Spruch:
Eintritt des Masseverwalters in einen vom Gemeinschuldner eingeleiteten Prozeß als Begehren nach Vertragserfüllung iS des § 21 KO. Der Vertragspartner wird in diesem Fall Massegläubiger; seine Rechtsstellung darf nicht verschlechtert werden
Nach §§ 1167, 1170 ABGB darf der Besteller bis zur Behebung der Mängel durch den Unternehmer das hiefür erforderliche Deckungskapital zurückbehalten
OGH 12. 5. 1971, 5 Ob 101/71 (OLG Wien 6 R 11/71; LGZ Wien 39b Cg 7/68)
Text
Das Erstgericht wies das auf Zahlung von S 110.000.- sA gerichtete Klagebegehren kostenpflichtig ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte und seine Frau Brigitte R beauftragten mit Vereinbarung v 16. 6. 1963 die C-Baugesellschaft, hinsichtlich der beiden für sie bestimmten Wohnungen samt Garage und Abstellraum im Hause F-Straße 48, alles für die Durchführung des Baues vorzukehren und insbesondere eine Vereinbarung über die Ausführung des Bauwerks mit der bauausführenden Firma zu treffen. Die C-Baugesellschaft betraute Ing Franz H mit der Baudurchführung. Dieser verpflichtete sich, den Bau gut, solide und den allgemeinen Regeln der Baukunst entsprechend auszuführen, nur gutes Material zu verwenden und für die solide, fachmännische und voranschlagsgemäße Ausführung der Arbeiten Sorge zu tragen. Die Bauarbeiten begannen am 21. 4. 1964 und wurden am 31. 3. 1966 beendet. Die Schlüssel für die beiden Wohnungen wurden dem Beklagten am 12. 11. 1964 übergeben, die Wohnungen wurden in der Zeit vom 7. bis zum 18. 2. 1966 bezogen.
Ing H stellte drei mit 31. 12. 1965 datierte Schlußrechnungen aus, die aber dem Beklagten erst am 14. 6. 1966 übermittelt wurden. Am 10. 8. 1966 fand eine Besprechung statt, auf Grund deren Ing H dem Beklagten den Brief v 12. 8. 1966 schrieb. Der Beklagte bestätigte den Empfang dieses Briefes mit Schreiben v 22. 8. 1966, stellte aber darin fest, daß der Brief v 12. 8. 1966 das Ergebnis der Besprechung v 10. 8. 1966 nicht richtig wiedergebe; er gab eine Reihe einzeln angeführter, am Bau aufgetretener Mängel bekannt und ersuchte um deren Behebung binnen 30 Tagen. Er kundigte an, daß er, falls Ing H nicht rechtzeitig für die Mängelbehebung Sorge trage, die Arbeiten durch andere Unternehmen ausführen lassen und die Kosten verrechnen würde.
Nach dem Sachverständigengutachten des Ing Eduard M v 21. 1. 1969 weisen die Arbeiten des Ing H mehrfache, einzeln angeführte Mängel auf, die bei sach- und fachgerechter Arbeit nicht hätten auftreten dürfen. Sie wurden bisher nicht behoben.
Ing H brachte zwar die vorliegende Klage, in der er ein restliches Entgelt von mindestens S 110.000.- fordert, am 15. 1. 1968 noch selbst ein; da aber am 11. 11. 1969 vom HG Wien über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, trat der Masseverwalter an seiner Stelle in den Prozeß ein.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht wie folgt:
Ing Franz H habe auf Grund seines Vertrages mit der C-Baugesellschaft die Stellung eines Generalunternehmers gehabt und hafte daher nicht nur für die von seiner Firma ausgeführten Baumeister- und Maurerarbeiten, sondern auch für die Arbeiten der an diesem Bau beschäftigten Professionisten. Gemäß § 1170 ABGB habe der Besteller zwar das bedungene Entgelt in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten. Der Beklagte habe aber die Verbesserung der festgestellten Mängel begehrt und dürfe daher das gesamte Entgelt bis zur Durchführung der Verbesserungen verweigern. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Ing H ändere an dieser Rechtslage nichts. Der von ihm behauptete Vergleich v 10. 8. 1966 sei, wie sich aus dem Brief des Beklagten v 22. 8. 1966 ergebe, nicht zustande gekommen.
Zufolge Berufung des Masseverwalters hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte hiezu folgendes aus:
Das Zustandekommen eines Vergleichs am 10. 8. 1966, auf den die Klage in erster Linie gestützt werde, sei vom Erstgericht lediglich auf Grund des Antwortschreibens des Beklagten v 22. 8. 1966 verneint worden. Der Kläger habe aber hiefür noch weitere Beweise (insbesondere die Einvernahme des Ing Franz N als Zeugen und PV) angeboten, die vom Erstgericht zu Unrecht nicht aufgenommen wurden. Hiedurch sei das erstgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben. Sollte der Abschluß eines solchen Vergleiches erwiesen werden, so müßte je nach seinem Inhalt und den Umständen, unter denen er zustande kam, auf die übrigen Einwendungen des Beklagten eingegangen werden.
Falls ein Vergleich nicht erwiesen würde, wäre folgendes zu beachten:
Da einerseits die Leistungen des Ing H mangelhaft waren, andererseits das vereinbarte Entgelt nicht zur Gänze bezahlt wurde, sei der Vertrag von beiden Seiten nicht vollständig erfüllt, sodaß § 21 Abs 1 KO anzuwenden sei. Der Masseverwalter verlange Erfüllung und sei daher in den Vertrag eingetreten. Demnach müßte er, soweit die Masse ausreiche, den Gewährleistungsanspruch so erfüllen, wie in der Gemeinschuldner erfüllen müßte, wenn der Konkurs nicht eröffnet worden wäre. Der Gewährleistungsanspruch wäre eine Masseforderung nach § 46 Z 3 KO. Die Einwendung des Masseverwalters, die Konkursmasse verfüge nicht über die zur Mängelbehebung erforderlichen Mittel, müsse vom Erstgericht geprüft werden. Wäre sie gerechtfertigt, so wäre das vom Erstgericht angenommene Hindernis für die Fälligkeit nicht gegeben.
§ 14 KO sei auf Aktivforderungen der Masse nicht anzuwenden. Auch die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Gewährleistungsanspruchs nach § 1447 ABGB lägen nicht vor, weil die Konkurseröffnung kein Zufall iS dieser Gesetzesstelle sei. Der Liquidierung des Betriebes des Ing H komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Konkursmasse ebenso wie der Beklagte die Mängel durch einen anderen Unternehmer beheben lassen könnte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Erachtet das Berufungsgericht das erstgerichtliche Verfahren als ergänzungsbedürftig und verweist es aus diesem Grund die Sache an das Erstgericht zurück, so steht dem OGH nach ständiger Rechtsprechung nur die Überprüfung der diesem Aufhebungsbeschluß zugrunde liegenden Rechtsansicht zu, nicht aber die Prüfung der Frage, ob es der Aufnahme weiterer Beweise bedarf (1 Ob 74/71: 5 Ob 23/71 uva). Da die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, bei Zustandekommen eines Vergleiches sei der Beklagte grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet, richtig ist, kann auf den Rekurseinwand, die außer dem Schreiben des Beklagten v 22. 8. 1966 vorliegende Korrespondenz reiche zur Beantwortung der Frage, ob am 10. 8. 1966 ein Vergleich zustande gekommen ist, hin, nicht eingegangen werden.
Für den Fall, daß ein derartiger Vergleich nicht als erwiesen angenommen würde, wäre der Rekurs allerdings inhaltlich teilweise berechtigt. Es ist richtig, daß der zwischen dem Beklagten und dem Gemeinschuldner zustande gekommene Werkvertrag im Zeitpunkt der Konkurseröffnung von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt war, sodaß dem Masseverwalter gemäß § 21 Abs 1 KO die Wahl zustand, entweder den Vertrag zu erfüllen und vom Beklagten Erfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß sich der Masseverwalter durch seinen Eintritt in den Prozeß für die erste Möglichkeit entschieden hat. Dies bedeutet aber, daß er seinerseits verpflichtet ist, anstelle des Gemeinschuldners die diesem obliegenden Vertragsverpflichtungen aus der Masse zu erfüllen. Die Verpflichtungen des Gemeinschuldners werden dadurch zu Masseschulden (§ 46 Z 3 KO), die gemäß § 47 KO vor den Konkursgläubigern aus der Masse zu erfüllen sind (Bartsch - Pollak I 124 § 21 Anm 15; Jaeger KO[8] § 17 Anm 33; Rintelen, HdB 159). Forderung und Verpflichtung haben für den Masseverwalter genau denselben Inhalt wie für den Gemeinschuldner. So ist insbesondere für den Masseverwalter bindend, ob der Gemeinschuldner Zug um Zug oder ob er vorzuleisten hatte. Der andere Teil hat gegenüber dem Masseverwalter dieselben Rechte und Einwendungen wie gegenüber dem Gemeinschuldner (Bartsch - Pollak aaO Anm 16 - 18). Die KO nimmt auch darauf Rücksicht, daß sich die Verhältnisse auf der Seite des Gemeinschuldners durch die Konkurseröffnung geändert haben, indem sie auch im Fall des Eintritts des Masseverwalters dem anderen Teil, selbst wenn er vertraglich zur Vorausleistung verpflichtet war, das Recht gibt, seine Leistung von der vorherigen Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung abhängig zu machen. Verweigert der Masseverwalter nunmehr die Leistung, so treten die Konsequenzen ein, die nach dem in Betracht kommenden Rechtsverhältnis mit dem Verzug der Leistung verbunden sind (Rintelen aaO 160).
Dies bedeutet, daß im vorliegenden Fall die Bestimmungen der §§ 1167 und 1170 ABGB über die Gewährleistung für Mängel sowie über die Entrichtung des Entgelts anzuwenden sind. Sollte also die Leistung des Ing H solche Mängel aufweisen, daß der Beklagte, solange sie nicht behoben sind, zur Zurückbehaltung des Entgelts berechtigt wäre, oder sollte der Beklagte, weil er die Mängel selbst beheben ließ, Gegenforderungen haben, so könnte er all dies gegenüber dem Masseverwalter ebenso mit Erfolg einwenden, wie er es gegenüber dem Gemeinschuldner hätte tun können. Die in diesem Punkt gegenteilige Rechtsansicht des Berufungsgerichts würde dazu führen, daß der Beklagte das restliche Honorar zahlen müßte, mit seinen Ansprüchen auf Behebung der Mängel oder seinen Gegenforderungen hiefür jedoch nur nach Maßgabe der §§ 46, 47 und 124 KO durchdringen könnte und bei Unzulänglichkeit der Masse allenfalls überhaupt nichts erhalten würde. Dies hätte eine erhebliche, im Gesetz nicht begrundete Verschlechterung seiner Rechtsstellung zur Folge.
Soweit der Beklagte demnach die Zahlung des Entgelts berechtigt zurückhält, ist dies so zu behandeln, als ob er für seinen Anspruch auf Lieferung eines mängelfreien Werkes eine Deckung erhalten hätte, sodaß § 47 Abs 2 letzter Satz KO zur Anwendung kommt. Der Massegläubiger, der eine Gegenforderung geltend macht, entgeht der Minderung, da ihn die in seinen Händen befindliche Deckung davor bewahrt (Bartsch - Pollak aaO § 47 Anm 61; 5 Ob 225/61).
Die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung, ob die Konkursmasse über die zur Mängelbehebung erforderlichen Mittel verfüge oder ob diese beschaffbar seien, ist daher nicht erforderlich. Wohl aber ist hinsichtlich der Höhe des Klageanspruchs zu berücksichtigen, daß der Beklagte, falls sich der Kläger weigert oder außerstande erklärt, die Mängel zu beheben, nur das für die notwendigen Verbesserungen erforderliche Deckungskapital zurückbehalten darf (HS 3161/28 sowie SZ 25/277). Das Erstgericht wird daher gegebenenfalls gemäß § 182 ZPO auf eine Konkretisierung dieser Ansprüche des Beklagten zu dringen und sodann ihre Höhe zu prüfen haben. Sollten die hiefür erforderlichen Beträge nicht die Höhe der Klageforderung erreichen, so könnte dieser im übersteigenden Betrag Berechtigung zukommen.
Da aber schon zur Prüfung des primären Klagegrundes des Vergleiches das Ersturteil auf jeden Fall aufgehoben und die Sache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen werden mußte, konnte der Rekurs im Ergebnis keinen Erfolg haben.
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