OGH 5Nc36/14k

OGH5Nc36/14k24.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen H***** und N***** S*****, beide geboren am *****, aufgrund der vom Bezirksgericht Melk zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN verfügten Vorlage der Akten AZ 22 Ps 207/14w, Pu 207/14b, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050NC00036.14K.1024.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 30. September 2014, GZ 22 Ps 207/14w‑2, 22 Pu 207/14b‑39, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Linz wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die Obsorge für die beiden außerehelich geborenen Minderjährigen steht der Mutter zu, die derzeit unbekannten Aufenthalts ist. Der Vater beantragte am 30. 9. 2014 beim Bezirksgericht Melk, dass als zuständiges Bezirksgericht in Unterhaltssachen eingeschritten war, die Übertragung der (vorläufigen) Obsorge. Nach seinen Angaben leben die Kinder seit Anfang Juli 2014 bei ihm in seinem Wohnwagen auf einem Campingplatz in Linz. Auch die Mutter soll dort bis September gewohnt haben. Er sei als Verkäufer auf einem Marktstand derzeit in Linz beschäftigt, habe Kindergartenplätze in Linz gefunden und auch ab Mitte Oktober eine Wohnung in Aussicht.

Das Bezirksgericht Melk übertrug mit Beschluss von 30. 9. 2014 die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Linz und verwies auf den ständigen Aufenthalt der Kinder auf einem Campingplatz in Linz.

Das Bezirksgericht Linz lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache mangels beständigen Aufenthalts der Kinder in seinem Sprengel ab, weil es sich beim angegebenen Aufenthalt um einen Campingplatz handle. Aufgrund der bisherigen Befassung des übertragenden Gerichts und des dortigen Kinder‑ und Jugendhilfeträgers sei aus Zweckmäßigkeitsgründen eine Verfahrensführung in Melk sinnvoll.

Das Bezirksgericht Melk legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Übertragung vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

2. Ausschlaggebendes Kriterium der Übertragung der Zuständigkeit ist stets das Wohl des Kindes (RIS‑Justiz RS0047074). Offene Anträge sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RIS‑Justiz RS0047032). In der Regel entspricht es den Interessen minderjähriger Kinder, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel ihr gewöhnlicher Aufenthalt und der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt (RIS‑Justiz RS0047300). Die höchstgerichtliche Rechtsprechung misst dem örtlichen Näheverhältnis zwischen Pflegschaftsgericht und Pflegebefohlenen, damit wesentliche Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0047300 [T19]).

3. Im vorliegenden Fall ist eine Übertragung der Pflegschaftssache an ein anderes Gericht derzeit nicht zweckmäßig. Es steht nämlich noch gar nicht fest, ob die Kinder tatsächlich im Sprengel des Bezirksgerichts bleiben werden, an das die Zuständigkeit übertragen werden soll (RIS‑Justiz RS0047032 [T20]; RS0047300 [T21]; RS0046984 [T4]). Nach den Angaben des Vaters wohnen sie derzeit bei ihm in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz, der (soweit aus dem Internet ersichtlich) auch nur von 15. 3. bis 15. 10. geöffnet ist bzw war. Aufgrund der angegebenen Berufstätigkeit als Verkäufer auf Marktplätzen scheint auch sein dauernder Aufenthalt in Linz fraglich, aber jedenfalls nicht gesichert, zumal er nach seinen eigenen Angaben noch über gar keinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Linz verfügt, ist doch nur von einer „Aussicht auf eine Wohnung“ die Rede. Aus diesen Erwägungen ist die Übertragung nicht zu genehmigen.

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