OGH 5Ob105/61

OGH5Ob105/6126.4.1961

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria J*****, vertreten durch Dr. Eduard Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) Franziska S*****, 2.) Agnes S*****, und 3.) Heinrich M*****, alle vertreten durch Dr. Hans Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausführung eines Mehrheitsbeschlusses (Streitwert 20.000 S) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1. Februar 1961, GZ 6 R 444/60-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. November 1960, GZ 15 Cg 183/60-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens im Betrage von 796 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist zu 7/10, die Beklagten sind zu je 1/10 Miteigentümer des Hauses *****, dessen Räume auch hinsichtlich der Mietzinsbildung den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegen. Auf Antrag der Klägerin hat die Schlichtungsstelle beim Magistratischen Bezirksamt für den III. Bezirk mit der Entscheidung vom 18. 6. 1958, Schli 1/58, erkannt, daß bestimmt bezeichnete Erhaltungsarbeiten die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigen und die dafür erforderlichen Kosten in der vorveranschlagten Höhe von zusammen 390.859,50 S innerhalb von zehn Jahren aus den Hauptmietzinsen zu decken sind. Am 28. 3. 1960 brachte die Klägerin im Außerstreitverfahren gegen die Beklagten infolge ihrer Weigerung, das erforderliche Darlehen aufzunehmen, den Antrag ein, gemäß § 835 ABGB zu entscheiden, es sei ein Darlehen in der Höhe von 365.000 S bei der Ersten Österreichische Sparkasse in Wien zu den üblichen Bedingungen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zum Zwecke der Bezahlung unbedingt notwendiger Erhaltungsarbeiten im Sinne der Entscheidung der Schlichtungsstelle aufzunehmen, auf der ganzen Liegenschaft sicherzustellen und die Antragsgegner haben alle Erklärungen, die zur Einverleibung des Pfandrechtes auf ihren Anteilen erforderlich sind, abzugeben. Der Antrag wurde vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluß vom 2. 7. 1960, 4 Nc 454/60-7, mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich um einen die Minderheit bindenden Mehrheitsbeschluß der über 7/10 Anteile verfügenden Klägerin. Weigern sich die Überstimmten die zur Durchführung des Mehrheitsbeschlusses erforderlichen Handlungen (Unterfertigung des Schuldscheines und der Pfandbestellungsurkunde usw) vorzunehmen, seien sie im ordentlichen Rechtsweg zu belangen. Daraufhin stellte die Klägerin mit der am 27. 7. 1960 eingebrachten Klage das Begehren, die Beklagten seien schuldig zu erkennen, einen Schuldschein inhaltlich des einen integrierenden Bestandteil der Klage bildenden Schuldscheinformulares lautend auf einen von der Ersten Österreichischen Sparkasse zugezählten Darlehensbetrag von 108.600 S und beinhaltend die Verpfändung der den Beklagten grundbücherlich zugeschriebenen 3/10 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 2073, KG Landstraße, beglaubigt zu unterfertigen und der Klägerin diese Urkunde mit einer Vollmacht, die sie zur Behebung und Quittierung der Darlehenssumme bei der Sparkasse sowie zur Verwendung des Darlehensbetrages zur teilweisen Deckung des Instandhaltungserfordernisses im Sinne der Entscheidung der Schlichtungsstelle ermächtigt, zur Verfügung zu stellen. Sie brachte vor, die Instandhaltungsarbeiten seien bereits in Angriff genommen und die Schlichtungsstelle habe mit der Entscheidung vom 10. 2. 1960 bereits eine vorläufige Erhöhung der Hauptmietzinse ab 1. 3. 1960 auf 1,85 S pro Friedenskrone 1914 für zulässig erklärt. Erforderlich sei ein Darlehen von insgesamt 362.000 S. Sie habe den sie treffenden Teil von 253.400 S bereits aufgenommen und auf den ihr gehörigen 7/10 Anteilen sichergestellt. Die Beklagten weigern sich, den erforderlichen Restbetrag von 108.600 S aufzunehmen und auf ihren 3/10 Anteilen sicherzustellen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Berufung der beklagten Parteien wurde nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht führte aus, die Parteien seien an den Mehrheitsbeschluß der Klägerin gebunden, weil es sich um Angelegenheiten handle, die nur die ordentliche Verwaltung des Hauptstammes betreffen (§ 833 ABGB). Die Zinserträgnisse des Hauses seien gemäß den Bestimmungen des Mietengesetzes zweckgebunden. Unbedingt notwendige Erhaltungsauslagen seien aus den Hauptmietzinsen zu entrichten, die zu diesem Zwecke auch erhöht werden können. Für den Vermieter sei damit nur die Folge verbunden, daß das Haus während der Dauer der Erhöhung keine Erträgnisse abwerfe. Das Mietengesetz sehe auch die Möglichkeit der Aufnahme fremden Kapitals die Abtretung und Verpfändung der Hauptmietzinse zur Sicherung eines zu Instandhaltungszwecken aufgenommenen Darlehens (§ 42 Abs 2 MietG) und die Überwälzung der Ausgaben für Verzinsung und Tilgung an die Mieter (§ 6 Abs 3) vor. Nach § 8 Abs 2 MietG könne sogar die Gemeinde oder ein Dritter ermächtigt werden, das erforderliche Kapital namens des Hauseigentümers aufzunehmen. Die von der Klägerin beabsichtigte Darlehensaufnahme halte sich nur im Rahmen der im Mietengesetz verankerten Erhaltungspflicht des Vermieters (§ 8 MietG). Daß die Beklagten auch die persönliche Haftung für das Darlehen übernehmen müssen, sei infolge der Übung der Kreditinstitute unvermeidbar. Dem Mehrheitseigentümer müsse, sollte nicht die Minderheit die Durchführung des gefaßten Mehrheitsbeschlusses vereiteln können, die Möglichkeit eingeräumt werden, die Minderheit zur Aufnahme des erforderlichen Fremdkapitales zu verhalten.

In der Revision beantragen die Beklagten, gestützt auf § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO die Klage abzuweisen oder die Urteile der unteren Instanzen aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber geben zu, daß die in der Entscheidung der Schlichtungsstelle angeführten Erhaltungsarbeiten notwendig sind, daß die Mehrheit der Eigentümer Verfügungen zur Durchführung dieser Arbeiten treffen kann und daß derartige Maßnahmen zur ordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache nach § 833 ABGB gehören. Sie halten es jedoch für ausgeschlossen, daß Miteigentümer, die bereit sind, die notwendigen Beträge auszulegen, gezwungen werden können, ein bestimmtes Darlehen aufzunehmen, für dieses Darlehen die persönliche Haftung zur ungeteilten Hand mit den übrigen Miteigentümern einzugehen und den Mehrheitseigentümer zu ermächtigen, über die Darlehensbeträge zu verfügen. Die Beschaffung von Kapital für Zwecke der Verwaltung könne niemals eine bloße Verwaltungsangelegenheit sein. Die Klägerin könne von ihnen vielleicht die anteilsmäßige Zahlung der Instandhaltungskosten fordern, sobald die Rechnungen fällig sind, sie könne sie aber nicht zwingen, ein Darlehen aufzunehmen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu widerlegen. Die Aufnahme eines Darlehens für unbedingt notwendige Erhaltungsarbeiten im Sinne der §§ 7 und 8 MietG, das aus den Erträgnissen des Hauses abgezahlt werden kann, gehört zur ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 833 ABGB (vgl Klang in Klangs Komm2 III. Bd, S 1110 ff, EvBl 1950, Nr 346, SZ XXVII/312, 2 Ob 489/59). In einer derartigen Angelegenheit entscheidet die Mehrheit der Stimmen, die nach dem Verhältnis der Anteile der Teilnehmer gezählt werden. Der Mehrheitsbeschluß ist für die Minderheit bindend. Weigert sich die Minderheit, die zur Durchführung des Beschlusses erforderlichen Handlungen vorzunehmen, kann sie im Rechtsweg darauf belangt werden. Zur Durchführung der Instandhaltungsarbeiten ist erforderlich, daß die nötigen Geldmittel beschafft werden, die Beklagten die Schuld- und Pfandbestellungsurkunden unterfertigen und die Klägerin in die Lage versetzt wird, über die Darlehensbeträge zu verfügen. Da die Klägerin die Verwaltung führt und als Eigentümerin der Mehrheit der Anteile darauf Anspruch hat, ist sie im Verhältnis unter den Miteigentümern auch berechtigt, über das zu Instandhaltungszwecken aufgenommene Darlehen zu verfügen. Die Vollmacht ist nur zu dem Zweck notwendig, damit die Klägerin Dritten, insbesonders der Bank gegenüber ihre Berechtigung nachweisen kann.

Nur der Drittbeklagte hat eingewendet, er werde den auf ihn entfallenden Teil der Instandhaltungskosten, wenn ihm Kostenvoranschläge und bezahlte Rechnungen vorgelegt werden, bar bezahlen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine Vorfinanzierung durch die Klägerin in der Weise, daß sie zuerst die Rechnungen zahlen muß und erst dann von den Beklagten den anteilmäßigen Ersatz verlangen kann.

Die Einwendungen, die Klägerin habe den Beklagten bisher nicht Rechnung gelegt, sie sei nicht geeignet, die Verwaltung zu führen, und es bestehe keine Gewähr, daß die Klägerin das Kapital ordnungsgemäß verwendet, dringen nicht durch. Es steht den Beklagten frei, von der Klägerin die ihnen nach § 837 ABGB gebührende ordentliche Rechnung zu verlangen. Die Beklagten müssen sich als Minderheitseigentümer mit der Führung der ordentlichen Verwaltung durch die Klägerin abfinden (Klang aaO S 1112). Die Gefahr eines Mißbrauches wird von den Beklagten nicht behauptet. Daß die Beklagten für das aufzunehmende Darlehen die persönliche Haftung zur ungeteilten Hand mit der Klägerin übernehmen müssen, ist nach den Darlehensbedingungen der Ersten Österreichischen Sparkasse unvermeidlich. Dieser Haftung kommt jedoch praktisch keine Bedeutung zu, da das Darlehen samt Zinsen und Kosten innerhalb von 10 Jahren aus den Mietzinseingängen zu tilgen ist. Maßgebend ist, daß die Beklagten keinerlei Eigenmittel beizutragen haben.

Daß die Darlehenspromesse der Ersten Österreichischen Sparkasse bis zum 31. 1. 1961 befristet war und diese Frist während des Rechtsmittelverfahrens ablief, ist ohne Bedeutung, weil für die Entscheidung der Sachverhalt am Schlusse der Verhandlung in der ersten Instanz maßgebend ist und zu diesem Zeitpunkt (16. 1. 1960) die Promesse noch aufrecht war.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 41, 50, 52 ZPO.

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