OGH 5Nd512/92

OGH5Nd512/924.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kyoo A*****, geboren am 23.1.1987, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Döbling an das Bezirksgericht Wolfsberg wird genehmigt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Ehe der Adoptiveltern des Minderjährigen wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 3.2.1992 (ON 34) geschieden. Sie hatten den Minderjährigen im Jahre 1988 in Tokyo adoptiert, leben aber seit dieser Zeit - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - getrennt, und zwar der Vater hauptsächlich in Brüssel, die (vorläufig) obsorgeberechtigte (ON 2 und 27) Mutter mit dem Kind zunächst in Wien, seit Juni 1992 in *****/Kärnten mit der erklärten Absicht, nicht mehr nach Wien zurückzukehren (ON 41, 44, 57 und 58).

Unerledigt sind der Antrag der Mutter auf endgültige Zuteilung der Obsorge an sie (ON 41) sowie auf Einschränkung des vereinbarten Besuchsrechtes des Vaters (ON 27 und 48). Beweisaufnahmen unmittelbar zu diesen Anträgen haben noch nicht stattgefunden. Beim Bezirksgericht Döbling ist Richterwechsel eingetreten.

Die Mutter begehrt die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Wolfsberg (ON 44); der Vater sprach sich dagegen aus (ON 45).

Das Bezirksgericht Döbling übertrug die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Wolfsberg/Kärnten mit der Begründung, das Kind halte sich ständig in dessen Sprengel auf. Infolge der räumlichen Nähe dieses Gerichtes zum Minderjährigen und dessen Mutter könnten die erforderlichen Anhörungen rascher und müheloser durchgeführt werden. Auch könne sich das Bezirksgericht Wolfsberg einfacher einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von der Mutter und dem Umfeld verschaffen. Für den Kindesvater, welcher seinen ordentlichen Wohnsitz in Brüssel habe, sei es von geringer Relevanz, ob das Verfahren in Wien oder in Kärnten durchgeführt werde. Darüber hinaus seien auf Grund einer Änderung der Geschäftsverteilung dem nunmehr zuständigen Richter die Parteien noch nicht persönlich bekannt (ON 49).

Das Bezirksgericht Wolfsberg lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung ab, es stehe nicht fest, ob der Minderjährige seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich im Sprengel dieses Gerichtes habe. Im übrigen sei das Verfahren praktisch bereits bis zur Entscheidungsreife gediehen. Sofern Ergänzungen, wie beispielsweise die beantragte Erörterung des Gutachtens des Sachverständigen Dr.S*****, notwendig seien, werde darauf verwiesen, daß die Ladung dieses Sachverständigen nach Wolfsberg sehr unzweckmäßig wäre. Der offene Antrag bezüglich Zuteilung der Obsorge stehe jedenfalls der Übertragung entgegen (ON 55).

Die Zuständigkeitsübertragung ist zu genehmigen.

Auf Grund der eidesstattlichen Erklärung der Adoptivmutter, mit dem

Kind auf dem Gut ihrer Mutter im Sprengel des Bezirksgerichtes

Wolfsberg zu bleiben, zumal sich das Kind in den Gemeindekindergarten

***** gut eingelebt habe, bestehen keine Bedenken dagegen, daß der

Minderjährige seinen Lebensmittelpunkt im Sprengel des

Bezirksgerichtes Wolfsberg hat. Demnach ist dieses Bezirksgericht am

besten geeignet, im Interesse des Kindeswohles erforderliche

Maßnahmen zu setzen (EFlSlg 60.723 uva; jüngst 1 Nd 501/92). Offene

Anträge sprechen im allgemeinen nicht gegen eine

Zuständigkeitsübertragung (EFSlg 60.731, 54.969 uva), es sei denn,

dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere

Sachkenntnis zu (1 Nd 501/92). Davon kann aber bezüglich der offenen

Anträge über endgültige Zuteilung der Obsorge bzw. Änderung des

Besuchsrechtes, wofür vor allem die gegenwärtige Situation besonders

maßgebend ist, keine Rede sein. Nach der Aktenlage fanden zu diesen

Anträgen auch beim Bezirksgericht Döbling noch keine Beweisaufnahmen

statt. Es wurde zwar seinerzeit ein Gutachten des Sachverständigen

Univ.Prof.Dr.Walter S***** über den damaligen psychischen Zustand des

Kindes, dessen Beziehung zum Vater sowie darüber eingeholt, ob ein

weiterer regelmäßiger Kontakt zum Vater dem Wohl des Kindes

entspreche bzw. ob sich auf Grund des damaligen Zustandes des

Kindes Rückschlüsse auf frühere Geschehnisse (sexueller Mißbrauch

durch den Vater) ziehen ließen (ON 16), und der Sachverständige auch

zur mündlichen Erörterung diese Gutachtens geladen, die jedoch wegen

vergleichsweiser Regelung des Besuchsrechtes des Vaters und der

einvernehmlichen Erklärung, über die endgültige Zuteilung der Obsorge

nicht zu entscheiden, unterblieb (ON 27). Sollte im weiteren

Verfahren abermals die Einholung eines Sachverständigengutachtens

erforderlich werden, so kann dies wohl nicht durch mündliche

Erörterung des seinerzeit vom Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Walter

S***** erstatteten Gutachtens geschehen. Einerseits handelt es sich

jetzt um ein anderes Beweisthema, andererseits erklärte dieser

Sachverständige schon seinerzeit, daß er lange vor seiner Bestellung

schon einmal mit dem Vater die Problematik dieser Fragestellung

erörtert und mehrfach lange Telefonate mit ihm geführt habe. Es ist

daher verständlich, daß die Mutter aus gewissen Formulierungen in

seinem Gutachten die Befangenheit des Sachverständigen ableiten zu

können glaubt. Dies hat zur Folge, daß vermutlich im weiteren

Verfahren - falls überhaupt erforderlich - die Bestellung eines

anderen Sachverständigen angezeigt sein wird.

Da sohin durch die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Döbling an das Bezirksgericht Wolfsberg die wirksame Handhabung des dem Minderjährigen zugedachten pflegschaftsbehördlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird (§ 111 Abs 1 JN), war die Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.

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