OGH 5Nd513/96

OGH5Nd513/964.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwarz und Dr. Floßmann in der Pflegschaftssache der Mj Daniela B*****, vertreten durch ihre Eltern, Evelyn und Hans B*****, Schweiz, diese vertreten durch Dr. Stephan Amann, Rechtsanwalt in Feldkirch, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit für die angeführte Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien (dortige GZ: 2 P 134/96p) an das Bezirksgericht Feldkirch wird genehmigt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Pflegschaft wurde eröffnet, um die Rechte der Mj im Verlassenschaftsverfahren nach Hubert Michael W***** zu wahren. Da es dabei um das (Mit-)Vermächtnis eines Wohnhauses in 6811 Meinigen geht und das Bezirksgericht Feldkirch als Verlassenschaftsgericht einschreitet, erscheint die Führung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Feldkirch (das auch näher am Aufenthaltsort des Pfleglings liegt) durchaus zweckmäßig; das Bezirksgericht Feldkirch hat jedoch die Übernahme der Pflegschaft mit dem Hinweis auf Art 1 des Haager MjSchAbk (MSA) abgelehnt.

Diese Bestimmung steht der Übertragung der Zuständigkeit im Interesse der Mj (§ 111 Abs 1 JN) nicht entgegen:

Das MSA umfaßt zwar alle Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen; das Abkommen sieht aber nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates vor, in dem der Mj seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sondern verteilt vielmehr die "internationalen Zuständigkeiten" für Schutzmaßnahmen auf den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes (Art 1 und 2) und auf den Heimatstaat (Art 4). Diese Zuständigkeiten des Aufenthaltsstaates und des Heimatstaates bestehen nebeneinander (RZ 1988, 169/41 mwN).

Art 1 MSA erklärt die Behörden des Aufenthaltsstaates - vorbehaltlich der Bestimmungen der Art 3, 4 und 5 Abs 3 - für zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Mj zu treffen. Nach Art 4 Abs 1 MSA können die Behörden des Staates, dem der Mj angehört, dann, wenn sie der Auffassung sind, daß das Wohl des Mj es erfordert, nach ihrem innerstaatlichen Recht Schutzmaßnahmen für den Mj treffen, nachdem sie die Behörden des Aufenthaltsstaates verständigt haben. Die Zuständigkeit der Behörden des Aufenthaltsstaates, die für den Mj erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen, greift insoweit nicht ein, als Schutzmaßnahmen der Heimatbehörden des Kindes (Art 4, Art 5 Abs 3 MSA) vorliegen; in solchen Fällen verbleibt den Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt des Mj nur eine Notzuständigkeit zur Abwehr einer ernsten Gefährdung von Person oder Vermögen des Mj (Art 8 MSA) oder die "Eilzuständigkeit" des Art 9 MSA (SZ 55/153). Die Maßnahmen der Heimatbehörden verdrängen jene der Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt (Art 4 Abs 4, Art 5 Abs 3 MSA) und schließen - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - auch die weitere Zuständigkeit der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts aus; es besteht daher ein ganz eindeutiger Vorrang der Heimatbehörden (Schwimann, Das Haager Minderjährigenschutzabkommen und seine Anwendung in Österreich, JBl 1976, 233 [241]; SZ 55/153; SZ 60/234; RZ 1988, 169/41 ua).

Demnach sind Schutzmaßnahmen eines inländischen Gerichtes (§ 110 Abs 1 JN) zur Wahrung der Rechte der Mj in der erbrechtlichen Auseinandersetzung um ein im Inland gelegenes Haus durchaus möglich bzw zulässig und sogar wahrscheinlich. Auch wenn derzeit noch keine konkrete Schutzmaßnahme zu treffen ist und vor einer solchen Kontakt mit den Behörden des Aufenthaltsstaates der Mj herzustellen sein wird, liegt es im Interesse der Mj, die betreffenden Agenden gemäß § 111 JN sogleich jenem Gericht zu übertragen, zu dem persönliche und sachliche Anknüpfungspunkte bestehen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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