Spruch:
Die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der von einem Interessenten zugesicherten Vermittlungsprovision für den Fall, daß der Abschluß des Kaufvertrages mit dem Interessenten nur durch Verschulden des Auftraggebers vereitelt wird, fällt nicht unter § 1336 ABGB.
Entscheidung vom 5. März 1959, 5 Ob 111/59.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Zwischen dem Beklagten und seiner Gattin Therese W. besteht eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden und auf den Todesfall. Am 27. Mai 1955 unterfertigte der Beklagte einen "Alleinvermittlungsauftrag" an die Klägerin für den Verkauf oder die Verpachtung der Bäckerei des Beklagten und seiner Ehegattin zum Mindestpreis von 90.000 S (bei Verpachtung 500 S pro Monat), in welchem sich der Beklagte u. a. verpflichtete, für den Fall, als ein Abschluß durch sein Verschulden, durch unrichtige Angaben, Änderung der Verkaufsabsicht oder Widerruf des Auftrages unterbleiben sollte, der Klägerin nicht nur die Mindestprovision von 4500 S, sondern auch die von einem Interessenten allenfalls bereits schriftlich bestätigte Vermittlungsprovision zu bezahlen.
Auf eine Zeitungsanzeige der klagenden Partei meldete sich der Bäckermeister Johann H. Ihm teilte die Klägerin mit Brief vom 8. Juni 1955 zunächst mit, daß die angekundigte Bäckerei entweder um 120.000 S verkauft oder um 500 S monatlich mit einer Kaution von 20.000 S verpachtet werden solle; sie ersuchte um Bestätigung, daß er im Falle eines Ankaufes ein 5%iges Vermittlungshonorar, mindestens 6000 S, bei Verpachtung 2000 S, bezahlen werde. Darauf antwortete H., daß er das Vermittlungshonorar für Ankauf bzw. Pachtung leisten werde. Die Klägerin gab ihm nun die Anschrift der Bäckerei des Beklagten bekannt, H. besichtigte sie und erklärte sich mit Brief vom 5. Juli 1955 an die Klägerin bereit, die Bäckerei samt Haus um 120.000 S zu erwerben. Die Klägerin schrieb nun dem Beklagten, daß sie von Johann H. und seiner Frau ein rechtsverbindliches Anbot für die Bäckerei erhalten habe und am 16. Juli 1955 zu ihm kommen werde. Darauf teilte Therese W. der Klägerin mit, daß sie das Haus nicht verkaufe und mit allem, was ihr Mann abgeschlossen habe, nicht einverstanden sei. Die Klägerin solle jede Werbung einstellen, der Besuch am 16. Juli 1955 sei überflüssig. Gleichzeitig schrieb sie in demselben Sinn an Johann H. In der Folgezeit änderten der Beklagte und seine Frau ihre Absicht und wollten den Kaufvertrag mit Johann H. doch abschließen; dieser lehnte aber nunmehr ab und verlangte vom Beklagten einen Schadenersatz von 750 S, den er auch erhielt.
Das Berufungsgericht sprach in Abänderung des Urteiles des Erstgerichtes der Klägerin die ganze ihr entgangene, von Johann H. zugesicherte Provision von 6000 S zu.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auf die Zusicherung der Zahlung einer Provision auch für den Fall, daß durch Verschulden des Auftraggebers, durch unrichtige Angaben oder durch Widerruf der Vertragsabschluß unterbleibt oder daß während der Dauer des Alleinvermittlungsauftrages ein Abschluß ohne Intervention des Alleinvermittlers erfolgt, kann die Anwendung des Mäßigungsrechtes im Sinne des § 1336 ABGB. in Frage kommen, wenn eine bis zu einem Abschluß führende Tätigkeit des Vermittlers gar nicht entfaltet wurde, so daß die Zusicherung derselben Provision, wie sie dem Vermittler für eine erfolgreich abgeschlossene Vermittlertätigkeit gebührt hätte, als die Vereinbarung eines unangemessen hohen Pauschalentgeltes nach Art einer Konventionalstrafe erscheinen muß (SZ. XXV 90, 2 Ob 166/56, 3 Ob 294/57, 6 Ob 2/58). Anders zu beurteilen ist die Verpflichtung zur Zahlung der von einem Interessenten zugesicherten Vermittlungsprovision für den Fall, daß der Kaufabschluß mit diesem Interessenten nur durch das Verschulden des Auftraggebers vereitelt wird. Hier wird nicht die Zahlung eines anstatt des zu vergütenden Nachteiles zu entrichtenden Pauschalbetrages (§ 1336 ABGB.) vereinbart, sondern die Vergütung dieses Nachteiles selbst, nämlich des durch das Verschulden des Auftraggebers entstandenen Verdienstentganges, wobei der Verdienst dem Vermittler für eine erfolgreich abgewickelte Vermittlungstätigkeit gebührt hätte. Diesen Verdienstentgang, gleichgültig ob man ihn als entgangenen Gewinn oder als positiven Schaden (Wolff in Klang 2. Aufl. VI 3 und die dort zitierte Judikatur) ansieht, hat der Auftraggeber dem Vermittler der Vereinbarung gemäß zu ersetzen. Für die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechtes ist hier kein Raum, weil die Vereinbarung des Ersatzes des nachgewiesenen Schadens, mag sich die Zusicherung des Schadenersatzes, selbst auf volle Genugtuung (§ 1323 ABGB.) erstrecken, nicht unter die Bestimmung des § 1336 ABGB. subsumiert werden kann. Übrigens könnte selbst bei Anwendung des § 1336 ABGB. der Richter niemals unter den Betrag des wirklichen Schadens herabgehen (Ehrenzweig 2. Aufl. II/l S. 193; Wolff a. a. O. 189).
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