OGH 5Ob1014/92

OGH5Ob1014/9210.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Anna K*****, vertreten durch L***** S*****, Funktionärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, Landesorganisation Steiermark, Sparbersbachgasse 61, 8010 Graz, wider die Antragsgegner 1) Berta K*****, und

2) Dr. Gertrude B*****, beide vertreten durch O***** M*****, Sekretär des österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes, Naglergasse 50, 8010 Graz, wegen Anerkennung als Hauptmieter (§ 37 Abs 1 Z 1, § 2 MRG), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 3. Februar 1992, GZ 3 R 26/92-13, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die als außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittelschrift der Antragstellerin den Antragsgegnerinnen zur allfälligen Überreichung einer Rechtsmittelgegenschrift zuzustellen und nach Einlangen einer Beantwortung dieses Rechtsmittels oder nach fruchtlosem Ablauf der hiefür offenstehenden Frist die Akten im Wege des Rekursgerichtes wieder vorzulegen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin war Mieterin einer Wohnung im Hause der Antragsgegnerinnen. Mit dem bei der Schlichtungsstelle des Magistrates Graz erhobenen Antrag begehrte die Antragstellerin mit der Behauptung, sie sei Hauptmieterin der Wohnung, 1. den Hauptmietzins aufgrund des § 33 Abs 3 Stadterneuerungsgesetz festzustellen, 2. die anteilige Betriebskostenhöhe festzulegen,

3. die sich daraus ergebenden Überschreitungsbeträge der Antragstellerin ab Mietbeginn 1. Februar 1990 zuzusprechen und

4. "im Falle bei Notwendigkeit, Feststellung der Hauptmiete". Die Schlichtungsstelle erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 1991, im Hinblick auf die Einwendung der Antragsgegnerinnen, die Erstantragsgegnerin sei Hauptmieterin der Wohnung, das Verfahren über die unter den Punkten 1. bis 3. gestellten Anträge bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das als Vorfrage zu lösende "Vorliegen eines eventuellen Haupt- oder Untermietverhältnisses" zu unterbrechen. Am 17. Juni 1991 fällte die Schlichtungsstelle unter Berufung auf § 39 Abs 3 MRG von Amts wegen die feststellende Entscheidung, daß die Antragstellerin in der Zeit vom 1. Februar 1990 bis 30. April 1991 Hauptmieterin der näher bezeichneten Wohnung gewesen sei. Die Antragsgegnerinnen riefen hierauf gemäß § 40 Abs 1 MRG das Gericht an.

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß fest, daß die Antragstellerin aufgrund des Mietvertrages vom 1. Dezember 1990 (richtig: 1. Februar 1990) bis 30. April 1991 Hauptmieterin der Wohnung gewesen sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsgegnerinnen Folge und behob den erstinstanzlichen Sachbeschluß, wobei es unter Hinweis auf § 37 Abs 3 Z 16 bis 18 MRG, § 500 Abs 2 Z 3, § 526 Abs 3 ZPO aussprach, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens werde unter den Voraussetzungen des § 39 Abs 1 MRG durch den an die Gemeinde gerichteten Sachantrag bestimmt. Dieser Antrag richte sich hier auf Mietzinsüberprüfung. Ein unter § 2 Abs 3 MRG fallender Antrag sei nicht gestellt worden. Gemäß § 39 Abs 1 MRG sei in den in Betracht kommenden Gemeinden die Stellung eines Antrages bei der Schlichtungsstelle Prozeßvoraussetzung für eine spätere Behandlung vor Gericht (MietSlg. 40.572 u.v.a.). Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt; durch die von Amts wegen ergangene Entscheidung der Schlichtungsstelle werde sie nicht substituiert.

Der angefochtene Sachbeschluß sei nun verfahrensrechtlich wohl als Zwischensachbeschluß anzusehen, wenngleich nicht als solcher bezeichnet. Eine Anwendung des § 393 Abs 1 ZPO sei im Verfahren nach § 37 MRG allerdings nicht vorgesehen. Daher könne mittels gesondertem Sachbeschluß nicht über eine Vorfrage entschieden werden (MietSlg. 40.540). Ein Zwischensachbeschluß könne nur unter den Voraussetzungen der in § 37 Abs 3 Z 13 MRG rezipierten §§ 236 und 259 Abs 2 ZPO, also aufgrund eines Zwischenfeststellungsantrages einer Partei gefaßt werden (MietSlg. 37.526). Im vorliegenden Fall sei auch ein solcher Zwischenfeststellungsantrag von keiner der Parteien gestellt worden, weder im Verfahren vor der Schlichtungsstelle noch bei Gericht. Dem von Amts wegen gefaßten angefochtenen (Zwischen-)Sachbeschluß mangle es daher an der verfahrensrechtlichen Grundlage (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 34 zu § 37 MRG unter Hinweis auf 5 Ob 97/88 = MietSlg. 40.540 = WoBl. 1989/66 und MietSlg. 37.526).

Dieser vom Rekursgericht ungeachtet fehlender Geltendmachung durch die Rekurswerber wahrzunehmende Mangel führe zur ersatzlosen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, ohne daß es einer Erörterung der Rekursausführungen und des Rekursantrages bedurft hätte.

Rechtliche Beurteilung

Über das von der Antragstellerin gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Rechtsmittel, in dem die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses begehrt und hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt wird, kann derzeit noch nicht entschieden werden.

Bei Beurteilung des vorliegenden Rechtsmittels ist davon auszugehen, daß mit § 37 Abs 3 Z 17 MRG eine Angleichung der Rechtsmittelbestimmungen für das besondere außerstreitige Verfahren an den Zivilprozeß erfolgte, der "Rekurs gegen einen Sachbeschluß" somit der Berufung entspricht. Für die Zulässigkeit des Rekurses gegen die hier bekämpfte (verfahrensrechtliche) Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Rekurs der Antragsgegnerinnen gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluß ist daher § 519 Abs 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG maßgeblich. Im Hinblick auf diese Angleichung des Verfahrens an den Zivilprozeß entspricht der dem Msch-Verfahren zugrundeliegende Antrag und ein in einem solchen Verfahren gestellter Zwischenantrag auf Feststellung verfahrensrechtlich betrachtet einer Klage bzw. Klageerweiterung. Nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG ist der Rekurs gegen die Zurückweisung eines Sachantrages bzw. eines Zwischenfeststellungsantrages ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO zulässig. Er ist aber auch unabhängig vom Vorliegen eines Ausspruches des Gerichtes zweiter Instanz, das hier sinngemäß funktionell als Berufungsgericht tätig wird, über den Wert des Entscheidungsgegenstandes zulässig (vgl. Petrasch, Der Weg zum OGH nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 750 und 751; MGA ZPO14 Anm 4) zu § 519 ZPO; 5 Ob 108/90; 5 Ob 132, 133/91 ua). Im vorliegenden Fall wurde vom Gericht zweiter Instanz zwar kein Sachantrag zurückgewiesen, das Rechtsmittelgericht hat jedoch ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen den Sachbeschluß des Erstgerichtes, mit dem dem von der Antragstellerin in ihrer Eingabe an die Schlichtungsstelle unter Punkt 4. gestellten Antrag (bei Notwendigkeit Feststellung der Hauptmietrechte) stattgegeben worden war, ersatzlos behoben. Da mit dieser Entscheidung der von der Antragstellerin erhobene Rechtsschutzanspruch auf Feststellung ihrer Hauptmietrechte in Beschlußform ebenfalls abschließend erledigt würde, ist die Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG auf den vorliegenden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz analog anzuwenden. Dies hat zur Folge, daß der von der Antragstellerin hier bekämpfte Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz ohne die Beschränkungen nach den §§ 502, 528 ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG, also unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und vom Wert des Entscheidungsgegenstandes zulässig ist, und das vorliegende - zutreffend mit der erforderlichen Anzahl von Gleichschriften eingebrachte - Rechtsmittel zweiseitig ist (§ 521 a Abs 2 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG).

Da das Erstgericht die nach § 521 a Abs 1 ZPO gebotene Zustellung des von der Antragstellerin erhobenen Rechtsmittels, auf dessen Bezeichnung es ja nicht ankommt, an die Antragsgegnerinnen unterlassen hat, waren die Akten dem Erstgericht zur Nachholung des Versäumten und deren Wiedervorlage zurückzustellen.

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