnungserklärung beruht auf dem Umstand, dass die vom Parteienvertreter bekannt gegebene Vorgangsnummer keinen Zugriff auf die der Justiz gemäß § 1 Abs 1 GrESt-SBV zu übermittelnden Daten ermöglicht. Nach § 1 Abs 1 GrESt-SBV hat die Abgabenbehörde die für die Erhebung der Gerichtsgebühr erforderlichen und vom Parteienvertreter im Zuge einer Selbstberechnung nach § 11 GrEStG 1987 über FinanzOnline erfassten Daten elektronisch der Justiz zu übermitteln. Gemäß § 4 GrESt-SBV erfolgt die Datenübermittlung täglich. Wenn im Zeitpunkt der Einbringung und erfolgreichen Übermittlung des Grundbuchgesuches im Elektronischen Rechtsverkehr die Datenübermittlung von der Abgabenbehörde an die Justiz noch nicht stattgefunden hat, bekommt das Grundbuchgericht in der Rubrik „Fehler/Hinweis“ den Hinweis, dass die Rückmeldung vom Finanzamt zu der in dem im ERV eingebrachten Grundbuchgesuch angegebenen Vorgangsnummer noch nicht eingetroffen ist. Sobald dies erfolgt ist, ändert sich der Status auf „Anmeldung Finanz noch offen“ und die vom Parteienvertreter über FinanzOnline durchgeführte Selbstberechnung kann unter der bekannt gegebenen Vorgangsnummer eingesehen werden.

2.4. Die der Entscheidung des Rekursgerichts zugrunde liegende Annahme, wonach auch der Status „Anmeldung Finanz noch offen“ noch keinen Zugriff auf die Daten der erfolgten (FinanzOnline-)Selbstberechnung ermögliche, ist daher unrichtig. Dieser hier (schon) zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts aktuelle Hinweis „Anmeldung Finanz noch offen“ weist lediglich den Kostenbeamten darauf hin, dass die finale Anmeldung der Selbstberechnung nach § 13 GrEStG noch nicht erfolgt und die Eintragungsgebühr daher noch nicht entrichtet ist. Dieser Umstand bildet kein Eintragungshindernis.

2.5. Nach der Aktenlage entsprach die Selbstberechnungserklärung des Antragstellervertreters daher in Form und Inhalt und dem elektronischen Übermittlungsweg vollständig den Vorgaben der GrESt-SBV und war somit fehlerfrei. Die Entscheidung des Rekursgerichts war daher im Sinn der Bewilligung der Einverleibung abzuändern.

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