OGH 5Ob106/95

OGH5Ob106/9526.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Willibald R*****, und 2.) Gertrude W*****, beide vertreten durch Dr.Josef Hofer, Rechtsanwalt in 4601 Wels, Ringstraße 4, wegen Löschung eines Vorkaufsrechtes im Wege der Grundbuchsberichtigung, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 24. Mai 1995, AZ 22 R 218/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 18.April 1995, TZ 1566/95, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Auf Grund der Amtsbestätigung des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 21.6.1993 HRB *****, Beilage A, wird die Löschung des in C-LNR 2 a der EZ ***** sowie in C-LNR 2 a der EZ ***** für die D*****gesellschaft m.b.H. eingetragenen Vorkaufsrechtes durch Übertragung in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen bewilligt.

Hievon werden verständigt:

1.) Dr.Josef Hofer Rechtsanwalt, 4601 Wels, Ringstraße 4, unter Anschluß der Beilage A;

2.) D*****Gesellschaft m.b.H., Linz."

Der Vollzug dieses Beschlusses einschließlich der Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung

Die Antragsteller, die je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaften EZ ***** sind, begehrten auf Grund der im Spruch näher bezeichneten Amtsbestätigung des Landes- als Handelsgerichtes Linz, daß die in den angeführten Grundbuchseinlagen als Vorkaufsberechtigte eingetragene "D*****gesellschaft m.b.H." (schon im Jahr 1984) durch Veräußerung ihres Vermögens als Ganzes unter Ausschluß der Liquidation mit der "D*****Gesellschaft m.b.H." (beide mit dem Sitz in L*****) verschmolzen wurde, die Löschung der betreffenden Vorkaufsrechte. Die Verschmelzung sei nämlich eine Form der Beendigung der Gesellschaft; das Vorkaufsrecht einer juristischen Person könne gemäß § 1074 ABGB nur für die Dauer ihrer Existenz bestehen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil die "D*****gesellschaft m. b.H." wirtschaftlich in der neu entstandenen "D*****Gesellschaft m. b.H." enthalten sei und damit ihre Vorkaufsrechte nicht als gegenstandslos betrachtet werden könnten.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 96 GmbH-Gesetz unterbleibe die Liquidation einer Gesellschaft m. b.H., wenn deren Vermögen als Ganzes einschließlich der Schulden an eine andere Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser übetragen wird und beide Teile auf die Durchführung der Liquidation verzichten. Eine solche Verschmelzung bewirke nach herrschender Ansicht (vgl Koppensteiner, Kommentar zum GmbH-Gesetz § 96 Rz 23 mwN) eine Gesamtrechtsnachfolge. Die Übernehmende trete in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft (SZ 13/94). Mit dem Erlöschen der übertragenden Gesellschaft gehe deren Vermögen einschließlich ihrer Verbindlichkeiten auf die übernehmende Gesellschaft über (Koppensteiner aaO, Rz 23 mwN). Zweifellos repräsentiere auch ein im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht einen wirtschaftlichen Wert und sohin ein Vermögen (vgl RPflSlgG 1051).

Es treffe zu, daß nach § 1074 ABGB das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden könne. Die Vorschrift des § 1074 ABGB sei zwingender Natur (vgl OGH in JBl 1987, 103 mwN). In diesem Zusammenhang gehe die herrschende Ansicht (vgl Bydlinski in Klang2 IV/2, 838; Aicher in Rummel, ABGB, § 1074 Rz 2) davon aus, daß dann, wenn der Vorkaufsberechtigte eine juristische Person sei, an die Stelle der Lebensdauer eines - in einer physischen Person bestehenden - Vorkaufsberechtigten, die Dauer der Existenz der juristischen Person zu treten habe.

Nun sei nicht zu verkennen, daß die übertragende Gesellschaft mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch erlösche. Wenn dadurch auch die übertragende Gesellschaft als selbständige juristische Person verschwinde, sei sie dennoch in der neu entstandenen juristischen Person enthalten (SZ 13/64). Die neu entstandene Gesellschaft ersetze daher die übertragende juristische Person. Gehe man von der Ansicht (von Frotz in GesRZ 1976, 107) aus, daß die Frage, wann der Untergang einer juristischen Person dem Tod einer natürlichen Person gleichzustellen sei, einzig und allein nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift zu lösen sei, dann könne nicht gesagt werden, mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung werde (bereits per se) der dem § 1074 entsprechende Gesetzeszweck einer zeitlichen Begrenzung der im Vorkaufsrecht enthaltenen Beschränkung des freien Verkehrs verwirklicht, weil eine juristische Person (als Vertragsgegner) ihrer Natur nach unpersönlich und dadurch charakterisiert sei, daß sich ihre sachlichen Grundlagen jederzeit ändern können. Obwohl das ABGB eine dem § 1059 a Z 1 BGB entsprechende Bestimmung, welche festlege, daß ein Nießbrauch, der einer juristischen Person zustehe, mit einem durch Gesamtrechtsnachfolge erfolgten Vermögensübergang, somit auch bei einer Verschmelzung, auf den Erwerber des Vermögens übergehe, nicht enthalte, sei die Ansicht nicht zu teilen, daß die Verschmelzung zweier Gesellschaften dem Tod einer physischen Person gleichgestellt werden könne. Auch C.Fries vertrete (in ecolex 1992, 477 ff [insbesondere 479]) diese letztgenannte Ansicht und verweise darauf, daß weder der Schutz der beteiligten Verkehrskreise noch das Erfordernis der zeitlichen Begrenzung der Verkehrsbeschränkung eine Gleichstellung des verschmelzungsbedingten Erlöschens einer juristischen Person mit dem Untergang einer moralischen Person (im Sinne des § 529 ABGB) erfordere, weil die Rechte des ursprünglichen Vertragspartners nicht beeinträchtigt würden und auch unvererbliche Rechte juristischer Personen von diesen nur innerhalb eines begrenzten Zeitraumes ausgeübt werden könnten.

Da die materiellen Rechtsverhältnisse vorliegend nicht zu prüfen seien (vgl RPflSlgG 2346 mwN) und daher nicht darauf eingegangen werden könne, ob im Falle eines Durchgriffes auf die hinter der juristischen Person stehenden Berechtigten deren Rechte noch zu wahren wären, komme es letztlich nur darauf an, ob bloß gesellschaftsrechtliche Veränderungen der Organisationsform einer juristischen Person das Bestehen der ihr eingeräumten bürgerlichen Rechte (nach § 1074 ABGB) zum Erlöschen bringen. Dies sei - entgegen der zu RPflSlgG 2035 ausgesprochenen Rechtsmeinung - im Anschluß an die neuere Ansicht von C.Fries (in ecolex 1992, 477 ff), deren Ausführungen überzeugten, zu verneinen. Auch Koppensteiner, der (in Straube, HGB2 Rz 15 zu § 131) die Ansicht vertrete, eine OHG werde beim Untergang eines Gesellschafters durch Verschmelzung bzw übertragende Umwandlung (gemäß § 131 Z 4 HGB) aufgelöst, wenn die Übertragung des Geschäftsanteiles nicht gestattet sei, trete in seinem Kommentar zum GmbH-Gesetz (Rz 23 zu § 96) der Ansicht von C.Fries (in ecolex 1992, 477 ff) nicht entgegen, sondern verweise insgesamt darauf, daß die übernehmende Gesellschaft in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft trete. Diesem Grundsatz müsse für eine juristische Person, deren Rechtsverhältnisse zu Dritten von vornherein unpersönlich seien, zum Durchbruch verholfen werden. Durch das verschmelzungsbedingte Erlöschen der juristischen Person erlösche daher de lege lata das dieser eingeräumte Vorkaufsrecht (noch) nicht (vgl C.Fries aaO, 480).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß das Rekursgericht von der in RPflSlgG 2035 veröffentlichten Rechtsprechung eines Gerichtshofes zweiter Instanz abgewichen sei, unterschiedliche Lehrmeinungen vorlägen (vgl Fries aaO, 480 FN 25) und der Entscheidung auch über den vorliegenden Einzelfall hinaus eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung beizumessen sei.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs halten die Antragsteller an ihrem Rechtsstandpunkt fest, daß das Erlöschen einer juristischen Person dem Tod einer natürlichen Person gleichzuhalten sei und somit § 1074 ABGB einer Aufrechterhaltung der verfahrensgegenständlichen Vorkaufsrechte entgegenstehe. Die Verschmelzung (Fusion) sei als Auflösungsgrund für die übertragende Gesellschaft normiert und führe zur Vollbeendigung, weshalb nicht gesagt werden könne, es gehe bloß um eine gesellschaftsrechtliche Veränderung der Organisationsform dieser juristischen Person. Es komme zu einer Gesamtrechtsnachfolge, was unter natürlichen Personen der Übertragung (des Vermögens) an die Erben des Berechtigten vergleichbar wäre. Gerade das schließe § 1074 ABGB hinsichtlich des Vorkaufsrechtes ausdrücklich aus. Soweit (vom Rekursgericht und der von ihm zitierten Lehre) mit Fällen der Anwachsung im Recht der Personengesellschaften argumentiert werde, seien die rechtlichen Erwägungen auf den gegenständlichen Fall nicht übertragbar. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Löschungsbegehrens abzuändern.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Daß ein Vorkaufsrecht auch zugunsten einer juristischen Person begründet werden kann, zufolge der zwingenden Vorschrift des § 1074 ABGB jedoch mit dem Untergang der juristischen Person erlischt, entspricht der herrschenden Judikatur und Lehre (JBl 1987, 102 mwN). Der Umstand, daß jene GmbH, die das Grundbuch als Vorkaufsberechtigte ausweist, erloschen ist (§ 96 GmbHG iVm § 226 Abs 4 AktG) kann daher in konsequenter Anwendung dieser Rechtsmeinung nur dazu führen, auch das Vorkaufsrecht als untergegangen zu betrachten.

Wirtschaftliche Erwägungen mögen diese für gesellschaftsrechtliche Verschmelzungsvorgänge nachteilige und vielleicht auch nicht bedachte Konsequenz fragwürdig erscheinen lassen, doch ist die insoweit klare Gesetzeslage (§ 1074 ABGB; vgl auch § 529 ABGB) einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich. Die Argumentation von Fries (Gesamtrechtsnachfolge und Verschmelzung, ecolex 1992, 477), der sich das Rekursgericht angeschlossen hat, wonach sich der Tod einer natürlichen Person nicht mit dem Erlöschen einer Kapitalgesellschaft durch einen Verschmelzungsvorgang vergleichen lasse, weil das Wesentliche einer solchen Gesellschaft - ihr Vermögen - unverändert erhalten bleibe, erschwert zwar die Gleichstellung einer (durch § 1074 ABGB für Vorkaufsrechte ausgeschlossenen) Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen mit der ebenfalls den Prinzipien der Gesamtrechtsnachfolge folgenden Fusion zweier Gesellschaften, greift aber insofern zu kurz, als § 1074 ABGB eben nicht nur die Unvererblichkeit des Vorkaufsrechtes, sondern schlechthin dessen Unübertragbarkeit festschreibt. Durch die Bestimmung des § 1074 ABGB, daß Vorkaufsrechte weder einem Dritten abgetreten noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden können, sollte insgesamt die Verkehrsfähigkeit des Vorkaufsrechtes zeitlich beschränkt (vgl JBl 1987, 102) und ausgeschlossen werden, daß es - unter Lebenden oder von Todes wegen - auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen wird. Genau das aber wäre die Konsequenz der von Fries aaO und vom Rekursgericht vertretenen Meinung: die Verschmelzung nach § 96 GmbHG führt zum Untergang der übertragenden Gesellschaft, weil deren Vermögen zur Gänze auf die aufnehmende Gesellschaft übergeht und eine vermögenslose Gesellschaft nicht existieren kann (vgl Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 44), die aufnehmende (zur neuen Rechtsträgerin des Vermögens werdende) Gesellschaft wiederum ist ein anderes Rechtssubjekt, sodaß ein und dasselbe Vorkaufsrecht letztlich doch von einer auf eine andere Person übergegangen wäre und das Grundbuch durch Eintragung eines neuen Rechtsträgers - vielleicht sogar mehrmals - berichtigt werden müßte. Dies wäre mit der apodiktischen Anordnung des § 1074 ABGB unvereinbar.

Zu Recht machen daher die Antragsteller geltend, das sie belastende Vorkaufsrecht sei erloschen. Sie haben diese Tatsache auch in einer dem § 136 Abs 1 GBG entsprechenden Weise durch öffentliche Urkunde nachgewiesen, weil sich aus dieser der Verschmelzungsvorgang, aus diesem wiederum kraft Gesetzes (§ 96 GmbHG iVm § 226 Abs 4 AktG) das Erlöschen der vorkaufsberechtigten Gesellschaft und daraus in weiterer Folge (§ 1074 ABGB) das Erlöschen des Vorkaufsrechtes ergibt (vgl zur Berichtigungsvoraussetzung der Offenkundigkeit RZ 1959, 124; NZ 1987, 106/90 ua).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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